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Lebenslänglich für einen Auto-Unfall?

Das Berliner „Raser-Urteil“ sorgt für Aufsehen. Tatsächlich wurde ein Unfallfahrer für einen tödlichen Verkehrsunfall wegen vorsätzlicher Tötung, genauer gesagt wegen Mordes verurteilt. Das Strafmaß ist damit zwingend lebenslange Freiheitsstrafe.

Gericht bejaht Tötungsvorsatz

Bemerkenswert ist zunächst, dass das Gericht von einer vorsätzlichen Tat ausgegangen ist. Vorsatz bedeutet nicht nur absichtliche oder wissentliche Tatbegehung, sondern liegt auch vor, wenn man die Tatfolge (hier die Tötung eines anderen Menschen) billigend in Kauf nimmt.

Die Problematik im Verkehr ist dabei, dass man sich ja immer der Gefahr bewusst ist, dass ein Mensch wegen eines Fahrfehlers sterben könnte. Auch, wenn man völlig richtig handelt, kann es zu einem tödlichen Unfall kommen.

Trotzdem ist es nicht so, dass jeder Verkehrstote billigend in Kauf genommen wird. Denn man darf als Verkehrsteilnehmer, der sich des bestehenden Risikos bewusst ist, davon ausgehen, dass doch alles gut gehen wird.

Fast 180 km/h, mindestens zehn rote Ampeln

Das gilt grundsätzlich auch dann noch, wenn es sich um einen Raser handelt. Auch rücksichtloses Verfahren schließt zunächst einmal nur den Vorsatz ein, dass andere eben ausweichen müssen. Um darüber hinaus doch Vorsatz bzgl. der Tötung anzunehmen, muss eine ganz erhebliche Missachtung des menschlichen Lebens vorliegen.

Weil man den Vorsatz ja nur durch einen Blick in das Gehirn des Täters feststellen könnte, muss man aus den objektiv feststellbaren Handlungen auf seine subjektiven Einstellungen schließen.

Vorliegend kam das Gericht nach intensivem Studium der Akten und Vernehmung aller Beteiligten zu dem Schluss, dass die Grenze zum Vorsatz überschritten sei. Die Fahrer sollen mit fast 180 Stundenkilometern mindestens zehn rote Ampeln überfahren haben – dass das in einer viel befahrenen Stadt, auch nachts, mit hoher Wahrscheinlichkeit tödlich enden kann, sollte jedem klar sein.

Aber vertraut nicht auch so ein Fahrer im Endeffekt noch darauf, dass es doch gut ausgeht? Dass die anderen Verkehrsteilnehmer schnell genug das Weite suchen und das „Rennen“ nicht „stören“? Wird man ihnen nicht wenigstens noch zubilligen können, dass sie einen Unfall schon allein aus Sorge um ihre Autos nicht wirklich wollten?

Das Gericht hat anders entschieden, man muss ihm zubilligen, dass es die Akten und die Fakten kannte, während wir nur auf Medienberichte angewiesen sind.

Was macht den Unfallfahrer zum Mörder?

Nun gibt es dabei freilich ein weiteres Problem: Ist ein Todesfahrer, so verwerflich diese Tat und so tragisch der Ausgang auch zweifellos ist, wirklich nicht besser als ein „richtiger“ Mörder?

Diese Überlegung ist absolut richtig und sie wäre auch im Hinblick auf die Strafzumessung zu berücksichtigen. Hier gibt es aber keine Strafzumessung. Mord wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft, eine niedrigere Strafe ist nicht vorgesehen.

Mordmerkmale

Dass Mord und nicht die weniger schwere Variante der vorsätzlichen Tötung, nämlich der Totschlag, vorliegt, liegt an der Technik der Mordmerkmale. Wenn eines der Mordmerkmale (Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, niedrige Beweggründe, Heimtücke, Grausamkeit, gemeingefährliche Mittel, Ermöglichung oder Verdeckung einer anderen Straftat) vorliegt, ist die Tat ein Mord, ansonsten Totschlag.

Das Gericht nahm hier das Auto als gemeingefährliches Mittel an – denn durch diese Raserei wurde eine Vielzahl von Menschen in Gefahr gebracht. Auch daran kann man gewisse Bedenken haben. Das Auto ist dann gemeingefährlich, wenn es (gezielt) in eine Menschenmenge gesteuert wird. Aber hier wäre diese Amokfahrt doch höchstwahrscheinlich nach dem ersten Unfall schon beendet gewesen.

BGH-Urteil erwartet

Die rechtlichen Fragen wird, daran gibt es keinen Zweifel, der Bundesgerichtshof klären. Die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass der BGH das Verfahren an das Landgericht zurückverweist. Nicht, weil es das Urteil wirklich für falsch hält, sondern vielleicht nur, weil es zusätzliche Feststellungen für notwendig hält.

Die Diskussion in der Rechtswissenschaft ist jedenfalls in vollem Gange. Ihr Ausgang ist, wie immer, ungewiss.

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