Gemeinden ist es untersagt, allgemeinpolitische Beschlüsse zu Themen zu fassen, die zur Zuständigkeit anderer politischer Ebenen gehörden. Solche Themen sind keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Denkbar ist aber eine etwas vorsichtigere Form der Beschlussfassung.
In Kommunalparlamenten wie dem Kreistag, Stadtrat oder Gemeinderat gibt es desöfteren Abstimmungen über politische Stellungnahmen zu aktuellen Themen. Der Gegenstand dieser Stellungnahmen ist ein Spiegelbild der jeweiligen politischen Stimmungen: Während des Kalten Kriegs erklärte man sich gern zur „atomwaffenfreien Gemeinde“, später ging es um Gentechnik oder um die Benzinsteuer, heute um Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA und die eine oder andere Resolution zur Flüchtlingskrise wird es auch schon gegeben haben.
Verbandskompetenz ist entscheidend
Diese Themen haben alle eines gemeinsam: Sie gehören nicht in die Entscheidungskompetenz eines Gemeindeparlaments. Dementsprechend handelt es sich bei den Anträgen auch nie um eine Sachentscheidung, sondern um eine Stellungnahme im idellen Sinne. Der Tenor soll dann regelmäßig lauten „Der Gemeinderat spricht sich gegen … aus“ oder „Der Gemeinderat erklärt …“. Diese Stellungnahme hat keinerlei rechtliche oder tatsächliche Bedeutung, man äußert einfach seine Meinung.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob die Kommune dies überhaupt darf. Denn auch bedeutungslose Schaufensterbeschlüsse darf eine staatliche Körperschaft nur innerhalb ihrer Zuständigkeit fassen. Zur formellen Rechtsmäßigkeit eines Beschlusses gehört die sog. Verbandskompetenz.
Verfassung regelt „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“
Diese Verbandskompetenz der Gemeinden ist in der bayerischen Gemeindeordnung in Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 als „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ umschrieben, wobei auf Art. 83 Abs. 1 der Bayerischen Verfassung verwiesen wird. Hier werden aufgezählt:
die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Gemeindebetriebe;
der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau;
die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft;
Einrichtungen zur Sicherung der Ernährung; Ortsplanung, Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht;
örtliche Polizei, Feuerschutz; örtliche Kulturpflege;
Volks- und Berufsschulwesen und Erwachsenenbildung;
Vormundschaftswesen und Wohlfahrtspflege; örtliches Gesundheitswesen;
Ehe- und Mütterberatung sowie Säuglingspflege;
Schulhygiene und körperliche Ertüchtigung der Jugend;
öffentliche Bäder;
Totenbestattung;
Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten.
An der Sprache und Auswahl dieser Punkte erkennt man, dass diese Vorschrift schon im Jahr 1946 in der Urfassung der Bayerischen Verfassung enthalten war und seitdem nicht verändert wurde.
Von den oben angeführten Themen findet sich im bayerischen Kommunalrecht jedenfalls nichts – in den anderen Bundesländern sieht es regelmäßig ganz ähnlich aus. Vielmehr fallen diese Themen normalerweise in die Zuständigkeit des Bundes, immer häufiger auch in die der Europäischen Union.
Betroffenheit der Gemeindebürger?
Nun könnte es sich aber trotzdem um eine „Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft“ handeln, wenn die Bürger der Kommune in irgendeiner Form vom Thema betroffen sind. Und dies lässt sich bei den oben genannten Punkten sicher immer in irgendeiner Art und Weise herstellen: Die Gemeinde muss sich um die Unterbringung von Flüchtlingen kümmern, Freihandelsabkommen beeinflussen den Arbeitsmarkt, Steuern müssen aus von Gemeindebürgern gezahlt werden und ob Atomwaffen stationiert werden, wirkt sich zumindest auf das Sicherheitsgefühl der Menschen aus.
Trotzdem haben die Gerichte stets dieser Zuständigkeitsbegründung durch die Hintertür einen Riegel vorgeschoben. Denn das Thema muss, um eine Befassung des Gemeinderats zu ermöglichen, zumindest irgendeinen spezifisch örtlichen Bezug haben. Die Bürger der eigenen Gemeinde müssen also in irgendeiner Form „anders“ davon betroffen sein als die Bürger anderer Gemeinden. Dies ist selbstverständlich dann gegeben, wenn bspw. ein bestimmtes Kontingent an Asylbewerbern untergebracht werden muss, sich ein Gentechnik-Unternehmen im Gemeindegebiet ansiedeln will oder eine von der Gemeinde zu erhebende Steuer eingeführt wird. Aber eine Willensäußerung im Namen der Gemeindebürger gehört nicht dazu.
Alternative: Handlungsauftrag an Bürgermeister
Was dagegen durchaus möglich ist (und den politischen Zweck wohl durchaus in ähnlicher Weise erfüllt), ist ein Appell an den Bürgermeister oder Landrat. Der Antrag wird dann wie folgt formuliert: „Der Bürgermeister wird aufgefordert, sich im Namen der Gemeinde dafür auszusprechen, dass …“ Dies kann dann auch noch weiter konkretisiert werden, dass sich der Bürgermeister bei bestimmten Gremien, zum Beispiel gegenüber der Staatsregierung, dem Städtetag usw. entsprechend äußern soll.
Der Unterschied ist, dass hier keine Beschlussfassung nach außen erfolgt, sondern vielmehr im Innenverhältnis: Der Gemeinderat gibt dem Gemeindebürgermeister einen Auftrag. Diese Kompetenz hat er ohne Weiteres aufgrund der Bestimmungen der Gemeindeverfassung. Dass sich der Bürgermeister gegenüber anderen politischen Ebenen in einer bestimmten Weise äußert, ist aber gerade keine Kompetenzüberschreitung. Denn als Träger von Verfassungsrechten darf sich die Gemeinde auch in Entscheidungsprozesse anderer Ebenen einmischen – auch und gerade, wenn sie nicht selbst Entscheidungsträgerin, sondern „Leidtragende“ ist.