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Was man im Jura-Studium lernt

Die Vorstellungen darüber, wie das juristische Studium so aussieht, gehen bei Laien oft weit auseinander. Manche meinen, ein fertiger Jurist (oder auch einer, der gerade einmal zwei Semester hinter sich gebracht hat) müsse aus dem Stegreif alles wissen, was man ihn an der Kneipentheke fragt. Andere wiederum glauben, man komme als Fachanwalt (um nicht zu sagen Fachidiot) von der Universität und kenne sich nur mit einem Rechtsgebiet gründlich aus.

Wer Jura studiert hat, kann bestätigen, dass weder das eine noch das andere der Fall ist. Man bringt ein durchaus breites Wissen mit, das aber vielen Gesetze schlicht ausblendet. Das, was man weiß, beherrscht man mit gewissem Blick für die Systematik, aber ohne das Durchdringen letzter Details und Spezialfälle.

Wie so oft hilft auch hier ein Blick ins Gesetz. Wenn man sich die bayerische Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) ansieht, wird man in § 18 Abs. 2 schnell fündig, was man als Student bis zum Ende des Studiums so wissen muss:

Pflichtfächer sind:

1. aus dem Bürgerlichen Recht:

a) der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs (von Abschnitt 1 Titel 2 nur Organhaftung),
das Schuldrecht (ohne Abschnitt 8 Titel 2, 11, 15, 18, 19 und 25) einschließlich der Grundzüge des Rechts der Gefährdungshaftung (nur aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, dem Straßenverkehrsgesetz und dem Produkthaftungsgesetz) und das Sachenrecht (ohne Abschnitt 6, Abschnitt 7 Titel 2 Untertitel 2 und Abschnitt 8 Titel 2);

b) das Familienrecht (nur Wirkungen der Ehe im Allgemeinen, eheliches Güterrecht, Scheidungsgründe und Unterhalt des geschiedenen Ehegatten, allgemeine Vorschriften über Verwandtschaft, Abstammung, Unterhaltspflicht unter Verwandten und Ehegatten, elterliche Sorge) in Grundzügen;

c) das Erbrecht (nur gesetzliche Erbfolge, rechtliche Stellung des Erben, Pflichtteilsrecht, Wirkungen des Erbscheins und gewillkürte Erbfolge ohne Testamentsvollstreckung und ohne Erbverzicht) in Grundzügen;

2. aus dem Handels- und Gesellschaftsrecht in Grundzügen:

a) das Handelsrecht (nur Kaufleute, Publizität des Handelsregisters, Handelsfirma, Prokura, Handlungsvollmacht, allgemeine Vorschriften über Handelsgeschäfte und Handelskauf);

b) das Recht der Personengesellschaften (ohne die Vorschriften über die Handelsbücher);

c) das Recht der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (nur Errichtung, Vertretung und Geschäftsführung);

3. aus dem Arbeitsrecht:
das Recht des Arbeitsverhältnisses (nur Begründung, Inhalt und Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Leistungsstörungen und Haftung im Arbeitsverhältnis) mit den Bezügen zum Tarifvertragsrecht;

4. aus dem Strafrecht:
der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs (ohne Verfall und Einziehung) und der Besondere Teil des Strafgesetzbuchs (ohne Abschnitte 1 bis 5, 8, 11 bis 13, 24 bis 26 und 29);

5. aus dem Öffentlichen Recht:

a) das Staats- und Verfassungsrecht mit den Bezügen zum Völkerrecht ohne die Bestimmungen des Grundgesetzes zum Verteidigungsfall und zum Notstand;

b) das Allgemeine Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsverfahrensrechts und des Widerspruchsverfahrens (ohne Umweltverträglichkeitsprüfung und besondere Verwaltungsverfahren);

c) das Kommunalrecht einschließlich Kommunalabgabenrecht und Recht der kommunalen Zusammenarbeit (ohne Kommunalwahlrecht; aus Teil 3 der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und der Bezirksordnung nur Recht der kommunalen Unternehmen), das allgemeine Sicherheits- und Polizeirecht (Landesstraf- und Verordnungsgesetz, Polizeiaufgabengesetz [ohne Abschnitt 3] und Polizeiorganisationsgesetz), Grundzüge des Bauordnungsrechts (ohne Teil 3 Abschnitte 1 bis 6 und ohne Art. 45 und 46 der Bayerischen Bauordnung) sowie das Bauplanungsrecht (nur Bauleitplanung und deren Sicherung sowie bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben) in Grundzügen;

6. aus dem Europarecht:
Recht der Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union (Entwicklung, Kompetenzen, Organe, Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts, Rechtsetzungsverfahren – insbesondere Verfahrensarten, Verhältnis des Gemeinschaftsrechts zum nationalen Recht, Vollzug des Gemeinschaftsrechts, Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte, Grundfreiheiten, Rechtsschutzsystem des Gemeinschaftsrechts) in Grundzügen;

