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Änderung des IfSG: Corona-Zentralismus

Der Bundestag soll eine Änderung des IfSG verabschieden.
Die Bundesrepublik ist ein Zentralstaat mit vorsichtigen föderalen Ansätzen. Ausfluss dieser Verfasstheit ist die Zuständigkeit der Länder für einige politische Themen. Auch im Infektionsschutzgesetz hat man dem Rechnung getragen, indem man die Länder ermächtigt hat, auf dem Verordnungswege die Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie zu beschließen.

Bund soll Corona-Zuständigkeit erhalten

Es kommt nun aber anscheinend, wie es kommen musste: Der Bund wird wesentliche Kompetenzen in der Corona-Bekämpfung an sich ziehen. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung steht wohl schon, veröffentlicht ist er anscheinend noch nicht. Was die Presse berichtet, klingt jedenfalls danach, dass die Verordnungsermächtigung für Corona-Maßnahmen jedenfalls in bestimmten Fällen auf die Bundesregierung übergeht.

Jetzt nimmt also der Bund, der bisher in puncto Corona alles versaut hat, was er versauen konnte, das Ruder in die Hand. Lokale Besonderheiten finden keine Berücksichtigung mehr – wegen der Vereinheitlichung.

Ziel: Vereinheitlichung

Nun ist Vereinheitlichung natürlich kein Wert per se. Es kann einheitlich gute oder einheitlich schlechte Entscheidungen geben. Indviduelle Regelungen sind jedenfalls erfahrungsgemäß zielgerichteter und effektiver als pauschale. Bisher konnte die Länder nach ihrer eigenen Einschätzung die örtlichen Maßnahmen anpassen.

Höchstwahrscheinlich wird es, weil ja doch alles vereinheitlicht sein soll, auch keine besondere Tendenz der Länder mehr dazu geben, an neuralgischen Punkten individuelle Maßnahmen zu beschließen, auch wenn sie dies möglicherweise weiter könnten. Es wird auf einen Einheitsbrei zwischen Berchtesgaden und Flensburg hinauslaufen und der wird an der Realität vorbei gehen.

Das kann man, egal wie man nun zur Thematik eingestellt sein mag, nicht wollen. Als Liberaler wird man diese Regeln zu weitgehend finden, als „Zero Covid“-Jünger wird man sie für unzureichend halten.

Abweichungsbefugnis der Länder?

Aber sogar, wenn man Freude an der Uniformität hat: Strengere Regelungen der Länder bleiben wohl trotzdem in Kraft, also gibt es doch keine Vereinheitlichung. Der Bürger muss dann also die Bundes-Verordnung und die Landes-Verordnung nebeneinander halten, seine örtliche Inzidenzstufe aus so-und-so-vielen Paragraphen raussuchen und jeweils feststellen, welche Regelung nun die weiter gehende ist. Denn die Koppelung an die (äußerst fragwürdigen und von vielerlei Faktoren abhängigen) Inzidenzwerte soll wohl dauerhaft erhalten bleiben und so zumindest eine gewisse Differenzierung zwischen des Landkreisen erlauben.

Da möchte ich mal sehen, wie eine Bevölkerung, die in der übergroßen Mehrheit Rechtsnormen schlicht nicht lesen kann, damit zurecht kommt. Aber egal, als treuer Bundesbürger bin ich natürlich unglaublich dankbar, dass jetzt alles einheitlicher und einfacher wird.

Der Bundestagswahlkampf wartet

Die neuesten Corona-Pläne: Bundeszuständigkeit statt örtlich angepasste Lösungen.
Unterschiedliche Lösungsansätze der Länder werden freilich, wie eben ausgeführt, eine Übergangslösung bleiben, weil die Länder sich relativ bald entscheiden werden, es bei den bundeseinheitlichen Regelungen zu belassen. Neben dem Aktionismus ist das Phlegma eine weitere Konstante der deutschen Politik. Außerdem will man ja die Parteifreunde in Berlin nicht unnötig brüskieren.

Besonders schön wird es, wenn die Bundesrepublik im Sommer 2021 endgültig in den Wahlkampfmodus eintaucht. Dann wird sich der Aktionismus der Bundesregierung überschlagen und die Politik wird – je nachdem, was gerade opportun erscheint – Lockerungen oder Verschärfungen im Minutentakt ankündigen. Ob sich das dann im Herbst, wenn die fünfte Amtszeit von Angela Merkel beginnt, ändern wird, bleibt abzuwarten.

Geringe Rechtsschutzmöglichkeiten auf Bundesebene

Rein juristisch gesehen muss man auch Folgendes beachten: Bisher sind es Landes-Verordnungen, die unser Leben im Alltag einschränken. Diese sind relativ gut anfechtbar. In Bayern gibt es die Popularklage gegen praktisch alle Rechtsnormen. In den meisten Ländern gibt es die Normenkontrollklage nach der Verwaltungsgerichtsordnung gegen Verordnungen. Der 20. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat sich hier schon mehrfach auf die Seite der Bürger geschlagen, bspw. beim Urteil zur 15-km-Beschränkung.

Auf Bundesebene bestehen diese Möglichkeiten nicht. Man kann allenfalls Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einreichen, hat dort aber weder die Geschwindigkeit noch die Prüfungsdichte wie auf Landesebene. Das Bundesverfassungsgericht würde sich auch bedanken, wenn es nun permanent die im Wochentakt geänderte Bundesverordnung überprüfen müsste. Die Grundrechte werden also durch das Einschreiten des Bundes deutlich stärker in Mitleidenschaft gezogen.

Es gibt nichts, das für eine bundeseinheitliche Regelung steht. Abgesehen vielleicht von der typisch deutschen Sucht nach Ordnung und Schlichtheit.

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