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Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (II): Bewertung, Teil 1

Gestern wurde hier eine kurze Zusammenfassung des geplanten Gesetzes zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz) veröffentlicht. Heute wollen wir uns intensiver mit den einzelnen Vorschriften beschäftigen und erläutern, warum diese problematisch sind und das Gesetz daher in einer freiheitlichen Staatsordnung nichts verloren hat. Aufgrund des Umfangs wurde der Artikel in zwei Teile aufgeteilt, von denen der nächste morgen erst veröffentlicht wird.

Auswirkung auf viele Dienste

Das Gesetz wird nicht nur, was eigentlich der Sinn und Zweck ist, Inhalte auf Facebook, Twitter und Youtube betreffen. Wenngleich gerade diese Netzwerke, wohl aufgrund ihrer Popularität und Verbreitung, stets als Anlass dafür herangezogen wird, sind alle Plattformen, die ein Übermitteln oder Veröffentlichen von Inhalten erlauben, erfasst. Das dürfte damit – was das Justizministerium momentan noch bestreitet – auch für Messengerdienste und Bloganbieter gelten. Die Schwelle von zwei Millionen Anmeldungen aus Deutschland dürfte da schneller überschritten sein als man zunächst meint – es gibt bei all diesen Diensten zahllose „tote Accounts“, die irgendjemand irgendwann einmal angelegt und dann vergessen hat, die aber alle bei der Berechnung mitzählen. Auch Gaming-Plattformen könnten betroffen sein.

40 neue Arbeitsplätze im Bundesamt für Justiz

Das Bundesamt für Justiz kannten bisher wohl die wenigsten. Diese dem Bundesministerium für Justiz unterstehende Behörde ist unter anderem zuständig für kriminologische Forschung und Registertätigkeit. Dort sollen nun nach ersten Planungen 39,5 neue Stellen entstehen, die sich nur um die Durchsetzung dieses einen Gesetzes kümmern. Nun wird, dafür muss man kein Hellseher sein, das passieren, was immer passiert, wenn der Staat eine neue Behörde oder Abteilung schafft: Man muss seine eigene Existenzberechtigung begründen. Diese Stelle wird eine enorme Aktivität an den Tag legen, vielleicht sogar ein Eigenleben entwickeln.

Kosten: 4 Mio. für Steuerzahler, 28 Mio. für Wirtschaft

Insgesamt über 30 Mio. Euro soll das ganze vorläufig kosten, davon trägt der Staat aber nur einen relativ kleinen Anteil. Ob es dabei bleibt, muss man sehen. Klar ist aber schon jetzt: Weder „der Staat“ noch „die Wirtschaft“ werden diese Kosten schultern, sondern im Endeffekt die Menschen durch höhere Steuern bzw. höhere Werbepreise oder geringere Verdienstmöglichkeiten auf den Plattformen. Das Geld kommt übrigens zu den geschätzten 50 Mio. Euro hinzu, die die Netzwerke schon jetzt jedes Jahr für die kürzlich erfundene „Hasskriminalität“ ausgeben.

Kollision mit E-Commerce-Richtlinie

Art. 15 der E-Commerce-Richtlinie der EU sieht vor, dass es keine allgemeine Überwachungspflicht für Diensteanbieter bzgl. rechtswidriger Inhalte geben darf. Dem kommt der Gesetzentwurf aber zumindest nahe. Denn zum einen muss schon aufgrund relativ unpräziser Hinweise eine Prüfung vorgenommen werden. Zum anderen besteht ab der Entdeckung rechtswidriger Inhalte eine Pflicht, auch Kopien dieser Inhalte zu entfernen (§ 3 Abs. 2 Nr. 6) und die erneute Einstellung präventiv zu unterbinden (§ 3 Abs. 2 Nr. 7).

Vorratsdatenspeicherung light

Die eben erst gekippte Vorratsdatenspeicherung könnte nun eine erneute Auferstehung feiern: § 3 Abs. 2 Nr. 4 des Gesetzesentwurfs sieht eine unbegrenzte Speicherung des Inhalts zu Beweiszwecken vor. Damit ist es also dem Nutzer auch nicht möglich, den Inhalt selbst zu entfernen. Zusammen mit anderen gespeicherten Daten könnte daraus ein Aktivitätenprofil erstellt werden.

Schnellprüfung

Rechtswidrige Inhalte müssen innerhalb von sieben 7 Tagen, bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit auch innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. Das setzt eine ständig verfügbare Eingreiftruppe voraus, die sich im Auftrag des Staates zum Richter über die Rechtmäßigkeit macht.

Berücksichtigung der Meinungsfreiheit

Die Frage, ob ein Inhalt rechtswidrig ist, ist unter Berücksichtigung der Meinungsfreiheit zu treffen. Zwar kann prinzipiell jedes Gesetz die Meinungsfreiheit einschränken, allerdings muss trotzdem noch die Auswirkung dieses Grundrechts geprüft werden und eine entsprechende Auslegung der gesetzlichen Vorschriften erfolgen. Diese Prüfung ist aber äußerst komplex und endet in Prozessen oft erst beim Bundesverfassungsgericht, das dann nicht selten auch der Meinung der obersten Fachgerichte widerspricht. Und eine Prüfung auf diesem Qualitätsstandard wird nun irgendwelchen Mitarbeitern abverlangt?

Einflussnahme auf Meinungsbildung

Das Wesen der Meinungsbildung ist, dass sie die Auswahl aus verschiedenen Meinungen voraussetzt. Es gibt Meinungen, die man subjektiv teilt, und solche, die man ablehnt. Es gibt auch objektiv wertvolle und undurchdachte Meinungen. Und es gibt auch Meinungen, von denen man sich wünscht, man hätte sie nie gelesen. Aber als erwachsener Mensch muss man damit umgehen und der Einzelne muss die Möglichkeit haben, sich auch diese Meinungen zu Gemüte zu führen. Wenn sich der Staat anmaßt (kein Wortspiel), durch seine Handlanger Meinungen auszusortieren, dann beeinflusst das den freien Diskurs.

Der zweite Teil folgt morgen.

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