In wenigen Tagen beginnt die neue Legislaturperiode der Kommunalparlamente in Bayern. Zwar sind die Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage eigentlich keine Parlamente im engeren Sinne, sondern Exekutivorgane, aber der Begriff „Parlament“ hat sich eingebürgert. Mit Parlamenten haben sie auch eines gemeinsam, worum es heute geht: Die Fraktionen.
Fraktionen sind Zusammenschlüsse mehrerer Abgeordneter der gleichen Partei oder mit gleicher politischer Zielrichtung. Innerhalb der Fraktion teilen sie sich in aller Regel die Parlamentsarbeit. Zur Unterstützung bei dieser Arbeit erhalten die Fraktionen bestimmte Gelder zugeteilt, um z.B. Personal zu beschäftigen, Bürogegenstände anzuschaffen oder ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit darzustellen. Diese Mittel sind bei kleinen Gemeinden spärlich bis nicht vorhanden, in großen Städten dagegen meist recht ansehnlich. Darum kommt es ab und zu zu kommunalrechtlichen Streitigkeiten über ihre Höhe.
Das wohl wichtigste Urteil zur Materie erging vor knapp zwei Jahren durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 8 C 22.11). Geklagt hatte eine Fraktion des Chemnitzer Stadtrats gegen die dortige Mittelverteilung, die linear nach der Größe der Fraktionen geschah. So erhielt also eine Fraktion mit 20 Mitgliedern das Vierfache einer Fraktion mit fünf Mitgliedern.
Überraschend ist sicher, dass das Gericht diese Praxis mit dem Argument für unzulässig erklärte, dass dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Es soll also gerade keine Gleichbehandlung sein, wenn jeder Abgeordnete (bzw. dessen Fraktion) die gleichen Mittel zur Verfügung gestellt bekommt? Das bedarf sicher eingehender Erklärung.
Die hinter dem Urteil stehende Überlegung ist eng an der Arbeitsweise in Parlamenten orientiert und auch nur mit dieser zu verstehen. Es ist einfach so, dass der Hauptteil der Parlamentsarbeit aus dem Sichten von Beschlussvorlagen besteht. Die Abgeordneten müssen herausfinden, worum es bei den verschiedenen Entscheidungen geht. Die Mitarbeiter beschäftigen sich mit Anliegen von Bürgern, recherchieren und formulieren Anträge. All diese Aufgaben sind von der Fraktionsgröße ziemlich unabhängig.
Laut Urteil sollen diese Tätigkeiten sogar bis zu drei Viertel der gesamten Arbeit ausmachen:
Die Klägerin hatte unter Beweisantritt geltend gemacht, wenigstens drei Viertel des typischen personellen Aufwands für die Fraktionsgeschäftsführung falle für kleine wie für große Fraktionen gleichermaßen an. Das Oberverwaltungsgericht hat den angebotenen Beweis nicht erhoben, sondern die tatsächliche Behauptung der Klägerin als wahr unterstellt. Auf der Grundlage dieser Unterstellung ist eine rein proportionale Mittelverteilung bei unterschiedlich großen Fraktionen keinesfalls mehr gleichheitsgemäß. Die Einschätzung, drei Viertel und mehr des personellen Aufwands fielen bei der Zuschussbemessung für eben diesen Aufwand nicht ins Gewicht, ist auch bei Annahme eines Einschätzungsspielraums des Richtliniengebers nicht mehr zu rechtfertigen. Unter diesen Umständen führt eine rein proportionale Mittelverteilung zwangsläufig zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung kleinerer Fraktionen.
Das ist eben die andere Seite des Gleichheitsgrundsatzes: Es muss nicht nur Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches ungleich behandelt werden. Und kleine und große Fraktionen unterscheiden sich eben darin, dass die anfallende Arbeit bei wenigen Abgeordneten am Einzelnen überdurchschnittlich hängenbleibt. Daher wäre es verfehlt, die Mittel streng nach der Mitgliederzahl zu verteilen.
Dass es daneben auch eine von der Fraktionsstärke abhängige Tätigkeit (das restliche Viertel) gibt, ist freilich auch zu berücksichtigen. So wird jeder Abgeordnete seine „Lieblingsthemen“ haben, die er vorrangig einbringt und damit seine Mitarbeiter belastet. Je mehr Fraktionsmitglieder es gibt, desto größer ist eben auch der „Input“ an die Belegschaft. In der Praxis wird es daher so sein, dass für jede Fraktion eine bestimmte Grundpauschale ausbezahlt wird und zusätzlich noch ein gewisser Anteil linear verteilt wird. Damit sind die größeren Fraktion von der reinen Summe her weiter bessergestellt, aber sie werden eben nicht mehr ganz so bevorzugt wie bisher.
Abzuwarten bleibt, wie die bayerischen Kommunen auf dieses Urteil reagieren. Dem Vernehmen nach gab es bisher noch wenige Bemühungen, sich die Festlegungen des BVerwG anzuschauen und diese in den neu zu erlassenden Geschäftsordnungen umzusetzen. Man wird davon ausgehen können, dass es die eine oder andere Klage geben wird. Vielleicht folgen dann nähere Ausführungen zu den Anforderungen und Grenzen der Fraktionsfinanzierung.