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Verschlechterung in der Berufungsinstanz

Ein Münchner Chirurg wurde zu fast vier Jahren Haft verurteilt.
Ein Münchner Arzt hatte nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft bei mehreren Patienten unsachgemäße Operationen durchgeführt und diese teilweise in Lebensgefahr gebracht. In erster Instanz wurde er dafür vom Amtsgericht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sowie zu einem Berufsverbot verurteilt. In der Berufungsinstanz erhöhte das Landgericht München I die Strafe dann sogar auf drei Jahre und zehn Monate und erteilte ihm lebenslanges Berufsverbot.

Süddeutsche: Berufung ist daneben gegangen

Die Süddeutsche Zeitung schreibt dazu nun Folgendes:

Wenn ein vor dem Amtsgericht Verurteilter in Berufung geht, dann erwartet er sich in der nächsten Instanz die Gerechtigkeit, die er sich in seinen Augen verdient hat, und – ein milderes Urteil. Dass das auch gewaltig daneben gehen kann, musste der Münchner Schönheitschirurg Thomas S. nun am eigenen Leib erfahren.

Das klingt zunächst einmal so als wäre der Angeklagte mit dem ersten Urteil unzufrieden gewesen und hätte Berufung eingelegt. Daraufhin habe dann das Landgericht nicht nur seine Berufung für unbegründet gehalten, sondern die Strafe auch noch erhöht. Es ist also „gewaltig daneben gegangen“, dass er das Urteil nicht akzeptiert, sondern noch einmal sein Glück versucht hat.

Das entspricht in dieser Form aber nicht der Realität. Denn § 331 Abs. 1 StPO sagt:

Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte (…) Berufung eingelegt hat.

Verschlechterungsverbot bei Rechtsmittel des Angeklagten

Dieses Verschlechterungsverbot, auch als „Verbot der reformatio in peius“ bezeichnet, schützt den Angeklagten also gerade davor, dass ihm seine eigene Berufung auf die Füße fällt und er am Ende noch schlechter dasteht als vorher.

Nun hat sich, darf man gutgläubig unterstellen, die Süddeutsche diese Strafaussprüche in den Urteilen nicht komplett selbst ausgedacht. Der Grund, warum es hier in zweiter Instanz schlimmer wurde, ist aber ein anderer: Das Verschlechterungsgrund gilt ausschließlich dann, wenn lediglich der Angeklagte Berufung eingelegt hat.

Das Strafjustizgebäude an der Nymphenburger Straße, Sitz des Amtsgerichts und der Münchner Landgerichte..
Die Berufung gegen amtsgerichtliche Urteile steht aber gemäß § 312 StPO auch der Staatsanwaltschaft als Rechtsmittel zu. Und wenn die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, gilt das Verschlechterungsverbot gerade nicht, wie der Umkehrschluss aus der oben genannten Vorschrift zeigt.

Staatsanwaltschaft kann „Sperrberufung“ einlegen

Nun ist es häufig so, dass die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten diese risikolose Berufung ungern überlässt. Daher legen die Staatsanwälte sehr gern Berufung ein, sobald die Berufung des Angeklagten auf dem Tisch liegt.

Ein erfahrener Verteidiger wird daher regelmäßig die Berufung erst am letzten Tag der Berufungsfrist, möglichst nach Feierabend einlegen. Denn in dem Fall erfährt die Staatsanwaltschaft erst dann von der Einlegung der Berufung, wenn die Frist für eine eigene Berufung bereits abgelaufen ist.

Gegen eine Staatsanwaltschaft, die von sich aus mit dem Urteil unzufrieden ist, hilft das natürlich nicht. Denn diese legt dann selbst fristgerecht Berufung ein und wartet nicht ab, was der Angeklagte macht. Legt nur die Staatsanwaltschaft Berufung ein, kommt es ebenso zu einem neuen Prozess. Das neue Urteil kann dann negativer für den Angeklagten werden, aber auch positiver. Ein Verbesserungsverbot gibt es in dem Fall nicht.

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