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    Categories: Strafrecht

Gesamtstrafe

(Zum Verständnis der folgenden Ausführungen bietet es sich an, zunächst den Artikel über die Geldstrafe im StGB zu lesen.)

§ 53 Abs. 1 StGB:

Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.

§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB:

Die Gesamtstrafe [wird] durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe (…) gebildet.

§ 54 Abs. 2 Satz 1 StGB:

Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen.

Alles klar? An sich ist das Gesetz hier schon relativ gut verständlich. Wie immer wird aber einerseits eine gewisse Kenntnis vorausgesetzt und andererseits muss man gewisse Üblichkeiten der Praxis kennen.

Grundvoraussetzung ist, dass mehrere Einzelstraftaten vorliegen, die in derselben Verhandlung beurteilt werden sollen. Der Angeklagte hat also durch verschiedene Handlungen zwei Diebstähle, eine Körperverletzung und eine Sachbeschädigung begangen. Das nennt man Tatmehrheit und führt eben zu einer Gesamtstrafe. Anders wäre es, wenn jemand einem anderen ein Messer in den Arm gerammt und dabei auch noch das Hemd des Opfers beschädigt hätte; dann liegt nur eine Straftat (Tateinheit gemäß § 52 StGB) vor, die auch nur eine Strafe (aus dem Strafrahmen des schwereren Delikts, hier gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB) nach sich zieht.

Für die ganzen Einzelstraftaten wird nun zunächst jeweils eine Strafe verhängt. Nehmen wir, dass für die beiden Diebstähle jeweils 40 Tagessätze, für die Körperverletzung 60 Tagessätze und für die Sachbeschädigung 20 Tagessätze Geldstrafe vom Gericht festgesetzt wurden. Die „verwirkte höchste Strafe“ (auch „Einsatzstrafe“ genannt) sind also die 60 Tagessätze. Und diese müssen nun zu einer Gesamtgeldstrafe erhöht werden, um das Unrecht der anderen Straftaten ebenfalls zu sühnen.

Wie weit darf das Gericht die Strafe nun erhöhen? Das steht im Gesetz, nämlich nicht bis zur Summe der Einzelstrafe, hier also 40+40+60+20=160 Tagessätze. Das Maximum sind also 159 Tagessätze. Das Minimum sind 61 Tagessätze, auch, wenn dies nicht so deutlich im Gesetz steht. Aber die Rechtsprechung geht davon aus, dass es keine „Erhöhung um null“ gibt, also in jedem Fall wenigstens ein Tagessatz mehr herauskommen muss als die höchste Einzelstrafe.

Das Gericht muss also „die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend“ würdigen (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB) und sich dann auf einen Wert zwischen 61 und 159 festlegen.

Wenn es nur um zwei Straftaten geht, ist die Berechnung meistens ziemlich leicht: Man zählt zur höheren Strafe die Hälfte der niedrigeren hinzu und kommt so auf die Gesamtstrafe. 80 plus 60 Tagessätze ergeben 110, drei Jahre und zwei Jahre werden zu vier Jahren Gefängnis, acht Monate und vier Monate zu zehn. Geht es um mehr als zwei Taten, werden die weiteren Strafen mit absteigender Tendenz berücksichtigt. Im vorliegenden Beispiel werden wir also wohl in der Gegend von 90 bis 100 Tagessätzen landen. Eine feste Formel gibt es übrigens nicht und ein Richter darf in ein Urteil auch nichts davon hineinschreiben, dass er die weiteren Strafen in Bruchteilen hat einfließen lassen. Denn eine formelhafte Berechnung würde laut Rechtsprechung gegen das Gesetz verstoßen. Aber selbstverständlich werden solche Überlegungen – zumindest außerhalb des Urteilstextes – angestellt.

Zum Schluss stellt sich noch die Frage, warum es überhaupt eine Gesamtstrafe gibt. Schließlich wird die Gesamtsumme der einzelnen Strafen zwangsläufig (oft sogar ganz erheblich) gesenkt. Und jemand, der 1994 eine Körperverletzung, 1997 einen Diebstahl, 2001 eine Sachbeschädigung und 2008 noch einen Diebstahl begangen hat, hätte alle vier Einzelstrafen separat bezahlen müssen, also die vollen 160 Tagessätze.

Rechtspolitisch wird die Gesamtstrafe vor allem dadurch gerechtfertigt, dass der Täter noch nicht durch vorhergehende Verurteilungen gewarnt wurde und dadurch von seinem Tun ablassen konnte. Wer beispielsweise über Jahre hinweg kleine Betrügereien zulasten seines Arbeitgebers begangen hat, hörte eben nicht auf, solange alles „gut ging“. Das ist zwar immer noch illegal, strafbar und straferhöhend, aber in irgendeiner Form auch ein menschlicher Zug. Daher trifft den Täter hier nicht die volle Härte des Gesetzes.

Zum anderen muss man auch berücksichtigen, dass das deutsche Recht doch relativ schnell in Strafhöhen gelangt, die multipliziert geradezu erschlagend wären. Bei einem Betrug wird häufig ab einer Schadenshöhe von 5.000 Euro bereits eine sechsmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung verhängt. Wer also bspw. 25 Anleger um jeweils 6.000 Euro geprellt hat, müsste bei einer reinen Addition der Strafen mit ungefähr 12 bis 14 Jahren Gefängnis rechnen. Auch, wenn ein Betrug um 150.000 Euro natürlich nach einer empfindlichen Sanktion ruft, wäre das eine härtere Strafe als bei so manchem Tötungsdelikt und eine viel härtere Strafe als für die meisten Schwerverbrechen.

Die Gesamtstrafenbildung ist freilich nicht immer widerspruchsfrei und nicht zwangsläufig gerecht, aber sie ermöglicht eine angemessene Reaktion auf eine größere Zahl von Straftaten.

Übrigens kann die Gesamtstrafe auch nachträglich verhängt werden.

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