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Schlechtes Programm – kein Rundfunkbeitrag?

Der Rundfunkstaatsvertrag verlangt von den öffentlich-rechtlichen Sendern eine bestimmte Programmgestaltung und vor allem Neutralität. Kommen die Rundfunkanstalten diesen Pflichten nicht nach, kann der Beitragspflichtige seine Zahlung verweigern, so zumindest die hier vertretene Meinung. Schwierig wird aber auch die Klärung der Frage sein, ob das Programm vertragsgemäß ist.

Der Rundfunkbeitrag, früher als Rundfunkgebühr bezeichnet, ist in der Bevölkerung auch nach seiner Reform zum Jahr 2013 „beliebt“ wie eh und je. Während man früher durch beharrliches Nichtzahlen durchaus gewisse Chancen hatte, die Gebühr nicht leisten zu müssen, haben sich die rechtlichen Grundlagen heute derart geändert, dass man mittlerweile kaum noch herauskommt. So reicht bereits das Wohnen in einer Wohnung aus, damit man beitragspflichtig ist – und wohnen muss man eben zwangsläufig irgendwo.

Im Gegensatz zu anderen Pay-TV-Sendern kann man den Vertrag mit ARD, ZDF und Co. auch nicht einfach kündigen, denn man selbst hat keinen Vertrag geschlossen. Die Zahlungspflicht entsteht durch Gesetz, genauer gesagt durch das Zustimmungsgesetz des jeweiligen Landtags zu den Rundfunkstaatsverträgen. Einer gesetzlichen Zahlungspflicht entkommt man nicht so leicht.

Nun könnte man aber auf einen anderen Trick verfallen: Man bezahlt die Rundfunkgebühr ja für Möglichkeit, das Fernsehprogramm in Anspruch nehmen zu können. Was ist aber, wenn ich es gar nicht in Anspruch nehmen kann? Leistung und Gegenleistung gehören ja, um es zivilrechtlich auszudrücken, zusammen – erhalte ich die Gegenleistung nicht, muss ich meine Leistung nicht erbringen.

Dieses Argument funktioniert zunächst einmal nicht, wenn das Leistungshindernis auf meiner Seite liegt, ich also schlicht kein Empfangsgerät (Fernseher, Radio, PC) besitze. Denn die neue Gebühr knüpft allein an die theoretische Möglichkeit der Benutzung an. Das war gerade der Sinn der Umstellung, man wollte diesen Einwand abschneiden.

Anders wäre es aber, wenn die Erbringung der Leistung nicht ausreichend wäre. Ist das, was die Sender so senden, zu schlecht, dann muss ich dafür nicht zahlen.

Das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird im Wesentlichen in § 11 Abs. 1 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags definiert:

Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.

Dahinter kommt noch etwas Gesetzeslyrik über internationale Verständigung, Bildung und Objektivität.

Aber was sind nun die Folgen, wenn gegen diese Leistungspflicht verstoßen wird?

Um die Frage zu lösen, gibt es mehrere denkbare Ansatzpunkte:

1. Tatbestandslösung

Ein Beitrag ist eine Abgabe, die für die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Leistung erhoben wird. Wird diese Möglichkeit nicht geboten, entsteht der Beitrag nicht.

So erlaubt bspw. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des bayerischen Kommunalabgabengesetzes die Erhebung von Beiträgen für die Herstellung von öffentlichen Einrichtungen wie Abwasserleitungen. Beides ist verknüpft – Voraussetzung für die Beitragserhebung ist, dass die Leitungen auch wirklich hergestellt werden. Juristisch gesagt: Der Tatbestand der Abgabennorm muss erfüllt sein. Einfacher gesagt: Keine Leitungen, keine Beiträge.

Im Rundfunkbeitragsrecht würde das bedeuten, dass ein Programm, das nicht den Anforderungen von § 11 des Rundfunkstaatsvertrags genügt, keine Beitragspflicht auslöst.

Das Problem dabei ist wohl, dass diese Verknüpfung zumindest nicht unmittelbar in den Staatsverträgen steht. § 1 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags besagt, dass der Beitrag der „funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ dient. Diese Ausstattung wird ja durch den Beitrag unzweifelhaft erreicht. Der Rundfunkstaatsvertrag äußert sich an verschiedenen Stellen zum Beitrag, erwähnt aber auch nicht, dass es sich dabei um eine Gegenleistung für konkrete Programme handelt.

Andererseits muss man aber schon fragen: Wofür zahlen wir denn dann? Selbstverständlich sind die Beiträge in erster Linie dafür da, den Sendebetrieb zu ermöglichen. Alles andere, wie die Verwaltung der Rundfunkanstalten, der Deutsche Fernsehpreis oder die Bereitstellung von Internetseiten dient doch nur der Programmgestaltung.

Insofern erscheint es schon richtiger, das Entstehen eines Beitrags abzulehnen, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht dem entspricht, was er nach seinen eigenen Regeln zu leisten hat.

