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    Categories: RechtsphilosophieStrafrecht

Ohne Führerschein fährt es sich besser

Man muss zwischen der Fahrerlaubnis und dem Führerschein unterscheiden. Die Fahrerlaubnis ist das abstrakte Recht, ein Auto (oder, je nach Klasse, ein Motorrad, einen Lkw, einen Bus usw.) zu fahren. Der Führerschein, also die Papierurkunde, heute ein Plastikkärtchen, ist die Verkörperung dieses Rechts. Wenn man den Führerschein nicht mehr finden kann, ändert das nichts an der Fahrerlaubnis. Umgekehrt nützt es mir nichts, wenn ich (z.B. durch gerichtliches Urteil) meine Fahrerlaubnis verloren habe, aber den Führerschein immer noch in Händen halte. Wer ohne gültige Fahrerlaubnis fährt, macht sich strafbar gemäß § 21 StVG und hat eine Geldstrafe um die drei Monatsgehälter oder sogar Gefängnis bis zu einem Jahr zu erwarten. Zum Fahren muss ich den Führerschein dabeihaben (§ 4 Abs. 2 Fahrerlaubnisverordnung); wenn ich ihn daheim vergesse, ist das aber gerade kein Fahren ohne Fahrerlaubnis, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit (§ 75 Nr. 4 FeV), die gerade einmal 10 Euro Verwarnungsgeld nach sich zieht (Nr. 168a Bußgeldkatalog-Verordnung).

Eine Rechtsanwaltskanzlei rät auf ihrer Internetseite dazu, doch besser den Führerschein nicht im Auto zu haben. Begründet wird dies damit, dass der Führerschein dann auf begründeten Verdacht (konkret wurden Drogen am Steuer genannt) beschlagnahmt und gleichzeitig auch das Recht, Auto zu fahren, entzogen werden kann. Der Entzug wirkt sofort und dauert so lange, bis das Verfahren abgeschlossen ist, also der Drogenverdacht durch Auswertung der Blutprobe nach ca. einem bis drei Monaten entkräftet ist. Das gilt aber eben nur, wenn der Führerschein mitgeführt wird:

Aus unserer Sicht begründet sich die Pflicht zum Mitführen der Fahrerlaubnis lediglich darin, dass der Polizei die Möglichkeit gegeben wird, diese zu beschlagnahmen.

Zwar handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, wenn Willi Brause den Führerschein nicht bei sich führt, aber selbst wenn man im Falle einer Polizeikontrolle dann 10 € berappen muss, ist dieses im Ergebnis billiger, als die Kosten, die man hätte, wenn die Pappe (auch nur vorläufig) entzogen wird – vom Ärger und Aufwand einmal ganz abgesehen.

Ganzer Text: http://www.kanzlei-nierenz.de/warum-man-besser-seinen-fuhrerschein-nicht-dabei-hat/

Die rechtlichen Hintergründe werden auf der dortigen Seite, auch in den Kommentaren unter dem Text, sehr aufschlussreich beleuchtet. Wir wollen uns aber vielmehr damit auseinandersetzen, was aus rechtsphilosophischer Sicht davon zu halten ist. Denn selbstverständlich gab es auch gleich einige Reaktionen, die einwarfen, man dürfe doch – vor allem als Rechtsanwalt – nicht zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit aufrufen.

Einerseits hat diese Kanzlei das gar nicht getan. Sie hat nur darauf hingewiesen, welche Vor- und Nachteile die beiden möglichen Verhaltensweisen (Führerschein dabei oder nicht) jeweils bieten und diese in einer Gesamtschau verglichen.

Und da ist es eben so, dass das Nicht-Mitführen des Führerscheins in dieser Konstellation davor schützt, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Gleichzeitig verstößt man natürlich gegen das Gesetz (wie oben erwähnt) und setzt sich der Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit aus. Dies selbstverständlich auch in den Fällen, in denen man ansonsten als Autofahrer alles richtig gemacht hat, die kontrollierenden Polizisten keinerlei Verdacht in irgendeiner Hinsicht haben und der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis überhaupt nicht zur Debatte steht. Und das kostet dann eben 10 Euro.

Dabei ist es wichtig, diese 10 Euro – rechtsphilosophisch gesehen – richtig zu verstehen. Sie sind nicht der Preis dafür, dass man den Führerschein nicht dabeihaben muss. Es bleibt illegal, sich ohne Führerschein ins Auto zu setzen, und darum darf man es nicht. Auch dann nicht, wenn man bereit ist, im Ernstfall die 10 Euro zu zahlen.

Für den rechtstreuen Bürger ist das also im Grunde keine Option. Wer sich an das Gesetz hält, weil es falsch ist, das nicht zu tun, der muss seinen Führerschein immer dabei haben.

Umgekehrt muss man aber berücksichtigen, dass der Staat selbstverständlich auch rechtstreu sein muss. Und die einschlägigen Vorschriften besagen, dass das Fahren ohne den Führerschein im Handschuhfach mit einer regelmäßigen Geldbuße von 10 Euro zu ahnden ist. Wenn der Staat also diese Sanktion festgesetzt hat, ist auch er am Ende seiner Macht angekommen. (Theoretisch kann auch ein höheres Bußgeld festgesetzt werden, aber das spielt in der Praxis keine Rolle.)

Und das Ende der Macht bedeutet im Ausgangsfall eben, dass neben dem Bußgeld auch noch ein Verfahren wegen des Anfangsverdachts des Fahrens unter Drogeneinfluss eingeleitet werden kann. Die Sicherstellung seines Führerscheins scheidet dagegen aus, da er ihn nicht dabei hat und damit nur ein Antrag beim zuständigen Gericht gestellt werden kann. Bis dieser bearbeitet ist, dauert es, und in der Zwischenzeit ist vielleicht in den Fall schon so viel Bewegung gekommen, dass der Verdacht ausgeräumt ist. Häufig wird die Polizei dieses langwierige Vorgehen von Haus aus sein lassen. Damit ist – aus rein praktischer Sicht – für den Betroffenen viel gewonnen.

Aus rein legalistischer Sicht ist das freilich anders. Da mag man sagen: „Nun ja, so funktioniert der Rechtsstaat eben. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man in einen unbegründeten Verdacht gerät, aber am Ende des Ermittlungsverfahrens kommt immer die Wahrheit heraus. Und wer nichts zu befürchten hat, kann das getrost abwarten.“ Dieses Abwarten geschieht dann aber ohne fahrbaren Untersatz.

Wenn es zwei Möglichkeiten gibt und das rechtmäßige Verhalten derart gravierendere Folgen haben kann als das unrechtmäßige, dann ist es das gute Recht eines Anwalts (als unabhängiges Organ der Rechtspflege, § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung), darauf auch hinzuweisen. Im besten Falle kommt dadurch auch eine Diskussion über die rechtlichen Grundlagen zustande. Diesen Widerspruch kann nämlich im Endeffekt nur der Gesetzgeber auflösen.

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