Eine andere Kaste von Staatsdienern wollte man aber vor einiger Zeit sehr wohl privatisieren: Die Gerichtsvollzieher. Das überrascht durchaus, denn Gerichtsvollzieher üben Hoheitsgewalt im engsten Sinne aus. Sie sind der verlängerte Arm der Gerichte und greifen ganz tiefgehend in Grundrechte ein, indem sie in Wohnungen eindringen, Eigentum pfänden und Schuldner zur Offenbarung ihrer gesamten Vermögensverhältnisse zwingen.
Gerichtsvollzieherrecht ist Landesrecht
Trotzdem wollte man die Gerichtsvollzieher von Beamten zu Beliehenen machen. Beliehene sind Privatpersonen, die vom Staat damit betraut werden, staatliche Befugnisse auszuüben. Ihre Rechte und Pflichten unterscheiden sich kaum von denen „richtiger“ Beamte.
Die Festlegung der Rechtsstellung liegt allerdings bei den Ländern. Diese erlassen ihre jeweilige Landes-Gerichtsvollzieherordnung, da es keine Bundeszuständigkeit hierfür gibt. Trotzdem ist das Recht der Gerichtsvollzieher bundesweit praktisch einheitlich, da die Landesjustizverwaltungen ihre Gerichtsvollzieherordnungen aufeinander abgestimmt haben.
(Bisherige) bundesweite Regelungen
Früher sah § 1 der Gerichtsvollzieherordnungen vor, dass die Gerichtsvollzieher Beamte im Sinne des Beamtengesetzes sein mussten. Diese Voraussetzung ist mittlerweile weggefallen. Damit sind die Gerichtsvollzieher – natürlich – weiterhin Beamte. Nur sieht ihre Spezialberufsordnung dies nicht mehr zwingend vor.
Auch § 154 des Gerichtsverfassungsgesetzes spricht von den Gerichtsvollziehern als „Beamten“. Ob diese Vorschrift aber damit auch anordnen will, dass die Gerichtsvollzieher statusrechtlich Beamte sein müssen, ist unklar. Denn das Recht kennt verschiedene Beamtenbegriffe, zum einen den formellen des Beamtengesetzes (der eben nur Beamte im engsten Sinne umfasst), aber auch weitere wie den in Art. 34des Grundgesetzes. Angesichts der eher lapidaren Bezeichnung im GVG ist wohl nicht davon auszugehen, dass die genannte Vorschrift tatsächlich festschreiben will, dass Gerichtsvollzieher Beamte sein müssen. Zudem wäre höchst fraglich, ob ein Bundesgesetz dies überhaupt regeln kann, da es sich – wie gesagt – um eine Zuständigkeit der Länder handelt.
Abgesichert sollte die Möglichkeit der Privatisierung der Gerichtsvollzieher durch eine Grundgesetzänderung werden: Ein neu eingefügter Art. 98a GG hätte es erlaubt, die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen „auf Personen, die nicht Angehörige des öffentlichen Dienstes im Sinne von Artikel 33 Absatz 4 sind,“ zu übertragen. Dieses Gesetz fand jedoch nicht die notwendige Mehrheit im Bundesrat. Seither gab es keine neuen Anläufe zu einer Verfassungsänderung mehr.
Grundgesetzänderung notwendig?
Ob eine solche Aufnahme der Befugnis ins Grundgesetz notwendig gewesen wäre, ist aber zweifelhaft. Schon jetzt sieht Art. 33 Abs. 4 GG nur vor, dass hoheitliche Aufgaben in der Regel nur durch Personen „in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis“ ausgeübt werden. In der Regel – Ausnahmen sind also ohne Weiteres möglich und werden auch genutzt. Dass ein Land seine Beamten im Gerichtsvollzieherdienst nur dann privatrechtlich einstellen oder beleihen darf, wenn dies im Grundgesetz ausdrücklich so vorgesehen ist, erschließt sich nicht.
Dementsprechend könnte jedes Land also nichtbeamtete Gerichtsvollzieher beschäftigen. Dafür bräuchte es gegebenenfalls noch ein Landesgesetz als Rechtsgrundlage für die Beleihung – dass eine reine Verwaltungsvorschrift wie die derzeitigen GVO dafür ausreicht, darf man durchaus anzweifeln. Bisher sind die Länder diesen Weg aber – meist bewusst – nicht gegangen. Zum Beispiel legt § 4 der bayerischen Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Gerichtsvollzieher (ZAPO/GV) fest, dass zur Gerichtsvollzieherausbildung nur zugelassen werden kann, wer Beamter mit der Qualifikation eines Justizfachwirts ist. Das könnte der Freistaat Bayern natürlich jederzeit in eigener Verantwortung ändern. Dann könnten diese privaten, beliehenen Gerichtsvollzieher mit genau den gleichen Rechten und Pflichten wie bisher ihren Dienst antreten.