X
    Categories: StaatsrechtZivilrecht

Buchbesprechung: Politische Parteien verwalten und gestalten. Praxisrelevantes Überblickswissen für Parteigründer, Amtsträger und Mitglieder

Das Parteienrecht führt ein ziemlich ambivalentes Dasein: Zum einen gehört es zum Staatsrecht, also zum erweiterten Kreis der Verfassungsrechts. Ohne demokratische Parteistrukturen gibt es keine demokratischen Wahlkandidaturen (auch, wenn die Parteien heute nicht mehr nur als Wahlvorbereitungsorganisationen angesehen werden) und damit in letzter Konsequenz auch keine demokratischen Wahlen. Trotz dieser immensen Bedeutung führen die Parteien in der Rechtswissenschaft ein Schattendasein. Literatur und Ratgeber zu Vereinen gibt es en masse (weil es eben auch Verein en masse gibt und daher die Zahl der Abnehmer entsprechend groß ist), aber die vereinsrechtlichen Grundsätze lassen sich in vieler Hinsicht nicht auf Parteien übertragen und gerade in der staatspolitischen Bedeutung der Parteien ist das Vereinsrecht ziemlich uninteressant.

Die parteienrechtliche Literatur wurde nun durch ein Buch des Fachverlags Vepowar (Verlag für Politik, Wahlen und Recht) bereichert: Mit „Politische Parteien verwalten und gestalten. Praxisrelevantes Überblickswissen für Parteigründer, Amtsträger und Mitglieder“ von Markus Mayer, Jürgen Carstensen, Sophie Lengerich und Gerd Lang-Müller ist ein in zweierlei Weise herausragendes Werk gelungen. Herausragend, weil es sehr unkonventionell geschrieben ist, und herausragend, weil es konsequent in die bedeutsamen Nischenfragen geht, die von den bisherigen Standardwerken wenig behandelt werden.

Der Rechtswissenschaftler hatte bisher seine Nachschlagequellen zu den (seltenen) Problemen im Parteienrecht. Zu den Kommentaren von Ipsen (C.H.Beck), Kersten/Rixen (Kohlhammer) und Lenski (Nomos) kamen nur noch einige wenige Bücher hinzu. Praktiker, also die Verantwortlichen in den Parteien, hatten dagegen kaum Literatur, auf die sie zurückgreifen konnten, zumal gerade an der Basis häufig kein Rechtsanwalt bereitsteht, der juristische Aussagen aus Kommentaren unmittelbar in die Praxis übersetzen kann. Die Satzungen von Parteien strotzen daher auch von Fehlern und Unzulässigkeiten. Immer wieder scheitert die Wahlzulassung an eigentlich einfachen Formalien.

Dem will der erste Teil der Reihe „Politische Parteien verwalten und gestalten“ entgegentreten. Mit Akribie werden die verschiedenen Bestimmungen des Parteienrechts (und, soweit einschlägig, auch der Vereinsrechts) durchgearbeitet und auf Unklarheiten und auch auf Gestaltungsmöglichkeiten untersucht. Sehr positiv ist, dass dabei nie die „abgehobene“ juristische Ebene im Mittelpunkt steht, sondern die praktische Verwendbarkeit.

Ein Beispiel hierfür:

Wie viele Schiedsgerichte braucht eine Partei?

Sowohl bei der Gesamtpartei als auch bei den höchsten Ge­bietsverbänden müssen Schiedsgerichte eingerichtet werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 PartG), in der Regel also ein Bundesschiedsgericht und darunter die Landesschiedsgerichte.

Ist dies organisatorisch nicht zu bewältigen, sollte man zwei Instanzen des Bundesschiedsgerichts einrichten, sodass hier der In­stanzenzug gewahrt wird. Ob die Landesverbände nun eigene Schiedsgerichte haben, ist in der Praxis nicht mehr wirklich relevant.

Die Schiedsgerichtsordnung könnte dies folgendermaßen festlegen:

(1) Es bestehen folgende Schiedsgerichte:
1. Parteischiedsgericht
2. Bundesschiedsgericht
3. Landesschiedsgerichte
(2) Über Parteiausschussverfahren entscheidet in der ersten Instanz das Bundesschiedsgericht, in der Berufungsinstanz das Parteischiedsgericht.

Eine derartig klare Aussage wird man in kaum einem wissenschaftlichen Lehrbuch finden. Statt große Ausführungen zur Gesetzesfassung zu machen, wird zunächst festgestellt, dass das PartG Schiedsgerichte auf den beiden höchsten Ebenen fordert. Danach folgt aber der Hinweis, dass diese Vorschrift eine „lex imperfecta“ ist (ohne freilich den eher verwirrenden Begriff zu verwenden), ein Verstoß dagegen also ohne Bedeutung ist. In der Querverbindung zum Parteiordnungsverfahren, dem das Buch ebenfalls die gebotene Aufmerksamkeit widmet, wird aber die Notwendigkeit zweier Instanzen angesprochen. Der Lösungsansatz überrascht, da er in der rechtswissenschaftlichen Literatur überhaupt nicht thematisiert wird, verhilft aber dazu, dass Parteiordnungsverfahren rechtsgültig abgewickelt werden können. Mit dem gegebenen Formulierungsvorschlag wird außerdem gleich eine gesetzeskonforme Verankerung in der Parteisatzung angeboten.

Den Juristen verwundert freilich auch der verwendete Frage/Antwort-Stil. Dieser trägt aber ganz wesentlich dazu bei, dass die interessierenden Fragen schnell gefunden werden und die Antworten nicht in seitenlangem Textkonvolut „aufgespürt“ werden müssen. Mindermeinungen, die in der Praxis keine Chance haben, wird man hier – im Gegensatz zu einem Kommentar oder einer Monographie – vergeblich suchen. Meinungsstreitigkeiten werden praktisch nicht dargestellt, sondern es werden Antworten gegeben, die einer rechtlichen Nachprüfung standhalten werden.

Ungewohnt ist auch die Tatsache, dass kaum Urteile mit Aktenzeichen angeführt werden. Da aber die relevanten Fakten alle im Buch selbst ausgeführt werden, erübrigt sich der Verweis auf Urteile und das – gerade für Laien ohne Zugang zu juristischen Datenbanken – mühsame Auffinden der Entscheidungstexte. Zudem umgeht man so die (Un-) Sitte, oft lange Sätze mit mehreren Gesichtspunkten oder ganze Absätze durch Anfügen einer Urteils-Fußnote scheinbar zu authentifizieren und es dabei dem Leser zu überlassen, sich selbst auszumalen, welchen Aspekt das Gericht denn nun angeblich so beurteilt hat.

Für den Praktiker bietet das Buch eine umfassende und an seine Bedürfnisse angepasste Enzyklopädie des parteirechtlichen Wissens. Aus Sicht des Juristen kann es einen Kommentar freilich nicht ersetzen, bietet aber eine hilfreiche Ergänzung zu diesem, um das Auffinden der einschlägigen Normen zu erleichtern und diese im Gesamtsystem darzustellen.

Preislich liegt das Buch mit 15,99 Euro deutlich unter dem Bereich der üblichen Kommentar- und Fachliteratur.

Zum Buch (Amazon): Mayer/Carstensen/Lengerich/Lang-Müller, „Politische Parteien verwalten und gestalten. Praxisrelevantes Überblickswissen für Parteigründer, Amtsträger und Mitglieder“, Vepowar, 104 Seiten, 15,99 Euro.

Click to rate this post!
[Total: 63 Average: 4.8]
Sie hören von meinem Anwalt!: