Die Änderungsmöglichkeiten der Abgabenordnung

Im Steuerrecht gibt es häufig die Situation, dass ein Steuerbescheid trotz Eintritt der Bestandskraft noch abgeändert werden soll. Die Änderungsvorschriften in der AO sind dabei zahlreich und häufig nicht so leicht auseinanderzuhalten. Entscheidend ist häufig die Frage, ob die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, der Änderungsanspruch also verjährt ist. Die verschiedenen Änderungsvorschriften beinhalten ganz unterschiedliche Regelungen zur Anwendbarkeit und eventuellen Verzögerung der Festsetzungsverjährung.

Daher geben wir heute eine Übersicht über die verschiedenen Normen:

§§ 347 ff. – Einspruch

Der Einspruch ist keine Änderungsmöglichkeit, sondern er verhindert gerade die Bestandskraft. Ein fristgerechter Einspruch führt, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedürfte, zu einer umfassenden Neuprüfung der Sachlage (§ 367 Abs. 2).

§§ 130 und 131 – Rücknahme und Widerruf

Die allgemeinen Vorschriften über Rücknahme und Widerruf (§§ 130 und 131) gelten nur für sonstige Steuerverwaltungsakte, nicht für Steuerbescheide, § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 d).

§ 129 – Berichtigung mechanischer Fehler

Voraussetzung: Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten

Liegt ein rein mechanischer, nicht auf die Rechtsanwendung bezogener Fehler vor, kann das Finanzamt diesen innerhalb der Festsetzungsfrist berichtigen.

§ 164 Abs. 2 – Änderung unter Vorbehalt ergangener Bescheide

Voraussetzung: Steuerbescheid ist unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1) ergangen

Wurde ein Steuerbescheid erlassen, bevor eine abschließende Prüfung erfolgen konnte, so kann dieser unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt werden. Das Finanzamt behält sich dadurch gerade eine erneute Prüfung vor, eine Änderung bleibt innerhalb der gesamten Festsetzungsfrist möglich. Die Änderung kann den gesamten Bescheid erfassen.

§ 165 Abs. 2 – Änderung bei Vorläufigkeitsvermerk

Voraussetzung: Steuer wurde vorläufig festgesetzt (§ 165 Abs. 1)

Besteht eine punktuelle Unsicherheit bzgl. einer bestimmten Tatsache oder Rechtsfrage, kann das Finanzamt die Steuer vorläufig festsetzen. Im Unterschied zum Vorbehalt der Nachprüfung hat das Finanzamt hier gar keine Möglichkeit, für eine endgültige Steuerfestsetzung zu sorgen, da die Unsicherheit derzeit nicht aufzuklären ist. Die Festsetzungsfrist ist bis ein Jahr nach Aufklärung der Unsicherheit gehemmt, die Vorläufigkeit kann unbegrenzt bestehen bleiben und der Steuerbescheid bleibt änderbar. Die Änderung kann aber nur die bislang unsicheren Punkte erfassen.

§ 172 Abs. 1 Nr. 2 a) – einverständliche schlichte Änderung

Voraussetzung: Einvernehmen zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigem

Sind sich Finanzamt und Steuerpflichtiger darüber einig, dass ein Steuerbescheid geändert werden sollte, können sie dies vereinbaren. Bei Änderungen zugunsten des Steuerpflichtigen muss dieser allerdings innerhalb der Einspruchsfrist von einem Monat (§ 355 AO) einen Antrag gestellt, der Änderung zugestimmt oder Einspruch eingelegt haben, um die Bestandskraft zu verhindern.

§ 173 – Änderung wegen neuer Tatsachen und Beweise

Voraussetzung: nachträgliches Bekanntwerden von Tatsachen oder Beweismitteln

Werden dem Finanzamt Tatsachen oder Beweise erst bekannt, nachdem die ursprüngliche Entscheidungsfindung abgeschlossen ist, kann der Steuerbescheid anhand der neuen Erkenntnisse innerhalb der Festsetzungsfrist geändert werden. Eine Änderung nur zugunsten des Steuerpflichtigen ist nur möglich, wenn dieser die Nichtberücksichtigung nicht grob fahrlässig verursacht hat. Auch Bescheide aufgrund einer Außenprüfung genießen erhöhte Bestandskraft (Abs. 2).

§ 174 – Vermeidung widerstreitender Festsetzungen

Voraussetzung: steuerrelevanter Sachverhalt wurde überhaupt nicht oder in mehreren Steuerbescheiden berücksichtigt

Jeder Sachverhalt soll nur genau einmal steuerrechtlich erfasst werden. Wurde er mehrfach oder – etwa, weil sich kein Finanzbeamter für zuständig hielt – gar nicht berücksichtigt, kann dies korrigiert werden. § 174 Abs. 1 bis 4 enthalten jeweils spezielle Regelungen für die verschiedenen Varianten des Widerstreits und behandeln auch die Festsetzungsfrist.

§ 175 Abs. 1 Nr. 1 – Anpassung an Grundlagenbescheid

Voraussetzung: Erlass, Änderung oder Aufhebung eines Grundlagenbescheids

Ein Grundlagenbescheid liefert die Basis für einen späteren Steuerbescheid, indem er bestimmte Tatsachen feststellt oder die Steuergrundlagen misst (§ 171 Abs. 10). Die eigentliche Steuerfestsetzung erfolgt dann durch den Steuerbescheid. Daher wird der Steuerbescheid von einer Änderung am Grundlagenbescheid automatisch erfasst. Die Festsetzungsfrist für den Steuerbescheid endet erst zwei Jahre nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids.

§ 175 Abs. 1 Nr. 2 – Änderung aufgrund rückwirkenden Ereignisses

Voraussetzung: ein Ereignis, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat, tritt ein

Wenn ein tatsächlicher oder rechtlicher Umstand erst nach Abschluss der ursprünglichen Entscheidungsfindung entsteht, kann er trotz Bestandskraft noch berücksichtigt werden. In der Regel handelt es sich dabei um Änderungen bei bestimmten Bewertungsansätzen. Die Festsetzungsfrist beginnt hier erst mit Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eintritt (§ 175 Abs. 1 Satz 2).

Zusammenfassung

Die spätere Änderung eines Steuerbescheids durchbricht dessen Bestandskraft und damit auch seine verfahrensabschließende Wirkung. Daher sind die Hürden für eine spätere Änderung teilweise hoch, auch wenn die schiere Zahl der Änderungsmöglichkeiten es anders erscheinen lässt. In jedem Fall sollte die Anfechtung eines falschen Steuerbescheids möglichst früh erfolgen, in der Regel noch innerhalb der Einspruchsfrist, um die Möglichkeit einer späteren Änderung gar nicht zu brauchen. Erster Schritt dazu ist aber die Erledigung der Steuererklärung und Überprüfung des Steuerbescheids mit eigenem Fachwissen, unter Mitwirkung eines Steuerberaters oder durch einen Anwalt.

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