Nun wurde aber teilweise die Frage gestellt, ob der Bundestag in dieser Mini-Besetzung überhaupt einen gültigen Gesetzesbeschluss fassen konnte. Denn schließlich besagt § 45 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestags (BTGO):
§ 45 Feststellung der Beschlußfähigkeit
Folgen der Beschlußunfähigkeit(1) Der Bundestag ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
Und mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestags war ganz sicher nicht anwesend, sondern allenfalls ein Zehntel.
Das Problem ist aber Absatz 2 Satz 1 dieser Vorschrift:
(2) Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlußfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht oder wird die Beschlußfähigkeit vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlußfähigkeit durch Zählung der Stimmen nach § 51, im Laufe einer Kernzeit-Debatte im Verfahren nach § 52 festzustellen.
Die Beschlussfähigkeit wird also immer nur bei der Abstimmung festgestellt: Man zählt die abgegebenen Stimmen und wenn das nicht mindestens die Hälfte aller Abgeordneten ausmacht, wird die Sitzung vertagt.
Zu dieser Zählung kommt es aber nur, wenn die Beschlussfähigkeit zuvor bezweifelt wird. Dafür wiederum reicht ein einzelner Abgeordneter gar nicht aus. Das „Zweifelsrecht“ steht nur zu:
- einer Fraktion, sofern der Sitzungsvorstand den Zweifel nicht einstimmig zurückweist
- fünf Prozent der Bundestagsmitglieder, sofern der Sitzungsvorstand den Zweifel nicht einstimmig zurückweist
- dem Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen
Wenn die Beschlussfähigkeit also nicht in dieser Form mit diesen hohen Hürden bezweifelt wird, wird sie unwiderlegbar vermutet. Das gilt auch dann, wenn völlig klar ist, dass das niemals mehr als 300 Personen waren. Man möchte fast sagen: Die Wahrheit ist im Bundestag kein Argument.
Dementsprechend war der Bundestag also beschlussfähig, auch wenn nur ca. 10 % seiner Mitglieder abgestimmt haben. Man kann sich aber sicher sein, dass auch die übrigen 90 % im Herbst wieder der Meinung sein werden, dass die Stimmabgabe bei den Bundestagswahlen Bürgerpflicht sei.