Außerhalb der USA mag man sich fragen, was „Hobby Lobby“ denn sein soll. In den USA kannten bisher wohl auch nicht so viele Menschen den Heimwerkermarkt, denn gut 500 Filialen sind in einem derart riesigen Land nicht so wahnsinnig viel. Das dürfte sich nun geändert haben und „schuld“ ist der Supreme Court, das oberste Gericht der USA.
Ein Kernstück der Obama-Regierung war die Einführung einer bundesweiten Pflicht-Krankenversicherung für alle Bürger. Diese hat längst an Popularität verloren, da sich ihre zahlreiche praktischen Probleme gezeigt haben. Von nicht funktionierenden Anmelde-Homepages über explodierende Versicherungsprämien bis hin zu der Tatsache, dass Krankenhäuser nun Obdachlose und andere Sozialfälle nicht mehr kostenlos behandeln dürfen, hat diese Reform bisher hauptsächlich Ärger eingebracht. Auch aus prinzipiellen Gründen lehnen die meisten Bürger in den traditionell freiheitlich orientierten Vereinigten Staaten diese Form der Staatswirtschaft ab.
Trotzdem ist dies nun Gesetz und so sollte Hobby Lobby, ein Familienunternehmen auf Aktienbasis, seine Angestellten pflichtversichern. Nach den Regeln des „Patient Protection and Affordable Care Act“ hätte Hobby Lobby aber auch eine Versicherung abschließen müssen, die die „Pille danach“ übernimmt. Dies kam für die christlich geprägte Betreiberfamilie nicht in Betracht. Und so kam es zum Verfahren zwischen Hobby Lobby und dem Gesundheitsministerium der USA, vertreten durch die Ministerinnen Kathleen Sebelius (bis April 2014) bzw. Sylvia Burwell. Der Fall ist nach den Traditionen der US-Rechtssprache als Sebelius v. Hobby Lobby bzw. Burwell v. Hobby Lobby bekannt.
Der Supreme Court hat nun in einer knappen Entscheidung mit 5:4 Stimmen das Urteil gesprochen:
Zunächst wurde – was bisher auch schon gängige Rechtsprechung war – festgestellt, dass sich auch juristische Personen wie eine Aktiengesellschaft auf die Grundrechte der US-Verfassung berufen können. Für die Religionsfreiheit gilt dies aber nur, wenn die Aktien „closely held“ sind, also auf wenige Aktionäre verteilt sind und es keinen Streubesitz gibt. Wenn diese Aktieninhaber einen (ernsthaften und wohl auch gemeinsamen) religiösen Glauben teilen, kann sich auch die Gesellschaft auf die Religionsfreiheit berufen.
Es steht den Gerichten nicht zu, es zu bewerten, wenn diese Religion nach ihren allgemein anerkannten Grundsätzen davon ausgeht, dass das schützenswerte menschliche Leben im Moment der Zeugung (Vereinigung von Samen- und Eizelle) beginnt. Insbesondere können Gerichte Glaubensinhalte nicht als vernünftig oder unvernünftig einstufen und daraus Konsequenzen für die Beachtlichkeit religiöser Überzeugungen ableiten.
Verpflichtet das Gesetz eine Firma gegen diese Überzeugungen, eine derartige Krankenversicherung anzubieten, so ist dies eine verfassungswidrige substantielle Einschränkung der Religionsfreiheit, da sie dazu gezwungen wird, gegen Grundsätze ihres Glaubens zu handeln.
Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Staat lediglich eine abstrakte Pflicht festschreibt, die durch zweierlei privatrechtliche Verträge (zwischen Hobby Lobby und der Versicherungsgesellschaft einerseits und zwischen der Angestellten und ihrem Arzt andererseits) konkretisiert wird. Auch die mittelbare Beziehung zwischen dem (auch nach dem Glauben der Firmeninhaber) neutralen Abschluss einer Krankenversicherung und dem hiervon gedeckten Verschreiben der „Pille danach“ ist ausreichend, um einen Eingriff in die Religionsfreiheit darzustellen.
Hobby Lobby hätte noch die Möglichkeit, überhaupt keinen oder einen modifizierten Versicherungsschutz anzubieten. Dann wäre aber eine Ausgleichszahlung (vom Gericht unumwunden als „penalty“, also Strafe, bezeichnet) von insgesamt bis zu einer halben Milliarde Dollar pro Jahr fällig. Dem Unternehmen sei es nicht zuzumuten, sich seine Religionsfreiheit durch derartig gravierende wirtschaftliche Konsequenzen zu „erkaufen“.
Ein Eingriff in die Religionsfreiheit könne nur zulässig sein, wenn dies den „least-restrictive-means standard“ erfülle, also die geringste Eingriffsintensität zur Durchsetzung eines legitimen staatlichen Ziels darstelle. Wenn der Staat seinen Bürgern aber den freien Zugang zu Abtreibungsmethoden gewähren wolle, so müsse er sich selbst darum kümmern und könne dies nicht auf die Arbeitgeber abwälzen.
Abschließend stellt das Gericht noch fest, dass dies nicht als Freibrief verstanden werden kann, jede gesetzliche Pflicht durch den Verweis auf religiöse Vorbehalte zu umgehen. Würde bspw. jemand geltend machen, dass seine Religion ihm verbieten würde, Impfungen zu finanzieren, müsste dieses Vorbringen daran gemessen werden, ob Impfungen als gesundheitserhaltende Maßnahme nicht einen Eingriff in die Religionsfreiheit rechtfertigten und es hier kein weniger einschneidendes Vorgehen gäbe. Dies war aber nicht Gegenstand des Prozesses.
Eine Besprechung der Hobby-Lobby-Entscheidung finden Sie hier.