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    Categories: Zivilrecht

Konflikte im Erbrecht: Das Enkel-Sparbuch

Wenn Großeltern – wie häufig – Sparbücher für ihre Enkel anlegen, besteht eine erhebliche Gefahr, dass diese Konstruktion nicht zum gewünschten Erfolg führt. Es bahnen sich Konflikte zwischen dem Begünstigte und dem Erben an, die sogar soweit führen können, dass die Erben den Willen des Erblassers widerrufen können. Daher sollten alle erbrechtlichen Verfügungen nur nach eingehender anwaltlicher oder notarieller Beratung getroffen werden.

Auch in Zeiten, in denen wir Guthabenzinsen nur noch aus alten Erzählungen kennen, sind die sogenannten „Enkelsparbücher“ noch relativ populär. Dabei handelt es sich um Sparbücher, die jemand anlegt und selbst mit einmaligen oder regelmäßigen Zahlungen ausstattet, die aber einer anderen Person (häufig, aber nicht zwangsläufig einem Enkel) zugute kommen sollen. In vielen Fällen soll der Begünstigte aber erst davon profitieren, wenn der Einzahler verstorben ist.

Während diese Konstruktion von Banken noch relativ oft empfohlen wird, bereitet sie juristisch teilweise erhebliche Probleme. Dies kann schlimmstenfalls sogar dazu führen, dass der angestrebte Zweck des Sparbuchs, einer bestimten Person ein bestimmtes Guthaben zuzuwenden, nicht erreicht wird.

„Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall“

Zunächst ist es so, dass es für derartige Fälle eine gesetzliche Sonderregelung gibt, nämlich § 331 BGB, der einen Vertrag zugunsten eines Dritten auf den Todesfall normiert:

Soll die Leistung an den Dritten nach dem Tode desjenigen erfolgen, welchem sie versprochen wird, so erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung im Zweifel mit dem Tode des Versprechensempfängers.

Wenn Opa O bei der Bank B für Enkel E ein Sparbuch anlegt, dann ist in der Terminologie des Gesetzes die Bank der Versprechende, O ist der Empfänger dieses Versprechens und E ist der begünstigte Dritte.

Nun muss man (mindestens) zwei verschiedene Rechtsverhältnisse unterscheiden: Der Vertrag zugunsten Dritter wirkt zwischen B und O. Er wird nur zwischen diesen Personen geschlossen, E ist ein „Dritter“, der also am Vertrag nicht beteiligt ist. Er kann lediglich die Leistung fordern, und zwar, wie § 331 sagt, erst nach dem Tod des Versprechensempfängers.

Schenkungsvertrag zwischen Opa und Enkel

Zwischen dem Opa und seinem Enkel besteht bei unbedarfter Sichtweise zunächst gar kein Vertrag, zumal der Enkel nicht einmal vom Sparbuch wissen muss. Allerdings ist es doch so, dass der O dem E einen Vorteil zuwendet, nämlich das spätere Forderungsrecht gegenüber der Bank. Dieses Recht erhält der E, ohne dass er irgendeine Gegenleistung erbringen muss. Solche Geschäfte nennen wir im Recht (und auch im realen Leben) eine Schenkung. Gegenstand der Schenkung kann dabei auch, wie hier, ein Forderungsrecht sein.

Hier besteht noch ein kleines Problem: Ein Schenkungsversprechen bedarf der notariellen Form, § 518 Abs. 1 Satz 1 BGB. Diese ist sicher nicht gewahrt. Der Formmangel kann aber geheilt werden, wenn die Schenkung vollzogen ist (Abs. 2). Ein Schenker soll also davor geschützt werden, dass unüberlegte Versprechen, durch „bloßes Dahergerede“ sein Vermögen schädigt. Wer dagegen die Sache dann auch tatsächlich aus der Hand gibt, hat es sich offensichtlich doch genauer überlegt. Eine hierfür ausreichende Bewirkung ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Erblasser gegenüber der Bank dafür gesorgt hat, dass diese die Leistung an den Enkel vornimmt. Bei einem normalen Vertrag zugunsten Dritter dürfte dies bereits im Moment des Todes des O gegeben sein.

