Eines der bedeutendsten Beweismittel im „Fall Peggy“ war das (später widerrufene) Geständnis des zunächst Verurteilten und jetzt Freigesprochenen Ulvi K. Aber was genau bedeutet ein Geständnis für den Prozess?
Wenn jemand eine Tat gestanden hat, dann war er der Täter. Das dürfte zumindest in den Medien und in der landläufigen Meinung anerkannt sein. Wer in einem Zivilprozess zugibt, dass eine fremde Sache unrechtmäßiger Weise zerstört hat, und sich bereit erklärt, den Schadenersatz leisten, wird unweigerlich dazu verurteilt. Und im US-Strafprozess, den wir aus Filmen und Serien kennen, ist es nicht anders: Wer sich schuldig bekennt, ist schuldig.
Im deutschen Strafrecht ist das anders. Das Geständnis ist zwar ein Beweismittel – wie alles, was der Angeklagte aussagt. Und es ist freilich ein sehr gewichtiges Beweismittel. Aber es ist kein absoluter Beweis. Alle anderen Beweise und Indizien müssen trotzdem gewürdigt werden und nur, wenn in der Gesamtschau aller Erkenntnisse die Schuld ohne vernünftige Zweifel feststeht, wird der Angeklagte auch verurteilt.
Warum sollte nun jemand ein Geständnis ablegen, das gar nicht stimmt? Die Gründe sind so vielfältig wie die Fälle, die vor den Gerichten verhandelt werden:
- Jemand gesteht fälschlicherweise eine Tat, um für eine zur gleichen Zeit begangene andere Tat ein Alibi zu haben. (Schulbeispiel – in der Realität nicht allzu häufig.)
- Der Vater gesteht eine Tat, die der Sohn begangen hat, damit sich der Junior nicht durch eine Vorstrafe das Leben verbaut.
- Der Sohn gesteht eine Tat, die der Vater begangen hat, weil er als Jugendlicher mit einer milderen Strafe rechnet.
- Jemand gesteht eine Tat, um damit anzugeben.
- Jemand gesteht eine Tat, weil ihm eh niemand seine Unschuld glaubt und er so wenigstens etwas glimpflicher davonkommt.
- Der Beschuldigte sieht sich dem Druck der polizeilichen Vernehmung nicht gewachsen, möchte einfach nur seine Ruhe haben und gesteht darum. (Relativ häufig!)
Und daneben gibt es noch Fälle, in denen der Geständige zwar nur die Wahrheit sagt, aber nicht weiß, dass es sich gar nicht belastet:
- Die Frau gesteht zutreffenderweise, dass sie ihrem Mann versehentlich Gift ins Essen gemischt hat, gestorben ist er aber in Wirklichkeit an einem Herzinfarkt.
- Der Hauseigentümer gibt zu, dass er den Einbrecher erschossen hat, ohne zu wissen, dass er wegen Notwehr straffrei bleibt.
- Der Beschuldigte glaubt, das Fahrrad gestohlen zu haben, tatsächlich hatte der Eigentümer dieses aber entsorgt und es war ihm sehr recht, dass es jemand mitgenommen hat.
- Der wahre Täter überzeugt einen Unschuldigen, dass seine Handlung fatale Folgen gehabt hat.
Selbstverständlich sind die allermeisten Geständnisse trotz dieser Möglichkeiten zutreffend und führen in aller Regel zur Verurteilung. In einigen Fällen hat das Gesetz einem Geständnis auch besondere Bedeutung zugemessen, zum Beispiel für eine Verständigung (sog. „Deal“, § 257 c Abs. 2 Satz 2 StPO) oder für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zulasten des Angeklagten (§ 362 Nr. 4 StPO).