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Das Bundesverpetzungsgericht hat gesprochen

Ob eine Corona-Impfpflicht zulässig ist, kann aktuell noch niemand endgültig beurteilen.
Eine Impfpflicht gegen das Corona-Virus steht bereits am politischen und juristischen Horizont. Noch weiß niemand, ob eine solche überhaupt eingeführt wird, wie sie dann geregelt wird und ob sie in dieser Form verfassungskonform wäre. Verschiedene Verfassungsrechtler und andere Experten haben sich dazu geäußert, praktisch alle sehr zurückhaltend und abwägend. Denn die endgültige Entscheidung wird, das ist allen klar, bei den Verfassungs-, möglicherweise auch bei den Verwaltungsgerichten liegen.

Solche Überlegungen braucht es nun aber glücklicherweise nicht mehr, denn eine Internetplattform hat bereits ein endgültiges Urteil gesprochen und damit alle Zweifel beseitigt. Die „Volksverpetzer“, bisher eine Art PR-Agentur für Annalena Baerbock im Kampf gegen die Verschwörung durch Wirtschaftsradikale, Plagiatspedanten und rechte Medien, verkünden in Lettern, die sogar die Bild-Zeitung vor Neid erblassen lassen:

IMPFPFLICHT RECHTLICH MÖGLICH

IMPFPFLICHT VERSTÖSST NICHT GEGEN DAS GRUNDGESETZ – ANWALT JUN WIDERLEGT AUSREDE

„Anwalt Jun“ ist der Kollege Chan-jo Jun, der eigentlich im IT- und Wirtschaftsrecht tätig ist, aber anscheinend mittlerweile zu einer obersten Instanz im Verfassungsrecht avanciert ist. Zuletzt erregte er ein gewisses Aufsehen in der juristischen Fachwelt, als er ernsthaft empfahl, Ärzte mittels der Androhung einer Schadenersatzklage zu einer Booster-Impfung zu motivieren.

In einem Video erklärt er, juristisch durchaus nachvollziehbar und relativ seriös, die Dogmatik eines Grundrechtseingriffs. Anschließend legt er seine Meinung dar, warum er eine Impfpflicht unter gewissen Voraussetzungen für verfassungskonform hält. Diese Ansicht ist mit Sicherheit vertretbar und ich schließe nicht aus, dass das Bundesverfassungsgericht (oder welches Gericht dann zuständig sein wird) das ähnlich sehen wird. Vielleicht wird die Rechtsprechung das aber auch anders beurteilen. Insoweit beansprucht der Kollege auch gar nicht, im alleinigen Besitz der Wahrheit zu sein, sondern betont, dass es lediglich seine Ansicht ist.

Diesen Anspruch kann aktuell auch niemand erheben. Denn es gibt bisher keine konkrete Corona-Impfpflicht, die man verfassungsrechtlich überprüfen könnte, und allgemein gerade einmal drei obergerichtliche Entscheidungen zu Impfpflichten:

  • Bundesgerichtshof, Gutachten vom 25.01.1952, Az. VRG 5/51: Die Impfung gegen Pocken stellt einen verhältnismäßig geringen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Demgegenüber stand die Gefahr der damals noch in einigen Regionen verbreiteten Pockenepidemien, sodass das Virus auch in die Bundesrepublik hätte eingeschleppt werden können. Ernsthafte Impfnebenwirkungen wurden dagegen als selten angesehen. Der Impfzwang sei deswegen zumutbar.
  • Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.07.1959, Az. I C 170/56: Hier wollte der Kläger die Impfung seiner Tochter erzwingen. Weil eine Impfpflicht bestand, war er der Meinung, dass daraus umgekehrt auch ein Recht auf Impfung folgt. Das BVerwG hatte daher zunächst zu prüfen, ob die Impfpflicht verfassungskonform ist. Dies wurde mit den Argumenten des Bundesgerichtshofs bejaht. Die Absicht der Pandemiebekämpfung sei nachvollziehbar, eine Impfpflicht dafür sei jedenfalls nicht unangemessen.
  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11.05.2020, Az. 1 BvR 469/20, 1 BvR 470/20: In diesem Fall ging es um einen Eilantrag gegen die neu eingeführte Masen-Impfpflicht für Kinder in Betreuungseinrichtungen. Das BVerfG lehnte eine Eilentscheidung ab. Denn die Frage, ob diese Impfpflicht verfassungskonform ist, sei noch offen und müsse dann im eigentlichen Hauptverfahren geklärt werden. Bis dahin entstehe kein schwer wiegender Nachteil, wenn sich die Eltern um eine andere Form der Kinderbetreuung kümmern müssen.

In keinem dieser Urteile wurde also der Fall entschieden, dass sich jemand gegen eine gesetzliche Impfpflicht gewandt hat und diese vom Gericht inhaltlich überprüft wurde. Vor allem das Bundesverfassungsgericht hat lediglich eine Folgenabwägung getroffen und zur eigentlichen Urteilsfrage nur ausgeführt: „Die Verfassungsbeschwerde ist zumindest nicht von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Dies bedarf einer eingehenden Prüfung, die im Rahmen eines Eilverfahrens nicht möglich ist.“

Eine eingehende Prüfung brauchen die Volksverpetzer freilich nicht. Denn sie wissen natürlich gleich, was Sache und was Recht ist. Die Impfpflicht ist rechtlich möglich und alle Ausreden (vulgo: Gegenargumente) sind widerlegt. Punkt. Amen. Aus.

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