Als der Gründer des Versicherungsunternehmens ARAG, Heinrich Faßbender, verstarb, vermachte er seine Unternehmensanteile seinem Sohn Paul-Otto Faßbender. Seine Tochter sollte dafür einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bekommen und klagte diesen auch schließlich ein – und zwar im Jahr 1983. Nun ist das erstinstanzliche Urteil in dieser Sache gefallen.
Verfahren mehrfach jahrelang ausgesetzt
Eine 34-jährige Prozessdauer ist nicht nur ungewöhnlich, sondern geradezu besipiellos. Sie stellt das legendäre Sürmeli-Verfahren noch einmal deutlich in den Schatten. Indes lag die lange Dauer wohl nicht am Gericht, sondern an den Beteiligten, die immer mal wieder jahrelange Aussetzungen des Verfahrens beantragten, um die Sache doch noch außergerichtlich zu klären.
Hinzu kam noch, dass sich die Abfindung nach dem Unternehmenswert zur Zeit des Erbfalls bemessen sollte – der natürlich mit dem zeitlichen Abstand zum Stichtag immer schwerer festzustellen war.
Nachdem im Laufe der Zeit ein Anwalt und ein Gutachter starben – was natürlich wiederum zu Verzögerungen führte – ist das Gericht nun endlich zu einer Entscheidung gelangt. Demnach sind 3,5 Mio. Euro als Ausgleichsleistung zu zahlen. Das ist aber nur ein Bruchteil der ursprünglich eingeklagten 15 Mio., darum muss die insoweit siegreiche Klägerin auch 70 % der Prozesskosten tragen.
Was eine ganz interessante Frage aufwirft: Was kostet ein solches Verfahren überhaupt?
Kosten orientieren sich an Streitwert
Im deutschen Recht bestimmen sich die Prozesskosten im Wesentlichen nach dem Streitwert. Je mehr eingeklagt wird, desto teurer ist die ganze Sache. Hier lag der Streitwert, wie gesagt, bei 15 Mio. Euro. Für die bloße Dauer oder die Schwierigkeit des Prozesses wird dagegen kein Zuschlag erhoben. Nur die Anwälte können sich noch eine kleine Zusatzgebühr verdienen, wenn in mindestens drei separaten Terminen jeweils Zeugen oder Sachverständige vernommen werden.
Die Gerichtsgebühren bestimmen sich nach dem Gerichtskostengesetz (GKG). Diesem ist als Anlage eine recht praktische Gebührentabelle beigefügt, aus der man die Kosten schnell ablesen kann. Leider endet diese Tabelle aber einem Streitwert von 500.000 Euro, bei dem 1,0 Gerichtsgebühren (dabei bleibt es aber nicht) bereits 3536 Euro entsprechen.
Streitwerttabelle im Gesetz reicht nicht aus
Höhere Streitwerte werden zur Rechenaufgabe, denn gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 GKG fallen pro weitere 50.000 Euro zusätzlich 180 Euro an. Von 500.000 auf 15.000.000 Euro sind es 290 weitere Wertstufen zu 50.000 Euro. Der Zuschlag beträgt als 290 mal 180, somit 52.200 Euro. Diese kommen auf die bisherigen 3536 Euro oben drauf und ergeben damit 55.736 Euro.
Nun wurde das Verfahren aber nicht durch Vergleich, sondern durch Urteil abgeschlossen. Damit fällt die Gebühr nicht nur einmal, sondern gleich dreifach an. Die Kosten liegen dann schon bei 167.208 Euro.
Anwaltsgebühren wahrscheinlich deutlich höher
Dazu kommen dann noch die Anwaltsgebühren. Wir rechnen einmal nur mit den gesetzlichen Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). Es besteht aber durchaus eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich die beteiligten Anwälte nicht mit diesen Mindestsätzen zufrieden geben, sondern – angesichts des horrend langen Verfahrens und des immensen auch außergerichtlichen Aufwands – eine höhere Vergütung vereinbart wurde.
Das RVG liegt wertmäßig grundsätzlich über dem GKG. Es beginnt bei Minimalstreitwerten mit 45 Euro, das GKG mit 35. Bei 50.000 Euro Streitwert liegt das RVG gut doppelt so hoch wie das GKG (1163 ggü. 546 Euro). Später nähern sich beide Gebühren wieder an, ab 350.000 Euro überholt das GKG das RVG.
Mindestens eine halbe Million Euro Gesamtkosten
Die Berechnung funktioniert aber ganz ähnlich. Bis 500.000 Euro liegt die volle Rechtsanwaltsgebühr bei 3213 Euro, darüber gibt es 180 Euro pro weiteren 50.000 Euro Streitwert. Bei 15 Mio. liegt man so bei 46.713 Euro für den Anwalt. Für ein normales Gerichtsverfahren kann er 2,5 Gebühren ansetzen, inklusive Mehrwertsteuer zahlt der Mandant damit 138.971,17 Euro. Ach ja, und 20 Euro Auslagenpauschale natürlich noch.
Wenn man nun also Gerichtsgebühren und die Gebühren für beide Anwälte zusammenrechnet, liegt man bei rund 450.000 Euro. Hinzu kämen noch Zeugen- und (hier sicherlich erhebliche) Gutachterkosten. Insgesamt würde von den nun erstrittenen 3,5 Mio. Euro also doch noch das meiste überbleiben – falls die Anwälte tatsächlich für die RVG-Sätze gearbeitet haben.
Berufung bereits eingelegt
Wer nun Mitleid mit solch unterbezahlten Anwälten hat, kann beruhigt sein: Gegen das Urteil hat die Klägerin bereits Berufung zum Oberlandesgericht eingelegt. Dort fallen für die Advokaten statt 2,5 nun immerhin 2,8 Gebühren an, also noch einmal gut 10 % mehr als in der ersten Instanz. Derzeit lässt sich natürlich nicht absehen, wie die zweite Instanz entscheiden wird – und nach wie vielen Jahrzehnten.
Jura-Studenten in den Anfangssemestern tun jedenfalls gut daran, sich gleich einmal in den Streit einzuarbeiten. Dann kann man nach dem Start in das Berufsleben vielleicht den Fall übernehmen.