Schenkungsvertrag muss durch Enkel angenommen werden

Auch wenn uns eine Schenkung wie ein einseitiger Akt (der Schenker schenkt, ohne etwas dafür zu erhalten) vorkommt, handelt es sich im Rechtssinne doch um einen Vertrag. Der Beschenkte braucht sich nämlich nichts aufdrängen zu lassen; die Schenkung kommt erst zustande, wenn er zustimmt.

Dabei liegt im Anlegen des Sparbuchs ein Angebot des O auf Abschluss des Schenkungsvertrags. Dieses Angebot besteht fort, auch wenn der Schenker stirbt (§ 130 Abs. 2). Ebenso kann das Angebot auch nach dem Tod des Anbietenden noch angenommen werden (§ 153). Die Annahmeerklärung muss dem Schenker nicht zugehen, da dies nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist. Hier zeigt sich doch wieder eine gewisse Einseitigkeit der Schenkung: Es reicht, wenn der Beschenkte sich über das Geschenk freut und für sich beschließt, es anzunehmen. Dies muss er dem Schenker aber nicht persönlich mitteilen.

Erben können Schenkungsangebot widerrufen

Allerdings besteht das Angebot des Schenkers nicht unauflösbar in alle Ewigkeit fort. Denn gemäß § 130 Abs. 1 Satz BGB kann eine Willenserklärung, die dem Adressaten noch nicht zugegangen ist, widerrufen werden. Trifft der Widerruf spätestens gleichzeitig mit der zu widerrufenden Erklärung beim Empfänger ein, gilt die Erklärung nicht. Dies ist freilich völlig legitim, wenn sich der vererbende Opa zu Lebzeiten die Sache mit dem Sparbuch auf einmal anders überlegt. Stirbt der Erklärende aber, gehen alle seine Vermögenspositionen auf die Erben über, § 1922 BGB. Damit können die Erben auch Willenserklärungen widerrufen. Wenn also die Erben des O schnell sind und rechtzeitig den Widerruf erklären, können sie die Schenkung verhindern.

Ohne Schenkung besteht kein Rechtsgrund mehr für das Behaltendürfen des Sparbuchs und des in ihm verkörperten Werts. E muss in dem Fall die ihm zustehende Forderung gegenüber der Bank an die Erben abtreten. Der Wille des O ist damit völlig konterkariert.

Der Enkel kann zwar testamentarischer oder auch gesetzlicher Erbe des Opas sein, in aller Regel ist er das aber nicht. Dann haben die Erben also durchaus ein Interesse daran, dass das Sparbuch nicht den Weg zum begünstigten Enkel finden, sondern im Erbe verbleibt – und damit den Erben zusteht. Möglicherweise ist das Verhältnis zwischen Erben und Enkel gut, typischerweise sind sie ja sogar verwandt. Möglicherweise bestehen hier aber bereits Konflikte – oder sie entstehen gerade dadurch, dass die einen nicht einsehen, warum dem anderen ein ziemlich volles Sparbuch zufließt.

Erblasser muss eigenen Willen absichern

Diese Konstellation steht nur stellvertretend für eine Vielzahl von Problemen des Erbrechts. Denn das Erbrecht fußt ja selbst auf einem riesigen Problem: Der Erblasser ist zwangsläufig tot und hat daher selbst nicht nicht mehr „die Hand drauf“, wie sein Vermögen verteilt werden soll. Mehr noch, man schafft ein ungeheures Potential für Konflikte innerhalb der Familie, weil jeder der Meinung ist, er selbst habe mehr vom Erbe verdient und die anderen potentiellen Erben seien habgierig.

Aus diesem Grund empfiehlt es sich, in allen Rechtsfragen rund um das Erbe anwaltlichen oder notariellen Rat einzuholen und so für eine möglichst sichere Gestaltung zu sorgen.

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