7. aus dem Prozessrecht:

a) Rechtswege; Zuständigkeiten im Zivil-, Straf-, Verfassungs- und Verwaltungsprozess;

b) aus dem Zivilprozessrecht:
Verfahrensgrundsätze; in Grundzügen: Klagearten, allgemeine Verfahrensvorschriften und Verfahren im ersten Rechtszug ohne Beweiswürdigung, Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen, gütliche Streitbeilegung, Arten und Voraussetzungen der Rechtsbehelfe, Zwangsvollstreckung der Zivilprozessordnung (nur allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen, Arten der Zwangsvollstreckung, Rechtsbehelfe) und vorläufiger Rechtsschutz;

c) aus dem Strafprozessrecht:
Verfahrensgrundsätze; in Grundzügen: Ermittlungsverfahren, Verfahren im ersten Rechtszug ohne Beweiswürdigung, Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen, Arten und Voraussetzungen der Rechtsbehelfe;

d) aus dem Verwaltungsprozessrecht:
Verfahrensgrundsätze, Klage- und Antragsarten einschließlich ihrer Sachentscheidungsvoraussetzungen; in Grundzügen: Verfahren im ersten Rechtszug ohne Beweiswürdigung, Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen, Arten und Voraussetzungen der Rechtsbehelfe sowie vorläufiger Rechtsschutz;

e) aus dem Verfassungsprozessrecht:
Verfassungsbeschwerde und Popularklage; andere Verfahrensarten in Grundzügen.

Das ist ein ganz ansehnlicher Querschnitt durch das bayerische und deutsche Recht. Gleichzeitig sieht man die Beschränkungen und Ausschlüsse auch als Nichtjurist ohne Weiteres. Soweit Grundzüge eines Rechtsgebiets verlangt sind, bedeutet dies übrigens, dass man „seine Systematik, seine wesentlichen Normen und Rechtsinstitute sowie deren Regelungsgehalt, Sinn und Zweck, Struktur und Bedeutung im Gesamtzusammenhang“ kennen muss – das ist also schon deutlich mehr als nur eine grobe Ahnung.

Aber nach dem Studium ist man ja noch kein fertiger Volljurist. Für das Zweite Examen, nach dem man dann die „Befähigung zum Richteramt“ besitzt und Anwalt, Staatsanwalt oder auch etwas ganz anderes werden kann, sieht § 58 Abs. 2 der JAPO noch folgende Ergänzungen zum Stoff des ersten Examens vor:

Pflichtfächer sind:

1. der Prüfungsstoff der Ersten Juristischen Staatsprüfung (§ 18 Abs. 2) unter Berücksichtigung der in der praktischen Ausbildung angestrebten Ergänzung und Vertiefung;

2. aus dem Gebiet des Zivilrechts und Arbeitsrechts (einschließlich Verfahren):

a) Erbverzicht und Testamentsvollstreckung in Grundzügen;

b) Zivilprozessrecht (einschließlich Verordnung [EG] Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) und Zwangsvollstreckungsrecht der Zivilprozessordnung;

c) Verfahren in Ehesachen und Familienstreitsachen sowie Grundzüge des Verfahrens in Familiensachen im Übrigen;

d) Grundzüge des Erbscheinverfahrens;

e) arbeitsgerichtliches Verfahren (nur Urteilsverfahren) in Grundzügen;

3. aus dem Gebiet des Strafrechts (einschließlich Verfahren): Verfall und Einziehung, Strafverfahrensrecht (ohne Sicherungsverfahren);

4. aus dem Gebiet des Öffentlichen Rechts (einschließlich Verfahren):

a) aus dem besonderen Verwaltungsrecht:
Bauordnungsrecht (ohne Teil 3 Abschnitte 1 bis 6 und ohne Art. 45 und 46 der Bayerischen Bauordnung) und Bauplanungsrecht (nur Bauleitplanung und deren Sicherung sowie bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben), Grundzüge des Immissionsschutzrechts, Grundzüge des Wasserrechts;

b) besondere Verwaltungsverfahren, verwaltungsgerichtliches Verfahren und Verwaltungsvollstreckungsrecht;

c) aus dem Steuerrecht:
Recht der Abgabenordnung (ohne steuerbegünstigte Zwecke, Vollstreckung und Steuerstrafverfahren), Einkommensteuerrecht (hinsichtlich Steuererhebung durch Abzug von Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer nur in Grundzügen).

Während des Referendariats kommt also nicht so wahnsinnig viel hinzu. Und die wirklich neuen Gebiete Arbeits- und Steuerrecht werden bspw. jeweils in einer eigenen Klausur abgeprüft, sodass es hier kaum Ausstrahlungswirkung in andere Rechtsgebiete gibt.

Ist das alles nun viel oder wenig? Es ist jedenfalls viel zu lernen. So viel, dass es praktisch nicht möglich ist, all das ohne größere Lücken in einzelnen Gebieten zu wissen und anwenden zu können. In Relation zum gesamten Recht ist es dagegen sehr wenig.

Aber es geht beim Studium ja auch weniger darum, alles zu lernen, um es später auswendig zu wissen. In der Berufspraxis hat man Kommentare, Bibliotheken und Online-Datenbanken zur Verfügung. Im Studium lernt man, Rechtsnormen (auch unbekannte) anzuwenden. Die Pflichtfächer der JAPO sind insoweit mehr eine Laborumgebung, mit der man diese Fähigkeiten testen kann.

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