Nun kann es im Recht aber immer sein, dass andere Personen die eigene Meinung nicht teilen. Darum beenden wir die Abhandlung hierzu nicht schon an dieser Stelle, sondern schauen uns noch andere Möglichkeiten an:

2. Einrede des nicht erfüllten Gegenleistungsverhältnisses (vgl. § 320 BGB)

Im Zivilrecht kann man die sogenannte Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben, wenn der Vertragspartner seine Verpflichtung nicht erbringt. Dann muss man selbst seine Gegenleistung auch nicht erbringen. Die Ratio dahinter ist klar: Der Verkäufer soll nicht sagen dürfen „Du bekommst zwar die Kaufsache nicht, aber zahlen musst du trotzdem, weil’s im Vertrag steht“. Wenn ich nicht bekomme, was mir laut Vertrag zusteht, muss ich auch das nicht leisten, was dem anderen zusteht.

Dieses Prinzip ist in § 320 BGB verankert. Nun stehen wir hier vor zwei Problemen: Das BGB ist Zivilrecht, das Rundfunkrecht dagegen öffentliches Recht (Verwaltungsrecht); man kann Normen aus einem anderen Rechtsgebiet nicht einfach heranziehen, da sie dafür nicht gedacht sind. Und das BGB ist Bundesrecht, das Rundfunkrecht dagegen Landesrecht; für Rundfunkrecht hat der Bund keine Gesetzgebungskompetenz, man kann den Ländern also nicht einfach ein Bundes-BGB vor die Nase setzen. Allerdings wird zumindest der Rechtsgedanke solcher grundlegender zivilrechtlicher Regelungen auch im öffentlichen Recht verwendet – dies ist eine ziemlich einhellige Meinungen und wurde auch von den Verwaltungsgerichten immer wieder bestätigt. Man wendet also rechtstechnisch nicht die Norm selbst an, sondern geht davon aus, dass diese nur einen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz ausdrückt, der auch ungeschrieben gilt und den man daher auch ohne spezifische Regelung für ein anderes Rechtsgebiet anwenden kann.

Und darum muss sich die staatliche Verwaltung (hier: die Landesrundfunkanstalt) auch am Rechtsgedanken des § 320 BGB festhalten lassen. Allerdings beinhaltet § 320 BGB eine ganz gewichtige Einschränkung: Er gilt nur für den, der „aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist“. Nun gibt es aber keinen Vertrag zwischen dem Beitragspflichtigen und der Rundfunkanstalt. Verträge sind nur zwischen den Ländern geschlossen. Die Zahlungspflicht des Bürgers beruht dagegen auf Gesetz; dass dieses Gesetz den Inhalt eines Staatsvertrags zum Inhalt hat, macht den Bürger nicht zum Vertragspartner.

Die Frage ist aber: Kann es darauf ankommen? Schließlich könnte das Gesetz ja auch vorsehen, dass jeder Bürger verpflichtet ist, einen Abonnementvertrag mit der Rundfunkanstalt abzuschließen. Das wäre im Ergebnis kein großer Unterschied, nur eine unwesentlich andere Konstruktion und schließlich ein Rechtsverhältnis, das ohne Weiteres dem Rechtsgedanken des § 320 BGB unterfallen würde.

§ 320 BGB ist nunmal in seiner konkreten Ausformulierung ein „Kind des Zivilrechts“ – die Vorschrift richtet sich auf Verträge, weil diese nunmal die Art und Weise sind, wie gegenseitige Verpflichtungen zwischen Personen begründet werden. Die Sonderkonstellation des Abgabenrechts, dass der Staat eine Leistung erbringt und dann den Bürger zur Kasse bittet, egal ob der diese Leistung überhaupt haben will, gibt es im Zivilrecht nicht. Insofern wird man den Rechtsgedanken des § 320 BGB im öffentlichen Recht nicht auf gegenseitige Verträge beschränken dürfen, sondern auf jedes Gegenüberstehen von Leistungen, auch bei hoheitlicher Einforderung von Abgaben.

3. Zurückbehaltungsrecht (vgl. § 273 BGB)

Notfalls gäbe es auch noch ein Zurückbehaltungsrecht aus dem Rechtsgedanken des § 273 BGB. Die Anwendbarkeit dieses Rechtsgedankens auf das öffentliche Recht ist genauso zu beurteilen wie § 320 BGB oben.

§ 273 unterscheidet sich von § 320 BGB dadurch, dass das Zurückbehaltungsrecht in viel weiteren Konstellationen anwendbar ist. Es ist kein gegenseitiger Vertrag notwendig, vielmehr genügt es, wenn man irgendeinen Gegenanspruch gegen den anderen hat; sofern man also die letzte Volte der Ausführungen zu § 320 nicht mitmachen und den Anwendungsbereich nicht über Verträge hianus erweitern will, landet man zumindest noch bei § 273 BGB.

