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    Categories: Studium

Ich hab Ihren Artikel schon gelesen…

Gelegentlich korrigiere ich immer noch Klausuren im juristischen Universitätsbetrieb. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen ist es ganz interessant, die heutigen Anforderungen in der Juristenausbildung mitzuverfolgen. Zum anderen wird die Tätigkeit natürlich auch – nicht wirklich fürstlich – bezahlt.

Und schließlich bin ich ja auch als Anwalt im Rahmen der Prüfungsanfechtung tätig. Da schadet es sicher nicht, wenn man auch die Sicht des Korrektors aus eigener Erfahrung kennt und sie so im Rahmen des Mandats nachvollziehen und ggf. kritisieren kann.

Noch nicht erlebt hab ich dagegen, dass sich beides überschnitten hat. Aber vor einigen Monaten hielt ich meine Korrektorensprechstunde der Vorgerücktenübung ab (alle tatsächlichen Angaben sind, wie immer, verfremdet, um jede Erkennbarkeit von Personen auszuschließen), in der die Studenten noch einmal mündlich mit mir durchsprechen können, wo ihre Stärken und Schwächen liegen, warum sie genau diese Noten erhalten haben und wie sie künftig noch mehr Punkte bekommen können.

Bei dieser Korrektorensprechstunde betrat ein Student das Sprechzimmer aber gleich mit den Worten „Ich hab Ihren Beitrag zu Prüfungsanfechtungen gelesen und…“ – damit meinte er offensichtlich den Artikel „So funktioniert eine Prüfungsanfechtung“ für das Portal 123recht.net.

Der Student wollte konkret nicht wirklich die Benotung anfechten im wahrsten Wortsinne, sondern einfach eine höhere Punktzahl. Aus den sehr ordentlichen sieben Punkten sollten doch noch acht oder neun werden. Seine Argumente hätten vielleicht für sich genommen eine solche nicht gerechtfertigt – wenn man die hohen Maßstäbe einer Prüfungsanfechtung anlegt. Das sah er selbst, darum auch sein Bezug auf den Artikel.

Ich finde das durchaus positiv: Unser Beruf lebt gerade vom Meinungsaustausch und dazu gehört eben auch, dass man sich informiert. Klausuren und Hausarbeiten bestehen zu weiten Teilen daraus, dass man die Ansichten zu bestimmten Fragen darstellt und dann seine eigene Lösung argumentativ erklärt.

Im Endeffekt hat es dann doch noch für eine leichte Erhöhung der Punktzahl gereicht. Schließlich handelte es sich um eine Klausur, die mehr oder weniger nur noch zur Übung mitgeschrieben wurde und deren Note für das Bestehen nicht entscheidend war. Diese kann man dann auch außerhalb des offiziellen Verfahrens und ohne rechtlich absolut zwingenden Anspruch aufwerten. Und ein glücklicher Student ist doch auch etwas Schönes.
An dieser Stelle sei freilich vermerkt: Die Lektüre meiner Texte ist kein automatischer Schlüssel zur Notenverbesserung. Und bei den meisten, vor allem bei den wirklich „zählenden“ Klausuren kann eine höhere Punktzahl nur im formellen Nachprüfungsverfahren erreicht werden. Trotzdem sind natürlich alle Studenten in meinen Sprechstunden willkommen. Und falls Sie diesen Text gelesen haben, lassen Sie es mich wissen.

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