Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag

Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, beginnt die Vorbereitung für eine der Pflichten des Parlaments: Es prüft, ob es eigentlich korrekt gewählt wurde oder ob sich die Abgeordneten selbst wieder nach Hause schicken müssen.

So will es das Grundgesetz, nämlich Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG:

Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages.

Dass der Bundestag hier zum Richter in eigener Sache wird, lässt sich wohl vor allem mit parlamentarischer Tradition begründen. Bereits US-Verfassung (1776), die österreichische Verfassung von 1848 und die Weimarer Reichsverfassung (1919) haben dies so vorgesehen. Ob diese Tradition eine gute ist, darüber kann man sicher streiten. „Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag“ weiterlesen

Besitz und Eigentum

Besitz, Anwesen, Gut, Habe, Eigentum, Grundbesitz, Immobilien, Grundstück, Besitzung, Länderei, Terrain, Anwesen, Hab und Gut, Vermögen, … – wenn man das Internet bemüht, dann sind all diese Begriffe zumindest irgendwie synonym zu gebrauchen. Aber die Juristen wären nicht Juristen, wenn sie es verschiedenen Wörtern durchgehen ließen, die gleiche Bedeutung zu haben. Damit dieses Erklärung nicht gar so unerträglich lang wird, beschränken wir uns auf ein einzelnes Begriffpaar: Besitz und Eigentum.

Im Sprachgebrauch werden diese Worte – was man nicht von allen Ergüssen des genannten Internet-Assoziationsblasters behaupten kann – auch tatsächlich weitgehend als bedeutungsgleich angesehen. Wer glaubt, das wäre bei den Juristen auch so, der soll einmal einen Blick in das Gesetz wagen: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.“ (§ 985 BGB) Dieser Satz lässt uns einigermaßen ratlos zurück. Wenn der Eigentümer vom Besitzer etwas verlangen kann, dann muss es sich um zwei verschiedene Personen handeln. Nun wäre es nicht so völlig unmöglich, dass man – streng juristisch betrachtet – auch etwas von sich selbst fordern kann. Die sich an dieser Stelle aufdrängenden Schizophrenen-Witze hebe ich mir für eine andere Gelegenheit auf.

Und doch beinhaltet dieser Satz bereits des Rätsels Lösung. Wenn wir davon ausgehen, dass der Besitzer nicht automatisch auch der Eigentümer ist, dann stellen wir eines fest: Der Besitzer muss die Sache herausgeben, also hat er sie wohl. Der Eigentümer kann fordern, dass er sie bekommt, also gehört sie ihm wohl. Und tatsächlich ist Besitzer derjenige, der die „tatsächlich Gewalt über die Sache“ ausübt (§ 854 Abs. 1 BGB). Ob er sie zurecht ausübt, ist völlig unerheblich. Der Dieb, der Räuber, der Finder, der Erbschleicher – sie alle können jederzeit Besitzer werden.

Anders ist es dagegen mit dem Eigentum. Eigentümer wird, wer das Eigentum an einer Sache erwirbt – das ist wohl einer dieser Sätze, die man sich auch sparen könnte. Das Eigentum wiederum erwirbt man, indem man sich mit dem bisherigen Eigentümer einigt, dass man Eigentümer werden soll und man selbst den Besitz an der Sache erhält. Weil das schon kompliziert genug klingt und in der Juristerei alles nochmal komplizierter ist als es klingt, widme ich mich der Lösung dieses Rätsel zu einem späteren Zeitpunkt.

Ein Herz für Schiedsrichter

Beim Fußball sind Schiedsrichter wohl eher die weniger beliebten Akteure. Ohne sie geht es zwar nicht, aber sie sind trotzdem an allem schuld. Anders ist es in der Juristerei. Da bräuchte es eigentlich keine Schiedsrichter, da es normale Richter gibt.

Und trotzdem erfreuen sich private Schiedsgerichte immer größerer Beliebtheit. Viele Vertragspartner, vor allem Firmen, vereinbaren, dass Streitigkeiten nicht vor den normalen staatlichen Gerichte, sondern vor gemeinsam eingesetzten Schiedsgerichten verhandelt und entschieden werden.

Das ermöglicht das zehnte Buch der ZPO: Demnach können die Parteien vereinbaren, dass ein Schiedsgericht für einzelne oder alle Streitigkeiten zuständig sein soll (§ 1029 ZPO). In diesen Fällen ist der Rechtsweg vor staatliche Gerichte in aller Regel ausgeschlossen (§ 1026 ZPO). Normalerweise (§ 1034 Abs. 1 ZPO) besteht das Schiedsgerichte aus drei Schiedsrichtern, von denen jede Partei einen benennt und der Vorsitzende von diesen beiden Schiedsrichtern einvernehmlich bestimmt wird (§ 1035 Abs. 3 Satz 2 ZPO).

Die Vorteile des schiedsrichterlichen Verfahrens liegen auf der Hand:

  • Schnelligkeit: Statt ein Jahr auf das Urteil zu warten, bekommt man innerhalb weniger Woche eine Entscheidung.
  • Kompetenz: Es können Schiedsrichter ausgesucht werden, die sich exakt mit dem Thema auskennen.
  • Diskretion: Statt in einem öffentlichen Gerichtsgebäude mit Zuschauern oder gar Presse wird in einem Konferenzraum o.ä. verhandelt.
  • Rechtssicherheit: Es gibt keine Berufung oder Revision gegen das Urteil.
  • Kosten: Bei einem Streitwert von 15 Mio. Euro (zwischen Unternehmen nichts Ungewöhnliches) fallen allein 167.000 Euro an Gerichtsgebühren an. Das Schiedsgericht kostet dagegen nur die streitwertunabhängigen Kosten der Schiedsrichter – in aller Regel nur ein minimaler Bruchteil der staatlichen Gerichtskosten.

