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Werbung auf dem Aktendeckel

Wenn man als Angeklagter vor Gericht steht, will man sich ungern mit vollem Namen und Photo in der Lokalpresse wiederfinden. Zumindest in medial interessanten Prozessen klicken vor Verhandlungbeginn aber gern mal die Kameras. Gemeinhin bekommt man einen netten Tarnnamen zugedacht und das Bild wird verpixelt oder mit einem schwarzen Balken unkenntlich gemacht. Wer der Journaille nicht traut, hält sich daher sicherheitshalber irgendetwas vor das Gericht.

Als Verteidiger gibt man dem Mandanten dafür normalerweise einen Aktenhefter, der das Antlitz recht effektiv verbirgt. In letzter Zeit haben nun einige Kollegen die Idee entwickelt, diese Aktenhefter gut sichtbar mit dem Namen der Kanzlei zu beschriften, um sich bekannt zu machen.

Ein aktuelles Beispiel findet sich z.B. hier: https://www.lto.de//recht/juristen/b/strafverteidiger-aktendeckel-kladde-foto-mandant-werbung/ Hierzu ist bereits eine Diskussion entbrannt, ob das nun berufsrechtlich angreifbar ist – dazu will ich mich mangels Spezialisierung nicht äußern. Ich halte davon aber aus praktischen Erwägungen nicht viel:

Hat man es nötig?

Zum einen wirkt anwaltliche Werbung in dieser Form für mich immer ein bisschen wie „Der hat’s nötig“. Natürlich, auch Rechtsanwälte machen Werbung; die Zeiten, in denen uns das komplett untersagt war, sind lange vorbei. Ich unterhalte eine größere Zahl von Internetseiten nicht nur, weil ich den Menschen die Juristerei nahebringen will, sondern auch, weil das eine ganz maßgebliche Quelle für Mandate ist. Aber es ist ein Unterschied, ob man nun sich und seine Arbeit darstellt oder ob man quasi eine juristische Photo Bomb konstruiert.

Professionelle Distanz

Ein Weiteres kommt dazu: Als Strafverteidiger tut man ganz einfach seine Arbeit. Man verhilft einer Person, die eine Straftat begangen haben könnte, zu ihrem Recht. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Angeklagte der beste Freund des Anwalts ist oder der Anwalt die Tat (wenn sie denn begangen wurde) gar billigt. Es ist so schon schwer genug, dies der Öffentlichkeit klarzumachen. Wenn ich nun aber auch noch den Angeklagten als meine Werbefigur benutze, dann verlasse ich meiner Ansicht nach den objektiven Bereich. Ich mache mich mit dem Mandanten gemein, ich instrumentalisiere ihn. Das ist mit der professionellen Distanz, die gerade für eine glaubwürdige Verteidigung notwendig ist, kaum zu vereinbaren.

Verwechslung

Und schließlich sehe ich auch noch eine andere Gefahr: Ich will die Menschen ja nicht für allzu dumm halten, aber den einen oder anderen mag es sicher geben, der dann vielleicht meint, das hinter der Akte wäre ich. Schließlich steht da ja mein Name, also bin ich wahrscheinlich der Mörder, Vergewaltiger oder Räuber, der hier schamhaft sein Gesicht verbirgt.

Keine gute Werbung

Es ist aber auch nicht unbedingt eine gute Werbung für mich, wenn ein Angeklagter, nicht selten noch mit Handschellen, mein Schild hochhält. Natürlich ist es meist nicht die Schuld des Anwalts, dass der Mandant in Untersuchungshaft oder überhaupt vor Gericht sitzt. Aber kann das der normale Zeitungsleser unbedingt so trennen? Oder sagt er sich vielleicht „Wenn ich den Hummel als Anwalt nehme, wird bald auch von mir so ein Bild gemacht“? Da gibt es sicher sympathischere und positivere Situationen, mit denen ich mich identifizieren können will.

Ein Kollege, der das so durchführen will, sollte jedes Recht der Welt dazu haben. Aber für mich ist es nichts.

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