Die Existenz einer „Freiwilligen Gerichtsbarkeit“ begegnet häufig gewissem Unglauben: Ist ein Gericht nicht eher eine Institution, die auf die Freiwilligkeit der Beteiligten eher wenig Rücksicht nimmt? Staatliche Machtausübung setzt sich grundsätzlich gegen den Willen des Betroffenen durch.
„Freiwillige Gerichtsbarkeit“ klingt danach als würde da jemand freiwillig, ja vielleicht sogar gerne hingehen. Warum man bereits mit dem „Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FGG) im Jahr 1900 diesen Begriff verwendet hat und im neuen „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ (FamFG) fortgeführt hat, lässt sich nur historisch begründen. Bereits die Römer kannten die „actio voluntaria“, die freiwillige Klage. Aber: Auch die war schon nicht übermäßig freiwillig.
Zur Freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören z.B. Betreuungssachen (früher Entmündigung), Erbschein- und andere Nachlassverfahren, Firmen- und Vereinsregistersachen, Entscheidungen über Freiheitsentziehungen, aber auch Exoten wie Aufgebots- und Urkundensachen. Wer ein derartiges Anliegen hat, den treibt sicher nicht unbedingt der freie Wille zum Richter.
Tatsächlich ist die Konstellation in FamFG-Verfahren genau die gleiche wie im normalen Zivilprozess: Der Kläger handelt so gesehen immer freiwillig. Niemand zwingt ihn, zu klagen; er kann auch auf den Anspruch verzichten. Wenn er sein Recht aber durchsetzen will, dann ist er gezwungen, vor Gericht zu ziehen. Und der Beklagte ist ohnehin niemals freiwillig da.
Die tatsächlichen Unterschiede liegen im Verfahren. Neben anderer Terminologie (Antragsteller statt Kläger, Beschluss statt Urteil, Beschwerde statt Berufung usw.) gibt es auch andere Verfahrensgrundsätze. So herrscht bspw. der Amtsermittlungsgrundsatz, das Gericht muss danach die Wahrheit selbst ermitteln und überlässt es nicht den Beteiligten, die Tatsachen vorzutragen und Beweismittel zu benennen. Auch die Beweisaufnahme geht nicht nach den strengen ZPO-Regeln, sondern deutlich informeller.
Daher wird der Begriff der freiwilligen Gerichtsbarkeit teilweise als „freie Gerichtsbarkeit“ gedeutet, weil der Richter hier eben viel freier agieren kann als im Zivilverfahren. Besonders einleuchtend ist dies natürlich auch nicht, da es nunmal „freiwillige“ heißt und nicht „prozessual freiere Gerichtsbarkeit“.
Man wird sich wohl damit abfinden müssen, dass dies ein Fachterminus ist, dessen Bezeichnung hinzunehmen ist und heute nicht mehr schlüssig erklärt werden kann.