Prozesskostenhilfe aus Sicht des Gegners

Die Prozesskostenhilfe ist ein Element des Rechtsstaats. Jedem, der einen Anspruch zu haben glaubt, muss grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen, vor Gericht zu gehen. Wenn er sich einen teuren Prozess eigentlich nicht leisten kann, ist dies noch kein Grund, ihm seine Rechte vorzuenthalten. Aus diesem Grund gab es bereits in der Ur-Zivilprozessordnung das sogenannte „Armenrecht“. Heute nennt es sich neutraler „Prozesskostenhilfe“ und ist in den §§ 114 bis 127 ZPO geregelt.

PKH kann selbstverständlich unabhängig davon gewährt werden, ob man Kläger oder Beklagter ist. Für die heutigen Betrachtungen ist aber die Klägerseite interessanter. Es geht also darum, dass der Kläger eine Forderungen gegen jemanden erhebt und selbst nicht genug Geld hat, um Gericht und Anwälte zu zahlen. Darum will er, dass der Staat ihm unter die Arme greift.

Erste Voraussetzung dafür ist die Bedürftigkeit, die nach genau festgelegten Regeln und anhand von Einkommentabellen berechnet wird. Außerdem muss die Klage zumindest gewisse Erfolgsaussichten bieten. (Ob sie auch tatsächlich Erfolg hat, muss freilich erst das Gericht der eigentlichen Verhandlung prüfen. Im PKH-Verfahren fallen also nur Klagen durch, die völlig chancenlos sind.) Und schließlich darf sie auch nicht mutwillig, also ohne vernünftigen Grund angestoßen worden sein. Diese Voraussetzungen stehen in § 114 Abs. 1 ZPO und werden in den nachfolgenden Vorschriften noch etwas präzisiert.

Wird PKH bewilligt, so muss der Kläger gemäß § 122 weder die Gerichts-, noch seine eigenen Anwaltskosten zahlen. (Theoretisch kann PKH auch so bewilligt werden, dass der Kläger immerhin Raten zahlen muss, dann ist die PKH-Leistung also mehr ein Kredit als eine Kostenübernahme. Diese Konstellation lassen wir hier aber ebenfalls weg.)

Was die Prozesskostenhilfe aber niemals deckt, sind die Anwaltskosten des Gegners, siehe § 123 ZPO. Wenn der PKH-berechtigte Kläger verliert, seine Klage also abgewiesen wird, muss er also (nur) die Anwaltskosten des Gegners zahlen. Anders gesagt: Der Beklagte muss seinen Anwalt zunächst selber zahlen und hat dann einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger – nicht etwa gegen den Staat, da die Prozesskostenhilfe eben nicht so weit geht. Diesen Erstattungsanspruch muss er aber erstmal irgendwie durchsetzen können – gegen einen „bedürftigen“ Gegner.

Unter Umständen ist dieser Anspruch also nicht viel wert, weil der Gegner so arm ist, dass man nichts pfänden kann. Nun kann er aus diesem Anspruch zwar immer wieder die Vollstreckung versuchen, also einen Gerichtsvollzieher beauftragen, aber die Aussichten sind möglicherweise nicht die besten. Und jeder Vollstreckungsversuch produziert neue Kosten, die zunächst einmal der Anspruchsinhaber selbst tragen muss.

Insgesamt nimmt es der Staat also hin, dass ein bedürftiger Kläger auf Staatskosten seinen Anspruch durchsetzen will, sich dieser aber als unbegründet herausstellt und anschließend der Beklagte (der keinen Anlass dazu geliefert hat, den Prozess durchzuführen, und zudem vor Gericht auch noch Recht bekommen hat) mit einer unter Umständen gesalzenen Rechnung allein gelassen wird. Dies widerspricht grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen.

Was könnte man nun dagegen machen?

Eine Abschaffung der Prozesskostenhilfe kommt sicher nicht in Betracht. Dieses Instrument ist verfassungsmäßig praktisch unverzichtbar.

Vielmehr sollte man an § 123 ZPO Änderungen vornehmen und es dem Gegner erlauben, seine Kosten ebenfalls dem Staat in Rechnung zu stellen. Damit hat dieser keinen Nachteil und das Insolvenzrisiko des PKH-Klägers wird nicht auf einen im Grunde unbeteiligten Dritten abgeschoben.

Bis dahin kann man jedem, der von einem PKH-Berechtigten verklagt wird, nur raten, seine Rechte wahrzunehmen. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann er sich dazu äußern, ob er „die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält“. Dabei sollte man vor allem begreifen, dass es – wie geschildert – auch um seine Position im Verfahren geht. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit zwischen Staat und Kläger, aus der man sich vornehm heraushält. Wenn man die Klage für unbegründet hält, wenn man vielleicht sogar schlagende Beweise in der Hand hält, dass man selbst im Recht ist, sollte man sich auch entsprechend äußern. Vor allem ist es nicht so, dass man dem Gegner dadurch seine wohlerworbenen Rechte wegnimmt. Denn es nützt auch dem Kläger nichts, wenn er dann erst in der mündlichen Verhandlung auf die Nase fällt.