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Baby stiehlt in der Drogerie, Mutter wird verurteilt

Von einem seltsamen Fall hat der Focus nun berichtet:

Der Ladendetektiv eines Drogeriemarktes bei Hannover entdeckt im Kinderwagen einer Mutter eine unbezahlte Haarkur. Täter: das sieben Monate alte Kind der Frau. Neben Geldstrafe und Hausverbot erhält die Frau auch Post vom Gericht.

Diese Einleitung ist schon einmal äußerst missverständlich.

Die Geldstrafe, von der die Zeitung berichtet, war höchstwahrscheinlich die Bearbeitungsgebühr des Supermarkts für Ladendiebstähle. Diese werden in den AGB festgesetzt und sollen einerseits die tatsächlichen Kosten abdecken, andererseits aber auch als zivilrechtliche Vertragsstrafe Diebstähle insgesamt verhindern. Mit der strafrechtlichen Geldstrafe hat dies aber nichts zu tun. Dies ergibt sich auch daraus, dass die echte Geldstrafe dann erst in der ominösen „Post vom Gericht“ verhängt wurde.

Diese Post vom Gericht war anscheinend ein Strafbefehl. Denn einige Sätze später heißt es:

Ein Postbote klingelte an der Tür und übergab ihr ein Einschreiben vom Amtsgericht Neustadt. Darin stand, dass die junge Mutter eine Geldstrafe wegen des Diebstahls zahlen muss – 20 Tagessätze á 10 Euro.

Insofern ist es auch kein allzugroßer Widerspruch, dass in anderen Artikeln steht, sie habe „Post vom Staatsanwalt“ bekommen. Denn der Strafbefehl wird vom Staatsanwalt entworfen und vom Gericht abgesegnet. Er stellt eine Art schriftliches Verfahren dar, mit dem ein Beschuldigter in leichten und unkomplizierten Fällen verurteilt werden kann, ohne dass die Sache vor Gericht geht.

Hat die Dame nun deswegen eine Geldstrafe erhalten, weil ihr Kind gestohlen hat?

Sicher nicht, denn Eltern haften bekanntlich nicht für ihre Kinder – strafrechtlich schon mal gar nicht. Vielmehr wird es so sein, dass weder der Ladendetektiv noch der Staatsanwalt noch der Richter ihr geglaubt haben, dass das Baby die Haarkur gestohlen hat. Sie haben – so ist aus diesem rudimentären Artikel anzunehmen – angenommen, dass die Frau selbst das Produkt in den Kinderwagen gelegt hat, um es nicht zu bezahlen.

Kann die Beschuldigte denn gar nichts dagegen tun, dass sie eines Diebstahls bezichtigt wird?

Doch, sie kann natürlich Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen, dann kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. Dort kann die Angeklagte dann ihre Sicht der Dinge noch einmal darlegen, sie kann Zeugen benennen, sie kann den Ladendetektiv ins Kreuzverhör nehmen etc. Das hat sie aber anscheinend nicht vor:

„Ich bin fassungslos, dass ich jetzt auch noch so eine Strafe bekommen habe. Leider kann ich nicht nachweisen, dass mein Sohn die Haarkur eingesteckt hat. Ich muss halt jetzt dafür haften“, erklärte Nora A.

Nein, für ihr Kind haften muss sie nicht, siehe oben. Und sie muss ihre Unschuld auch nicht beweisen. Aber sie müsste zumindest eine glaubwürdige Erklärung dafür liefern, dass nicht sie selbst es war, die diese Haarkur in den Kinderwagen gelegt hat, um sie nicht zu bezahlen.

Man weiß nicht, warum Staatsanwalt und Gericht ihr die Schilderung, dass der „Täter“ wohl ihr Kind war, nicht abgenommen haben. Angesichts des sehr einseitigen Berichts ist nicht auszuschließen, dass der Detektiv den Hergang beobachtet und die Mutter belastet hat, dies aber einfach weggelassen wurde. Fest steht, dass das Gericht jedenfalls von der Täterschaft der Mutter und nicht des Kindes ausging. Dass sie dafür verurteilt wurde, was ihr Baby getan hat, ist sicher falsch.

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