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    Categories: Kommunalrecht

Stimmenthaltung in bayerischen Kommunalparlamenten

Ein Klassiker im öffentlich-rechtlichen Teil des Jurastudiums in Bayern ist die Frage, was passiert, wenn sich ein Gemeinderatsmitglied der Stimme enthält. Die Musterlösung dafür lautet ungefähr:
1. Das ist unzulässig, § 48 Abs. 1 Satz 2 der bayerischen Gemeindeordnung.
2. Deswegen darf aber nicht die ganze Abstimmung ungültig sein, sonst könnte ja jedes Mitglied jede Entscheidung torpedieren.
3. Wer sich enthält, kann nicht einfach zu den Ja- oder Nein-Stimmen gerechnet werden, da er ganz explizit weder ja noch nein gesagt hat.
4. Also wird seine Stimme einfach ignoriert – er hat mit der Enthaltung also genau das erreicht, was er wollte.

Bekanntlich kann man in der Juristerei mit einer triftigen Begründung fast alles vertreten. Hier ist nur das Problem, dass es im Endeffekt kaum durchgreifende Argumente gegen diese Lösung gibt. Aber da man doch einiges dazu diskutieren kann, ist die Konstellation der Enthaltung im Gemeinderat nach wie vor ein recht beliebter Prüfungsstoff. Allerdings muss man als Praktiker dazu sagen: Das kommt in der Realität gar nicht vor. Es wird in den allermeisten Kommunalparlamenten nicht nach Ja- und Nein-Stimmen gefragt. Der Vorsitzende fragt, wenn ein Antrag höchstwahrscheinlich die Mehrheit finden wird, nur nach den Gegenstimmen; im anderen Fall fragt er nur nach der Zustimmung. Wer sich da nicht meldet, wird automatisch zur anderen Möglichkeit dazugerechnet, auch, wenn er sich in Wirklichkeit enthalten wollte.

Es könnte aber durchaus sinnvoll sein, ein Recht zur Stimmenthaltung in das Kommunalverfassungsrecht einzufügen. Für die Enthaltung gibt es im Wesentlichen zwei Anlässe: Teilweise hat man als durchschnittlicher Stadtrat oder Kreisrat einfach keine Ahnung. Bei vielen Themen weiß man nicht, wie man sich nun entscheiden soll. Die andere Möglichkeit, die eigentlich nach einer Enthaltung ruft, kommt auch nicht so selten vor: Dem einzelnen Abgeordneten ist das Thema einfach völlig wurscht. Viele Schaufensteranträge sind so banal, dass eine argumentationsbasierte Sachentscheidung praktisch nicht möglich ist.

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