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    Categories: Zivilrecht

Die Gefahrtragung beim Kauf

Ein uraltes Problem, mit dem sich alle Rechtsordnungen beschäftigt haben, ist die Problematik der Gefahrtragung bei Kaufverträgen. Was sich hier so hochgestochen anhört, behandelt eine eigentlich recht simple Frage: Was machen wir, wenn der verkaufte Gegenstand kaputt geht?

Nach Erfüllung

Wurden die Vertragspflichten vollständig erfüllt (§ 362), wurde also die Sache übergeben und übereignet, so hat der Verkäufer nichts mehr mit der Sache zu tun. Wenn diese also aus irgendeinem Grund zerstört wird, ist das prinzipiell nur das Pech des neuen Eigentümers, also des Käufers.

Soweit die Zerstörung mit einem Mangel an der Sache zusammenhängt, also bspw. ein Auto wegen der defekten Bremsen einen Unfall verursacht, können natürlich Gewährleistungsrechte einschlägig sein. Diese haben aber mit der Gefahrtragung als solcher nichts zu tun.

Vor Erfüllung

Viel brisanter ist der Fall, dass der Schuldner eigentlich noch leisten müsste, dies aber eben wegen des Untergangs der Sache nicht mehr kann. Dass das Gesetz nichts fordert, was unmöglich ist, ist klar. Der Schuldner wird dann von der Leistung frei, wie § 275 BGB sagt.

Einen kleinen Sonderfall gibt es hierbei noch: Liegt eine sogenannte Gattungsschuld vor, also z.B. eine neue Waschmaschine eines ganz bestimmten Modells, so gibt es theoretisch unendlich viele Waschmaschinen, die der Verkäufer leisten könnte. Jede davon würde den Kaufvertrag erfüllen, die Leistung würde also praktisch niemals unmöglich. Hat er aber bereits eine bestimmte Waschmaschine aus seinem Lager ausgesucht („konkretisiert“), so bestimmt § 300 Abs. 2, dass er nur noch diese eine leisten muss. Wird diese zerstört, kann er sich auf Unmöglichkeit berufen – das muss er aber freilich nicht, er kann auch eine andere aus seinem Lager nehmen.

Da nun die meisten Verträge gegenseitiger Natur sind (z.B. Ware gegen Geld), stellt sich bei Unmöglichkeit der Leistung stets die Frage nach der Gegenleistung. § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt hierfür zunächst eine ganz einleuchtende Grundregel auf: Wer selbst nicht leisten muss, kann auch die Gegenleistung nicht fordern.

In manchen Fällen ist dies aber nicht angemessen. Nach Abs. 2 behält der Schuldner seinen Gegenleistungsanspruch, wenn

  • der Grund für den Leistungsausschluss die Schuld des Gläubigers ist oder
  • der Schuldner nicht daran schuld ist und zudem der Gläubiger im Annahmeverzug war.

Hier stellt sich ein noch immer ungeregeltes und teilweiseumstrittenes Problem: Die beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit, bei der sich eben sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner einen ähnlichen Verschuldensanteil zurechnen lassen müssen. Der Anspruch des Käufers auf Schadenersatz statt der Leistung soll sich nach wohl herrschender Meinung hier gemäß § 254 um seinen Mitverschuldensanteil kürzen, während der Anspruch des Verkäufers auf den Kaufpreis gemäß § 326 Abs. 1 wegfällt. Hieraus wiederum erhält der Verkäufer einen Schadenersatzanspruch gegen den Käufer, der ebenfalls gemäß § 254 gekürzt wird. Damit muss sich also jeder sein Mitverschulden anrechnen lassen und erhält nur den Rest vom anderen – ein nachvollziehbares Ergebnis.

Übergabe ohne Übereignung

Nun gibt es aber auch Fälle, in denen zwar noch nicht übereignet wurde, der Käufer die Sache (die noch immer dem Verkäufer gehört) aber bereits in Händen hält. Dies ist bspw. beim Eigentumsvorbehalt der Fall. In diesen Fällen wurde also noch nicht vollständig erfüllt.

Trotzdem befindet sich die Sache bereits im Gefahrenbereich des Käufers. Es wäre daher seltsam, wenn trotzdem der Verkäufer noch dafür haften müsste, dass die Sache zerstört wird. Daher ordnet § 446 BGB an, dass die Gefahr hier schon beim Käufer liegt.

Das gleiche gilt beim Versendungskauf (§ 447): Hier verschickt der Verkäufer die Ware auf dessen Bitte an den Käufer, obwohl er hierzu nicht verpflichtet ist. Wenn der Käufer schon die Zusendung will, dann muss er aber auch das dadurch erhöhte Risiko tragen. Dies gilt freilich nicht, wenn die Versendung vertraglich vereinbart ist, da es sich dann um eine Vertragspflicht handelt, für deren Erfüllung der Verkäufer haftet. Beim Verbrauchsgüterkauf gilt diese Regel ebenfalls nicht, § 474 Abs. 4 BGB.

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