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    Categories: Zivilrecht

100 % Durchfaller beim Abitur: Eltern klagen gegen Schule

Im Jahr 2013 fiel der gesamte Abiturjahrgang einer (privaten) Fachoberschule durch das (staatliche) Abitur. Ganz korrekt ist das allerdings nicht, denn zwei der 27 Schüler konnten über die mündlichen Prüfungen noch das Bestehen sichern – freilich mit nicht gerade berauschenden Noten, aber bestanden ist bestanden. Nun stellt sich die Frage nach einem Schadenersatzanspruch der Eltern gegen die Schule.

Laut FAZ klagt nun der überwiegende Teil der Eltern gegen die Schule auf Rückerstattung des Schulgelds. Wie der Prozess ausgehen wird, lässt sich freilich ohne nähere Detailkenntnis nicht vorhersagen. Man kann aber anhand des konkreten Beispiels einige grundsätzliche Fragen diskutieren.

Der Unterrichtsvertrag mit einer Privatschule ist zunächst ein Dienstvertrag, § 611 BGB. Aus den BGB-Vorschriften über Dienstverträge lässt sich wenig ableiten, da diese in erster Linie Arbeitsverträge regeln. Wenn aber wie hier die Schule kein normaler Arbeitnehmer ist, sondern selbst ein Unternehmen darstellt, treffen beispielsweise die vielen Schutzvorschriften für Arbeitnehmer nicht zu. Daher werden sich die meisten Rechte und Pflichten von Schule und Schülern bzw. Eltern aus dem Schulvertrag ergeben, der freilich nur den Beteiligten bekannt ist.

Geschuldete Leistung der Schule war jedenfalls, die Schüler zu unterrichten – was sie zweifellos auch getan hat. Darüber hinaus war es – das lässt sich zumindest ableiten – ihre Aufgabe, die Schüler auf das möglichst erfolgreiche Bestehen des Abiturs vorzubereiten. Das bedeutet aber nicht, dass die Schule auch verpflichtet war, jeden Schüler zum Bestehen des Abiturs zu bringen. Eine solche Garantie kann die Schule schon nicht übernehmen, weil der wesentliche Teil der Prüfungsleistung natürlich am Schüler selbst und an dessen Eignung, Fähigkeiten und Fleiß hängt. Die Schule kann allenfalls unterstützend eingreifen und ihm das notwendige Wissen und die erwarteten Arbeitstechniken vermitteln.

Darum wird es in aller Regel keine zu Schadenersatz verpflichtende Vertragsverletzung sein, wenn ein Schüler schlechter als erhofft abschneidet oder gar durchfällt. In diesem Fall sind aber alle Schüler durchgefallen.

Somit erscheint es zumindest möglich, dass die Schule die Schüler nicht ausreichend vorbereitet hat. Damit läge eine sogenannte Schlechtleistung vor, weil die Leistung eben schlechter war als gedacht. Das Problem ist nur: Eine Schlechtleistung berechtigt beim Dienstvertrag nicht zu einer Minderung des Preises. Denn es ist kein bestimmter Erfolg, sondern nur die Leistung gefordert. Und diese Leistung liegt hier im reinen Bemühen der Schule, die Jugendlichen zu unterrichten.

Dafür, dass er keine Minderungsmöglichkeit hat, kann der Auftraggeber durch Weisungen in Bezug auf die Ausführung der Tätigkeit Einfluss nehmen und im Notfall auch kündigen (§ 626 BGB) und muss dann auch nur die bis dahin geleisteten Dienste bezahlen (§ 628 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nun ist es aber in dieser Konstellation praktisch sinnlos, die Eltern auf diese Möglichkeit zu verweisen. Wie hätten sie denn der Schule Weisungen erteilen sollen, um den Unterricht erfolgreich zu gestalten? Es ist ja gerade das Wesen dieses Vertrags, dass man Vertrauen auf die Kompetenz der Schule gesetzt hat. Eine Kündigung wäre schon deswegen nicht zielführend gewesen, weil die Eltern ja gerade wollten, dass ihre Kinder das Abitur erreichen. Im übrigen stellen sich Beanstandungen, wie sie die Kläger jetzt vorbringen, typischerweise erst heraus, wenn die Schulzeit zuende ist, die Prüfung geschrieben ist und das Ergebnis auf dem Tisch liegt.

Für solche Fälle halt die Rechtsprechung eine Ausnahme bereit: Danach kann beim Dienstvertrag die erbrachte Leistung als nicht erbracht behandelt werden, wenn sie völlig unbrauchbar ist. Dann, und nur dann, kann eine schlechte Leistung eine Pflichtverletzung darstellen, die Grundvoraussetzung für das Schadenersatzrecht ist. Dabei reicht es natürlich nicht, wenn die Leistung nur schlechter als gewöhnlich war.

Die Argumentation wird also wohl darauf hinauslaufen, dass die Schule die Schüler so schlecht vorbereitet hat, dass sie es auch gleich hätte lassen können. Ob dieser Beweis gelingt, muss das Gericht entscheiden. Hier die Wahrheit herauszufinden, dürfte jedenfalls ziemlich schwierig sein.

Die Eltern klagen übrigens, wenn die Berichte stimmen, nur auf Rückzahlung des Schulgelds für die beiden Jahre, dem Vernehmen nach 3000 Euro pro Kopf. Denkbar wäre auch noch, einen weiteren Schadenersatz zu verlangen, der aus dem Nichtbestehen entstanden ist. Für die Höhe des Schadenersatzes muss zunächst auf § 249 BGB geachtet werden:

Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

Ohne die (angenommene) Pflichtverletzung der Schule hätten die Schüler ihr Abitur bestanden und wären damit mit ihrer Ausbildung fertig gewesen. Das ist aber kein ersatzfähiger Schaden. Auch die dafür „verlorene“ Lebenszeit lässt sich nicht in Geld umrechnen. Ein Schaden könnte höchstens darin liegen, dass die Schüler nun noch einen Anlauf starten müssen und erst in diesem Jahr ihr Abitur bestehen werden. Damit beginnt ihre berufliche Karriere erst ein Jahr später und sie haben zwölf Monatsgehälter weniger. Auch das könnte einen entgangenen Gewinn im Sinne des § 252 BGB darstellen:

Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Aber hier stellen sich zahlreiche ungeklärte Fragen:

  • Hätten Sie wirklich einen Job gefunden? Wenn ja, welchen?
  • Welche Arbeit ist neben der Schule zumutbar, sodass sich der entgangene Gewinn entsprechend mindert?
  • Machen sie nun ein besseres Abitur, das vielleicht zu einem höheren Einkommen führen wird?
  • Wie wirken sich all diese Annahmen aus, wenn nun nach dem Abitur noch ein Studium folgt und sich dadurch der Einstieg ins Berufsleben sowieso noch mehrere Jahre verschoben hätte?

Ein hypothetischer Verlauf in der Parallelwelt lässt sich nunmal nicht mit den Regeln der Juristerei nachbilden. Daher ist es wohl durchaus richtig, sich hier nicht in eine monströse Schadenersatzforderung zu versteigen.

Eines ist jedenfalls sicher: Bei dieser ganzen Angelegenheiten können alle Beteiligten nur verlieren. Kein Schadenersatz kann den Schülern das Jahr ersetzen und die nun für die Wiederholungsprüfung zu erwartenden Versagensängste abnehmen. Und der Schule hat die Sache wohl ihre Existenz, mindestens aber ihren Ruf gekostet – ob zurecht oder nicht.

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