Der Preis für diese weite Anwendbarkeit ist eine Einschränkung in den Rechtsfolgen: Das Zurückbehaltungsrecht muss ausdrücklich geltend gemacht werden und es kann durch Sicherheitsleistung abgewendet werden. Sofern man es geltend macht und die Rundfunkanstalt keine Sicherheitsleistung hinterlegen will, ist es aber mit dem Recht aus § 320 BGB sehr vergleichbar.

Aber hab ich denn überhaupt einen Anspruch gegen die Rundfunkanstalt? Hier stehen wir wieder vor der Problematik des Abgabenrechts, die eben kein Zivilrecht ist. Der Bürger erwirbt kein Recht auf eine Leistung, sondern ihm wird eine Nutzungsmöglichkeit eingeräumt. Der Bürger hat grundsätzlich kein einklagbares Recht darauf, dass die Nutzungsmöglichkeit überhaupt geschaffen wird. Aber wenn sie geschaffen wird und die Zahlungspflicht dafür gesetzlich festgelegt wird, dann muss die Möglichkeit auch gegeben sein. Der Staat muss sich an seiner Entscheidung, einen Abgabentatbestand zu schaffen, festhalten lassen.

Um nochmal zum obigen Abwasserleitungsbeispiel zu kommen: Der Staat muss keine Kanalisation anlegen. Aber wenn er es tut und dafür einen Beitrag erhebt, muss die Kanalisation auch bestehen. Und das ist nichts anderes als das, was wir aus dem Zivilrecht als Anspruch kennen.

Betrachten wir es noch auf der Ebene des Staatsvertrags: Diesem wird häufig vorgeworfen, er sei ein Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der Bürger. Das ist gewissermaßen richtig, es ist aber unschädlich, denn der Staat handelt laufend zu Lasten der Bürger, indem er ihnen durch Gesetz Pflichten auferlegt. Wenn diese Staatsverträge aber die Beitragszahlung als Pflicht der Bürger vorsehen, dann sehen sie doch logischerweise auch die Empfangsmöglichkeit als Recht der Bürger vor. Nur so ist das Gegenseitigkeitsverhältnis des Abgabenrechts gewahrt.

Entscheidende Frage: Erfüllung des Sendeauftrags

Nehmen wir nun also an, dass eine Nichterfüllung des Sendeauftrags durch die Sender tatsächlich die Zahlungspflicht kippt – aus welchem rechtlichen Gesichtspunkt auch immer. Dann bleibt immer noch die Frage, ob dies überhaupt der Fall ist.

  • Wirken die Rundfunkanstalten „als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung“? Was soll das überhaupt heißen und wann ist diesen Anforderung Genüge getan?
  • Was sind die „demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“ und wie erfüllt man sie?
  • Wann geben die Sender einen „umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen“?
  • Was sollen überhaupt die beiden letzten Sätze von § 11 Abs. 1 des Rundfunkstaatsvertrags („Sie haben Beiträge insbesondere zur Kultur anzubieten. Auch Unterhaltung soll einem öffentlich-rechtlichen Angebotsprofil entsprechen.“) aussagen?

Das alles wird im Zweifel ein Gericht zu klären haben. In den bisherigen Verfahren spielte es – soweit ersichtlich – noch keine Rolle. Spätestens dann, wenn ein Beitragspflichtiger diese Argumentation vorbringt, wird das aber notwendig werden.

Die Chancen sind, da darf man sich nichts vormachen, recht gering. Gerade, weil diese Fragen so schwer zu beantworten sind, wird man den Sendern wohl einen weiten Spielraum bei der Erfüllung ihrer Pflichten einräumen. Es wird sich auch kaum ein Richter den Schuh anziehen lassen, er würde durch seinen Urteilsspruch die angebliche Unabhängigkeit des Rundfunks torpedieren.

Zugleich wird man aber auch diese Unabhängigkeit nicht zu weit treiben dürfen. Sie bedeutet nur, dass der Staat und vor allem die Politik den Sendern nicht zu sehr dreinreden dürfen, was ihre Programmgestaltung betrifft – was freilich angesichts der Politikerdichte in den wichtigen Gremien und ihren vielfältigen Darstellungsmöglichkeiten in verschiedensten Formaten auch nicht so ganz ernst genommen wird. Bei der Erfüllung gesetzlicher Pflichten hat diese Unabhängigkeit aber keinen Platz. Denn ob einer Pflicht Genüge getan wird, darf nicht vom Gutdünken des Verplichteten selbst abhängen, sodnern muss stets gerichtlich voll inhaltlich überprüfbar sein.

Wenn man aus grundsätzlichen Motiven gegen den Rundfunkbeitrag ist, muss man überlegen, auch diesen Weg zu gehen. Denn die anderen Argumente wurden von den Gerichten (mit Ausnahme des wackeren LG Tübingen) fast stets zurückgewiesen.

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