Grundsätzlich ist es so, dass der Bundeskanzler vom Bundestag gewählt wird (Art. 63 GG). Diese Wahl findet regelmäßig in der ersten Sitzung des Bundestags nach einer Bundestagswahl statt. Das ist aber nicht zwingend, insbesondere, wenn – wie aktuell – noch keine Koalition mit „Kanzlermehrheit“ zustande gekommen ist.
Regierungszeit endet mit neuem Bundestag
Nun sagt aber Art. 69 Abs. 2 GG, dass das Amt des Bundeskanzlers und eines Bundesministers „endigt“, sobald der neu gewählte Bundestag zusammengetreten ist. Damit ist die Regierung Merkel also derzeit „eigentlich“ nicht mehr im Amt.
Weil es nun aber etwas ungünstig wäre, wenn es zwischen dem Anfang der neuen Legislaturperiode und der Wahl des neuen Bundeskanzlers keine Regierung gäbe, ordnet Art. 69 Abs. 3 GG an, dass jedes Regierungsmitglied „die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers“ weiterführen muss.
Verfassungsrechtlicher Sprachgebrauch
Dass man die Ausübung von Verfassungspositionen als Geschäftsführung bezeichnet, hat lange Tradition in der deutsche Rechtssprache. Schon die bayerische Verfassung von 1818 sprach von der „Geschäftssphäre“ der „Ministeriums-Departements“. Auch die Norddeutsche Bundesverfassung (1867), aus der dann die Verfassung des Kaiserreichs entstand (1871), sah vor, dass der Bundeskanzler die „Geschäfte“ des Bundesrats leiten sollte (Art. 15). Praktisch jede Verfassung im deutschsprachigen Raum bezeichnet die Organisationsnormen von Parlamenten als „Geschäftsordnung“.
Amtierend und/oder geschäftsführend
Allerdings bedeutet das nicht, dass eine Bundesregierung nach ordnungsgemäßer Wahl des Kanzlers und Ernennung der Minister nicht mehr geschäftsführend wäre. Denn eine solche Bundesregierung führt die Geschäfte natürlich auch, sogar erst recht.
Dass man bei der noch nicht auf diese Weise bestätigten Regierung betont, dass sie geschäftsführend ist, bedeutet also vielmehr, dass sie momentan ihr Amt ausschließlich geschäftsführend versieht, da die alte Amtszeit beendet ist und die neue noch nicht begonnen hat. Nach der Ernennung ist die Bundesregierung dann sozusagen „amtierend und geschäftsführend“, derzeit nur letzteres.
Verfassungsmäßig ist das übrigens ziemlich unbedeutend. Das Grundgesetz unterscheidet nirgends zwischen den Befugnissen einer amtierenden und einer geschäftsführenden Bundesregierung. Beide haben exakt dieselben Rechte und Pflichten.
Nur in der politischen Praxis gibt es gewisse Unterschiede. So enthält sich eine geschäftsführende Bundesregierung – im Übrigen auch eine vom Volk „abgewählte“ Regierung zwischen der Bundestagswahl und dem ersten Zusammentritt des neuen Bundestags – in der Regel bedeutender Entscheidungen. Ebenso wird der Bundestag in dieser Zeit normalerweise keine allzu weitreichenden Gesetzesbeschlüsse fassen, zumal die Mehrheiten bei kontroversen Themen auch ziemlich unklar wären. Rein rechtlich spräche aber nichts dagegen.
So schlecht ist diese Situation also weder verfassungsrechtlich noch politisch. Ein Bundestag, der sich nicht in aktionistischem Dauerzustand befindet, hat auch etwas für sich. Wir haben mehr als genug Gesetze für jede Lebenslage, da müssen nicht an jedem Parlamentstag neue hinzukommen.