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Die Prüfung von Verfahrenshindernissen in der strafrechtlichen Revision

Am Anfang jeder zulässigen Revision prüft das Revisionsgericht, ob die Verfahrensvoraussetzungen für den Strafprozess der Vorinstanz (erste Instanz beim Landgericht oder erste Instanz beim Amtsgericht und Berufungsinstanz beim Landgericht) vorlagen. Dies geschieht auch ohne expliziten Antrag des Beschwerdeführers, wobei es dem Anwalt natürlich unbenommen bleibt, hierzu Ausführungen zu machen, damit das Gericht nichts übersieht.

Es gibt im Wesentlichen folgende Verfahrensvoraussetzungen bzw. -hindernisse:

1. Sachliche Gerichtszuständigkeit

Es muss das sachlich richtige Gericht entschieden haben. Dabei stellt sich nur die Frage, ob der Strafrichter, das Schöffengericht oder die Strafkammer (sowie in absolut seltenen Ausnahmefällen das Oberlandesgericht) zuständig war. In aller Regel ist es dabei sogar unschädlich, wenn versehentlich ein zu hohes Gericht anstelle eines rangniedrigeren entschieden hat.

Die örtliche Zuständigkeit (also z.B. Amtsgericht München oder Amtsgericht Berlin?) und die funktionelle Zuständigkeit (normale Strafkammer, Wirtschaftsstrafkammer oder Schwurgericht?) sind hier nicht relevant.

Kommt das Revisionsgericht zu dem Schluss, dass das sachlich falsche Gericht entschieden hat, hebt es das Urteil auf und verweist die Sache zurück an das nunmehr richtige Gericht.

2. Entgegenstehende Rechtshängigkeit

Jede prozessuale Tat kann nur von einem Gericht und in einem Verfahren beurteilt werden. Ist wegen derselben Sache bereits ein anderes Verfahren anhängig, so muss das neue Verfahren eingestellt werden.

3. Strafklageverbrauch

Jeder Mensch darf wegen jeder Tat nur einmal bestraft werden. Danach ist die Strafklage „verbraucht“, also die Sache aus strafrechtlicher Sicht erledigt. Dies bedeutet nach völlig herrschender Meinung aber auch, dass es stets nur ein einziges rechtskräftiges Urteil in der Sache geben darf, auch, wenn dieses nicht auf Strafausspruch lautete. So führen auch ein Freispruch und unter gewissen Umständen die Einstellung des Verfahrens einen Strafklageverbrauch herbei.

Das Revisionsgericht muss prüfen, ob ein Strafklageverbrauch vorliegt, und ggf. das Verfahren einstellen.

4. Fehlen eines Strafantrags

Manche Straftaten (z.B. Beleidigung) werden nur verfolgt, wenn der Geschädigte dies ausdrücklich beantragt. Liegt kein rechtzeitiger und formgerechter Strafantrag vor, so muss das Verfahren eingestellt werden. Ist dies nicht erfolgt, so muss das Revisionsgericht das Verfahren selbst einstellen.

5. Verjährung

Die Verfolgungsverjährung schließt nach Ablauf einer gewissen Zeit aus, dass eine Straftat noch verfolgt wird. Wurde das Vorliegen des Verfolgungsverjährung übersehen, hat das Revisionsgericht das Urteil aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

6. Fehlen einer Anklage

Das Gericht kann den Angeklagten nur wegen der angeklagten prozessualen Tat verurteilen, nicht wegen einer anderen.

Kommen die Richter zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfene Handlung begangen hat, kann es deswegen stets verurteilen – auch, wenn bspw. die Anklage auf Raub lautete, die Verurteilung aber nur wegen Erpressung erfolgt. Handelt es sich dagegen um einen ganz anderen Sachverhalt (z.B. Körperverletzung gegen A am 15.1. in München statt Körperverletzung gegen B am 23.1. in Nürnberg), kann eine Verurteilung deswegen nicht erfolgen, es braucht vielmehr erst eine neue Anklage in dieser Sache. Eine Verurteilung ohne eine solche Anklage stellt einen Rechtsfehler dar, der zur Aufhebung des Urteils führen muss.

Dasselbe gilt, wenn die Anklage unwirksam ist. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn aus der Anklageschrift, einschließlich des Ermittlungsergebnisses, nicht klar wird, welche prozessuale Tat nun angeklagt werden soll. Denn die Anklage muss den abzuhandelnden Prozessstoff genau beschreiben („Umgrenzungsfunktion“).

7. Fehlen des Eröffnungsbeschlusses

Hat das Gericht die Anklage nicht formell ordnungsgemäß zugelassen und damit die Eröffnung des Verfahrens beschlossen, liegt darin ein Verfahrenshindernis. Wurde der Beschluss lediglich vergessen, kann er noch während der Hauptverhandlung der ersten Instanz nachgeholt werden. Ist die Anklage unwirksam, so ist zudem auch der darauf bezogene Eröffnungsbeschluss unwirksam.

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