Diesen Beitrag eröffne ich mich einem Bonmot meines früheren Mathematiklehrers Janos Blazi:
Diese Folgenaufgaben finde ich *geil*. Z.B. „Setze die folgende Folge fort: 1,22,333,4444,…“
Meine Lösung ist meistens „1,22,333,4444,0,0,0,0,0,…“ und wenn jemand beklagt, das sei nicht richtig, sage ich mit einem möglichst einfältigen Gesichtsausdruck: „Habe ich sie nicht fortgesetzt?“
Das herrlich Geile an der Sache ist, daß die Leute dann versuchen, ihre Fragestellung zu präzisieren, was natürlich nicht geht. Und dann sagen sie zum Schluß etwas Kluges wie „Sie wissen schon, was ich meine…“.
Herr Blazi hat damit ein quasi alltägliches Prinzip, nicht nur aus der Mathematik, ad absurdum geführt: Man kann einen Sachverhalt natürlich in einer Weise umschreiben, dass er von einem informierten und wohlmeinenden Adressaten verstanden wird. Eine Gesetzmäßigkeit erschließt sich meist relativ schnell, weil man eben davon ausgeht, dass man die Absicht des Aufgabenstellers sehr leicht hinterschauen kann. Man kann sich aber auch (künstlich oder mangels besserer Einsicht) dumm stellen.
Denn die Absicht ergibt sich eben nur dadurch, dass man der Aufgabe diese Gesetzmäßigkeit unterstellt. Wenn es mit einem Einser losgeht, danach zwei Zweier und anschließend drei Dreier kommen, dann wird es eben so weitergehen. Nach den vier Vierern kommen fünf Fünfer, denn was sollte da denn sonst kommen?
Wirklich präzisieren kann man die Aufgabenstellung aber nicht. „Setzen Sie das so fort, wie ich es ganz klar begonnen habe und wie ich es offensichtlich auch meine“ ist eben keine objektive Aufgabenstellung.
Übrigens scheitert diese Aufgabe nach 999999999 auch durchaus: Geht es nun mit zehn Zehnern nacheinander weiter? Also 10101010101010101010? Oder doch eher 11111111110? Angesichts dieser schönen Abfolge von Eins und Null könnte man zudem hinterfragen, ob die Zahlen wirklich im Dezimalsystem dort stehen. Aber wir schweifen ab.
Diese Eindeutigkeitsprobleme haben Juristen indes nicht. Das von Herrn Blazi als Schlusspointe verwendete „Sie wissen schon, was ich meine…“ ist in der Rechtswissenschaft überhaupt kein Problem. Jedes Gesetz bedarf der Auslegung. Die juristische Sprache ist entgegen anderslautender Gerüchte alles andere als eindeutig.
Es gibt viele Methoden der Auslegung, die mittlerweile größte Rolle spielt die sogenannte teleologische Auslegung. Das Gesetz soll so interpretiert und angewandt werden, dass es seinen Sinn und Zweck erfüllt. „Sein“ Sinn und Zweck ist dabei eben das, was der Gesetzgeber gemeint hat, als er das Gesetz formuliert hat.
Und was der Aufgabensteller hier gemeint hat, würden sogar Juristen verstehen und keineswegs anzweifeln.