Prozessmaximen sind Verfahrensgrundsätze, die den Ablauf eines gerichtlichen Verfahrens bestimmen. Sie werden gesetzlich vorgegeben uns bestimmen so den Charakter des Gerichtsprozesses. Im Zivilprozess sind Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) beteiligt, es klagt also z.B. ein Mensch gegen eine GmbH, ein Verein gegen eine Stiftung oder eine GbR gegen eine Kommanditgesellschaft. Der Staat mischt hier, im Gegensatz zum Straf- oder Verwaltungsrecht, überhaupt nicht mit. Dies hat auch Auswirkungen auf die Grundentscheidungen des Zivilprozessrechts, das im Wesentlichen durch die Zivilprozessordnung (ZPO) bestimmt wird, und dessen Prozessmaximen.
Derzeit sind wohl sieben Prozessmaximen anerkannt, wobei die genaue Aufzählung, die Abgrenzung und die Bedeutung in vielerlei Hinsicht umstritten sind. Wir haben uns an dem orientiert, wie die Praxis, also die deutschen Zivilgerichte, verfährt: Die erste Prozessmaxime liefert die Grundlage dafür, dass der Prozess überhaupt eingeleitet wird und bestehen bleibt. Der zweite bis vierte Grundsatz beinhaltet verfahrensrechtliche Garantien für die Beteiligten. Und die fünfte, sechste und siebte Maxime legen fest, wie verhandelt wird.
1. Dispositionsmaxime
Die Dispositionsmaxime besagt, dass es den Parteien obliegt, ob sie überhaupt einen Prozess anstrengen. Auch, wenn jemand einen noch so auf der Hand liegenden Anspruch hat, kann kein Gericht von sich aus ein Urteil zu seinen Gunsten erlassen und es gibt auch keine Staatsanwaltschaft oder andere Behörde, die sich darum kümmert. Vielmehr muss er selbst tätig werden und eine Klage einreichen.
Während des laufenden Prozesses kann der Beklagte insoweit disponieren, dass er den Anspruch anerkennt; oder die beiden Parteien einigen sich auf einen Vergleich. All das ist die freie Entscheidung der Beteiligten.
Das Urteil bezieht sich dann auch nur auf das, was der Kläger beantragt hat, das Gericht kann ihm weder mehr noch etwas anderes, allerdings weniger zusprechen.
2. Öffentlichkeitsgrundsatz
Das Verfahren findet öffentlich statt, jeder Interessierte kann sich in den Zuschauerraum setzen. Das ist zunächst ein Mittel der Transparenz für die Öffentlichkeit; schließlich ergeht das Urteil „Im Namen des Volkes“. Für die Parteien bedeutet dies, dass sie Personen mitbringen können, die im Zweifelsfall bezeugen können, dass Verfahrensfehler passiert sind.
Ausnahmen gibt es nur für bestimmte Verfahren, in denen man die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten schützen will.
Unzulässig sind dagegen Live-Übertragungen der Verhandlung in Rundfunk oder Fernsehen sowie jegliche „Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung“.
3. Rechtliches Gehör
Die Beteiligten haben die Möglichkeit, sich zu den Tatsachen, die sie für bedeutend halten, zu äußern. Das Gericht darf nur vorläufige Entscheidungen (z.B. Einstweilige Verfügung, § 935 ZPO) ohne Anhörung des Gegners treffen. Vor einem endgültigen Urteil muss aber beiden Parteien die Chance gegeben, ihre Sicht der Dinge darzulegen.
4. Unmittelbarkeitsgrundsatz
Die Verhandlung hat unmittelbar vor dem Gericht stattzufinden, das entscheidet. Am Urteil dürfen daher nur die Richter mitwirken, die auch an der Verhandlung teilgenommen haben. Dadurch wird auch sichergestellt, dass die Beteiligten ihre Anliegen unmittelbar den Personen unterbreiten können, die sie auch zu beurteilen haben.
Heute sind praktisch alle Gerichtsverfahren in allen Bereichen unmittelbar, aber es gab auch Zeiten, in denen dies anders. Das bayerische Strafverfahren im 19. Jahrhundert lief bspw. so ab, dass zunächst ein Untersuchungsrichter die gesamte Beweisaufnahme durchführte und anschließend die Akten an das zuständige Gericht geschickt wurden, das dann das Urteil fällte.
5. Mündlichkeitsgrundsatz
Grundsätzlich findet die Verhandlung mündlich, also im Gerichtssaal unter Anwesenheit der Beteiligten, statt. Von diesem Grundsatz ist mittlerweile nicht mehr viel übrig, da es nun zum guten Ton gehört, sich umfassend durch Schreiben an das Gericht (Schriftsätze) zu erklären. In der mündlichen Verhandlung wird dann nur noch auf die Schriftsätze „Bezug genommen“, also erklärt, dass man das Wesentliche ja bereits geschrieben hat. An einigen Stellen fordert das Gesetz sogar ausdrücklich die Erklärung in Schriftform (§§ 129, 273 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Daneben gibt es sogar die Möglichkeit, dass das Gericht Entscheidungen bis hin zum Urteil in schriftlicher Verhandlung trifft (§ 128 Abs. 2 ZPO).
6. Verhandlungsgrundsatz
Der Verhandlungsgrundsatz, auch Beibringungsgrundsatz genannt, bedeutet, dass es keine gerichtlichen Ermittlungen dazu gibt, was nun die Wahrheit ist. Die Parteien müssen von sich aus die Beweise „beibringen“, die notwendig sind, also bspw. Zeugenvernehmungen beantragen.
Nur die Tatsachen, die so in den Prozess eingebracht wurden, können auch Gegenstand des Urteils sein. Das gilt aber eben nur für Tatsachen, rechtliche Betrachtungen müssen die Parteien nicht anstellen („da mihi facta, dabo tibi ius“), wenngleich das freilich im eigenen Interesse meist sinnvoll ist.
Zudem müssen die Parteien auch wirklich „verhandeln“, also sich auch zu den Behauptungen des Gegners erklären. Wer nicht ausdrücklich das bestreitet, was der andere vorgebracht hat, erkennt dies an. Das Gericht muss dann keinen Beweis dafür mehr erheben, mehr noch, es darf gar keinen Beweis erheben, sondern muss die Behauptung als richtig unterstellen.
7. Beschleunigungsgrundsatz
Der Beschleunigungsgrundsatz hat eine ganz besondere Bedeutung erfahren, vor allem in der letzten Zeit, wo in Folge von Sparmaßnahmen immer weniger Ressourcen pro Fall zur Verfügung stehen. Das bedeutet, dass die Parteien verpflichtet sind, den Prozess zu fördern, also ihn schnell zu einem Urteil kommen zu lassen. Daher haben der Kläger und der Beklagte möglichst frühzeitig alles vorzubringen, was ihnen im Prozess wichtig ist. Kommen sie dem nicht nach, kann ihre Einlassung als verspätet zurückgewiesen werden (§ 296 ZPO), was bedeutet, dass sie das Gericht einfach nicht berücksichtigt.
Weniger schwerwiegend, aber immer noch möglicherweise entscheidend ist es, wenn man neue Argumente zu spät vorbringt. In dem Fall muss das Gericht es dem Gegner erlauben, dass sich dieser nachträglich (also außerhalb der mündlichen Verhandlung) zu diesen neuen Tatsachen schriftlich äußert (sog. nachgelassener Schriftsatz, § 283 ZPO). Auf diese Äußerungen kann man selbst dann nicht mehr reagieren, sodass das Vorbringen des Gegners dann möglicherweise unwidersprochen bleibt.