Heute möchte ich mich mit einer Frage beschäftigen, die an mich herangetragen wurde: Darf man mit einem fremden Namen unterschreiben?
Nehmen wir als Aufhänger dafür eine Situation, die heute (in Zeiten des Internethandels) eigentlich nicht mehr vorkommt, die sich aber immer wieder wunderbar als juristisches Beispiel eignet – die Bestellung im Versandhandel.
Ein Bekannter ist verreist, ruft mich an und sagt: „Auf meinem Wohnzimmertisch liegt ein Bestellformular. Schreib rein, dass ich die Waschmaschine kaufe und füll den Rest mit meinen Daten aus. Ach ja, und unterschreib bitte mit meinem Namen, sonst gibt das nur Irritationen.“
Darf ich das jetzt?
Schauen wir uns zuerst das Zivilrecht an. § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB sagt:
Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen.
Vertretungsmacht, also die Erlaubnis, für den anderen zu handeln, liegt vor. Und ich handle auch im Namen des Vertretenen (meines Bekannten), mehr noch: Ich handle unter seinem Namen. Damit ist die Bestellung die seine und er wird berechtigt und verpflichtet. Er kann die Lieferung der Waschmaschine fordern und er muss sie bezahlen – nicht etwa ich.
Nun gibt es aber noch § 164 Abs. 2 BGB, der uns möglicherweise in die Quere kommt:
Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.
Dieser Satz ist beim ersten Lesen etwas kryptisch. Aber klar ist, dass der Wille, in fremdem Namen zu handeln, erkennbar sein muss. Das bedeutet also, dass für den Vertragspartner klar sein muss, dass es um zwei separate Personen geht, den Vertretenen und den Vertreter. Das ist hier aber nicht der Fall. Es war nicht erkennbar, dass ich für jemand anderen gehandelt habe. Es war nicht einmal erkennbar, dass ich überhaupt an der Transaktion beteiligt war.
Um dies bewerten zu können, muss man aber auch den Sinn der Vorschrift ansehen: Konkret geht es darum, dass der Vertragspartner wissen soll, mit wem er sich einlässt. Wenn ich also beispielsweise einen Handwerker beauftrage, kann ich nicht anschließend sagen „Mit der Rechnung wenden Sie sich bitte an meinen arbeitslosen Nachbarn, ich war nämlich nur sein Vertreter“. In dieser Konstellation ist die Tatsache, dass ich nicht für mich selbst handeln wollte, unbeachtlich.
Beim Bestellscheinfall gibt es aber keinerlei Unsicherheit darüber, wer die Waschmaschine kaufen will. Der einzige Unterschied zu einer regulären Bestellung liegt darin, wer den Stift in der Hand hielt. Entscheidend ist aber die Vorstellung des Vertragspartner, mit wem er handelseinig werden wollte. Und das ist hier unzweifelhaft.
Strafrechtlich könnte es sich um eine Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB handeln:
Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, (…) wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Eine Urkunde ist eine schriftliche Gedankenerklärung, die ihren Aussteller erkennen lässt und als Beweis im Rechtsverkehr dient. Das ist hier sicher gegeben: Der Besteller erklärt, dass er etwas kaufen möchte, und gibt es dem Verkäufer schriftlich. Unecht ist die Urkunde, wenn sie nicht von dem stammt, der als Aussteller angegeben ist. Wenn man also eine solche Bestellung aufgibt und einen falschen Namen angibt, ist das eine strafbare Urkundenfälschung.
Der Straftatbestand der Urkundenfälschung soll jemanden davor schützen, dass ein anderer Urkunden ausstellt, die auf seinen Namen lauten und damit möglicherweise dazu führen, dass er aus einem Vertrag in Anspruch genommen wird, den er nicht abgeschlossen hat. Hier hat aber der „Fälscher“ in Übereinkunft mit dem angeblichen Aussteller gehandelt. Mehr noch, er hat den Aussteller in zivilrechtlicher Hinsicht vertreten.
Die Einwilligung gilt in aller Regel als sogenanntes negatives Tatbestandsmerkmal. Liegt eine Einwilligung des „Opfers“ vor, ist die Tat normalerweise nicht strafbar. „Opfer“ der Urkundenfälschung kann aber auch der Vertragspartner sein, der darüber getäuscht wird, dass jemand anderes eine Urkunde erstellt hat. Dessen Interessen werden aber schon zivilrechtlich dadurch geschützt, dass die Bestellung über § 164 BGB dem Vertretenen zugerechnet wird. Er ist also nicht geschädigt, da die Urkunde genau die Rechtsfolgen nach sich zieht, von denen er ausgegangen ist.
Strafbar ist diese einvernehmliche „Fremdbestellung“ also nicht.
Eine Ausnahme gibt es lediglich, wenn aus den Umständen eine persönliche, eigene und handschriftliche Unterschrift notwendig ist oder erwartet wird. Das ist zum Beispiel bei allen Formularen rund um politische Wahlen der Fall. Teilweise wird auch angenommen, dass eine Urkundenfälschung dann vorliegt, wenn der Unterzeichner nicht in irgendeiner Weise den Namen des Vertretenen hinschreibt, sondern versucht, dessen individuelle Schrift nachzuahmen.
Eines darf man aber nicht vergessen: Das Risiko, in Erklärungsnot zu kommen, besteht natürlich trotzdem. Und wenn sich der Auftraggeber an seine Vollmachterteilung plötzlich nicht mehr erinnern kann (z. B. weil er die Waschmaschine nun doch nicht braucht oder weil er diesen Artikel nicht gelesen hat und Angst hat, nun wegen Anstiftung zur Urkundenfälschung belangt werden zu können), hat meine vermeintlich gute Tat unter Umständen sehr negative Konsequenzen. Denn die Aussage, man habe im Einvernehmen mit dem angeblichen Geschädigten gehandelt, wird der Richter schon von vielen Angeklagten gehört haben.