Zugegeben, ich habe eine Clickbaiting-Überschrift gewählt. Leider hab ich partout keine Möglichkeit gesehen, auch noch den Begriff „Bitcoin“ unterzubringen, um diese zu perfektionieren.
Die aktuellen Vorgänge rund um die konzertierte Aktion gegen die Social-Media-Präsenz des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump haben auch die deutsche Politik auf den Plan gerufen. Nach einem an Fremdscham kaum zu überbieten Angebot des Musterdemokraten Heiko Maas, einen „Marshall-Plan“ für die Demokratie in den USA zu schaffen, gab es unerwartet auch Kritik am Vorgehen gegen Trump.
Seibert-Aussage
Regierungssprecher Steffen Seibert wird folgendermaßen für die Bundeskanzlerin zitiert:
Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung könne aber nur durch den Gesetzgeber, nicht nach der Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/merkel-trump-twitter-103.html
Dieser Satz ist auf so vielen Ebenen falsch, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Aber irgendwo muss man ja anfangen, also beginne ich mal ganz am Anfang: Die Grundrechte gelten nur zwischen dem Staat und dem Bürger. Ich habe Meinungsfreiheit gegenüber dem Staat, nicht gegenüber privaten Unternehmen. Twitter, Facebook und andere Plattformen können also die Meinungsfreiheit von Donald Trump nicht einschränken.
Unternehmen können frei entscheiden
Wenn sie nicht mehr wollen, dass er über sie etwas kommuniziert, dann können sie den entsprechenden Nutzungsvertrag kündigen, soweit und wie dieser das hergibt. Das ist eine ganz normale geschäftliche Entscheidung und verletzt keinerlei Grundrechte. Im Gegenteil, damit nutzen sie (mal nach deutschem Verfassungsrecht betrachtet) ihre allgemeine Handlungsfreiheit, die auch die Vertragsfreiheit schützt.
Wenn ein Gericht diese Kündigung überprüft, weil der Kunde damit nicht einverstanden ist, dann ist das Gericht in gewissen Fällen an die Grundrechte gebunden. Steht im Vertrag bspw. ein Kündigungsrecht „aus wichtigem Grund“, dann darf das Gericht diesen wichtigen Grund nicht völlig frei feststellen, sondern muss vielmehr die Grundrechte berücksichtigen („mittelbare Drittwirkung“). Von einer Verletzung der Meinungsfreiheit durch Twitter und Co. zu sprechen, ist aber einfach falsch und systemwidrig.
Richtig ist, dass der Gesetzgeber (wiederum: nach deutschem Recht) die Meinungsfreiheit – wie jedes Grundrecht – beschränken kann. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland durch vielerlei Gesetze eingeschränkt, die dann wiederum so ausgelegt werden müssen, dass die Meinungsfreiheit nicht vollends ausgeschaltet wird.
Unterschiedliches Verständnis von Meinungsfreiheit
Was aus Herrn Seiberts Worten spricht, ist aber auch die Überzeugung, dass der Staat die Meinungsfreiheit beschränken müssen. Die Bundesregierung ist also nur konsterniert darüber, dass hier voreilige Internetkonzerne übernommen haben, was sie für eine heilige Pflicht des Staates hält.
Und an dieser Stelle muss man dann auch mal anmerken, dass die USA ein ganz anderes Verhältnis zur Meinungsfreiheit haben. Der erste Zusatz zur Verfassung statuiert ein ganz weites Verständnis für das Recht auf freie Meinungsäußerung:
Congress shall make no law abridging the freedom of speech, or of the press
Der Kongress (ebenso die Parlamente der Bundesstaaten) darf also die Meinungsfreiheit überhaupt nicht beschränken. Von diesem „überhaupt nicht“ gibt es nur sehr wenige Ausnahmen. Ironischerweise werden die vom Obersten Gerichtshof der USA akzeptierten Ausnahmen in den letzten Jahrzehnten immer weniger – eine gegenläufige Entwicklung zu Deutschland und Europa.
Faktische Social-Media-Monopole
Dass die Handlungen einzelner Unternehmen plötzlich als so wichtig angesehen werden, dass die Meinungsfreiheit in Gefahr sein soll, sogar die Meinungsfreiheit einer bundesdeutschen Hassfigur wie Donald Trump, liegt einfach an deren Marktmacht.
Diese wiederum ergibt sich natürlich auch daraus, dass man ein gutes Produkt anbietet, das viele Menschen für sich begeistern kann. Es liegt aber auch an den zahlreichen und immer mehr werdenden gesetzlichen Bestimmungen, mit denen gerade das Internet reguliert wird, und an der Abhängigkeit von der Kooperation anderer Unternehmen.
Darum ist es halt nicht ganz so einfach, einen Twitter-Konkurrenten zu etablieren. Das hat ein aufstrebender Dienst namens Parler gerade gemerkt.