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    Categories: Verfassungsrecht

Was Grundrechte (nicht) leisten

Nichts wird so gründlich missverstanden wird wie die Grundrechte. Das betrifft nicht nur „normale Bürger“, sondern seltsamerweise auch an sich erfahrene Politiker. Darum möchte ich hier einmal die häufigsten Irrtümer über unsere Grundrechte vorstellen. Ich beschränke mich hier einmal auf die Grundrechte des Grundgesetzes, diejenigen der Landesverfassungen habe sowieso kaum eine Funktion. Die Artikelangaben sind solche des Grundgesetzes; die Lektüre im Originalwortlaut ist durchaus empfehlenswert. Bei den mitlesenden Juristen entschuldigen ich mich aber bereits für die notwendigerweise etwas vereinfachte und verkürzte Darstellung.

Grundrechte hab ich gegenüber jedem. Grundrechte hat man nur gegenüber dem Staat, nicht gegenüber anderen Menschen, Art. 1 Abs. 3. Hier gelten lediglich die einfachen Gesetze. Man darf mir nichts stehlen, weil das in § 1004 BGB und in § 242 StGB steht – nicht etwa, weil ich ein Grundrecht auf Eigentum hätte.

Jeder kann sich auf die Grundrechte berufen. Einige Grundrechte stehen schon einmal nur Deutschen zu (z.B. Art. 8 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1). Die meisten kann aber grundsätzlich jeder Bürger in Anspruch nehmen. Bei Firmen sieht es schon wieder anders aus, da müssen die Grundrechte dem Wesen der Firma nach überhaupt sinnvoll sein (Art. 19 Abs. 3) – da scheidet bspw. die Menschenwürde naheliegenderweise aus. Ob und wie Gemeinden Grundrechte geltend machen können, ist wieder äußerst strittig. Auf jeden Fall kann sich aber nur der auf ein Grundrecht berufen, der es wirklich selbst ausüben will und der in seinem Recht auch persönlich eingeschränkt wird (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a).

Grundrechte dürfen nicht eingeschränkt werden. Eine Vielzahl der Grundrechte sieht bereits in sich eine Einschränkung vor. Z.B. kann die Freizügigkeit reglementiert werden, wenn Naturkatastrophen das erfordern (Art. 11 Abs. 2). Aus der Privilegierung von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1) folgt, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 3) zurückstehen muss. Wieder andere Grundrechte können von jedem beliebigen Gesetz eingeschränkt werden (z.B. Art. 2 Abs. 2). Diejenigen Grundrechte, die auf den ersten Blick nicht einschränkbar sind, können aber auch nicht schrankenlos gewährt werden, da sie sonst die anderen verdrängen würden; darum können sie – vereinfacht gesagt – zum Wohle anderer Grundrechte eingeschränkt werden. Wichtig ist nur, dass die Einschränkung durch ein allgemeines, für jeden geltendes Gesetz beschlossen wird (Art. 19 Abs. 1 Satz 1); eine Verordnung der Bundesregierung, eine gemeindliche Satzung oder eine Schulordnung reichen also bspw. nicht. Auch darf das Gesetz nicht willkürlich sein und muss vor allem die Bedeutung des Grundrechtes berücksichtigen.

Der Staat muss mir dabei helfen, dass ich mein Grundrecht ausüben kann. Grundrechte sind Abwehrrechte, ich kann mir also eine Einmischung des Staates in diese geschützten Bereiche verbitten; das bedeutet aber nicht, dass ich einen Anspruch darauf hätte, mein Grundrecht auch ausüben zu können. Religionsfreiheit (Art. 4 Abs. 2) bedeutet, dass mir der Staat nicht einfach das Beten verbieten darf; er muss mir aber auch keine Kirche bauen. Ich darf mir zwar meinen Beruf selbst aussuchen (Art. 12 Abs. 1), ich habe aber kein aus sozialistischen Staaten bekanntes Recht auf Arbeit. Und ein Recht auf Bildung bedeutet kein kostenloses Studium bis zum 28. Semester. Wem das ungerecht vorkommt, der soll sich einmal vor Augen führen, was ansonsten ein Recht auf kostenloses Eigentum (Art. 14) bedeuten würde.

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