Gesetze und Gesetzmäßigkeiten

Diesen Beitrag eröffne ich mich einem Bonmot meines früheren Mathematiklehrers Janos Blazi:

Diese Folgenaufgaben finde ich *geil*. Z.B. „Setze die folgende Folge fort: 1,22,333,4444,…“

Meine Lösung ist meistens „1,22,333,4444,0,0,0,0,0,…“ und wenn jemand beklagt, das sei nicht richtig, sage ich mit einem möglichst einfältigen Gesichtsausdruck: „Habe ich sie nicht fortgesetzt?“

Das herrlich Geile an der Sache ist, daß die Leute dann versuchen, ihre Fragestellung zu präzisieren, was natürlich nicht geht. Und dann sagen sie zum Schluß etwas Kluges wie „Sie wissen schon, was ich meine…“.

Jura und Mathematik sind manchmal verschiedene Welten.
Jura und Mathematik sind manchmal verschiedene Welten.
Herr Blazi hat damit ein quasi alltägliches Prinzip, nicht nur aus der Mathematik, ad absurdum geführt: Man kann einen Sachverhalt natürlich in einer Weise umschreiben, dass er von einem informierten und wohlmeinenden Adressaten verstanden wird. Eine Gesetzmäßigkeit erschließt sich meist relativ schnell, weil man eben davon ausgeht, dass man die Absicht des Aufgabenstellers sehr leicht hinterschauen kann. Man kann sich aber auch (künstlich oder mangels besserer Einsicht) dumm stellen. „Gesetze und Gesetzmäßigkeiten“ weiterlesen

SWR: „Albtraum Ferienlager?“

Albtraum Ferienlager? Der SWR hat sich an einer Reportage versucht.
Albtraum Ferienlager? Der SWR hat sich an einer Reportage versucht.
Unter dem schon recht unverhohlenen Titel „Albtraum Ferienlager?“ berichtet das SWR über die angeblichen Zustände bei Kinder- und Jugendreisen. Der Beitrag ist (zumindest derzeit) in der Mediathek abrufbar: https://www.ardmediathek.de/video/vollbild-recherchen-die-mehr-zeigen/albtraum-ferienlager/swr/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzIwOTU1NDQ

Der Untertitel legt dann das Fragezeichen, das im Titel noch eine offene Perspektive suggeriert, endgültig ab:

Anbieter von Kinder- und Jugendreisen versprechen Abenteuer im Sommer: Zelten ohne Eltern im Ausland oder Urlaub auf dem Bauernhof. Ein verlockendes Angebot für wenig Geld. Doch unsere Undercover-Recherche offenbart Schattenseiten von Feriencamps: Ungeschultes Personal, Alkoholmissbrauch und sexuelle Übergriffe auf Minderjährige.

Da dies auch in den juristischen Bereich geht, habe ich mich damit näher auseinandergesetzt:

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Die Messlatte für Verfassungsbeschwerden

Ich erhalte häufig Anfragen von Bürgern zum Verfassungsrecht, weil mich diese eben bei Google zum Thema Verfassungsbeschwerden finden. Ich bemühe mich stets, diese in angemessener Weise zu beantworten, auch wenn daraus natürlich meist keine bezahlten Mandate werden.

Vor ein paar Tagen habe ich nun eine längere Schilderung bekommen, die in folgende Kernfrage mündete:

Wenn jeder Bürger eine Verfassungsbeschwerde einreichen kann, warum ist dann die Messlatte so hoch?

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Beamte in die Rentenversicherung?

Wer ist eigentlich dafür das Beamte auch in Renten Kassen einzahlen sollen,bin Mal gespannt wer es teilt.

So oder so ähnlich, jedenfalls meist ähnlich elegant formuliert, werden in Sozialen Medien gerne Forderung aufgestellt, dass auch Beamte in die Rentenversicherung einzahlen sollen. Auch in der Politik und von Verbänden wird diese Forderung bisweilen vertreten. Was ist nun rechtlich davon zu halten?

Eines vorweg: Rechtlich wäre der Staat sicher nicht daran gehindert, die Altersversorgung der Beamten an die Rentenkassen anzugliedern.

Er hat sich nur bisher anders entschieden. Dies wiederum ist auf die historischen Wurzeln des Beamtentums zurückzuführen. Dem liegt die archaische Vorstellung zugrunde, dass jedes Staatsamt ein Ehrenamt ist, das nicht entlohnt wird. Weil man von einem Ehrenamt so schlecht leben kann, sorgt der Staat im Gegenzug für den Lebensunterhalt der Beamten. Das ist aber kein Lohn für ihre Tätigkeit, sondern quasi eine Unterstützung, damit sie nicht verhungern. „Beamte in die Rentenversicherung?“ weiterlesen

Der befreiende erste Entwurf

Der Weg bis zum ersten Entwurf ist oft weit.
Der Weg bis zum ersten Entwurf ist oft weit.
Ich bin bekanntlich hauptsächlich im Bereich der Verfassungsbeschwerde, häufig der EMRK-Beschwerden, gelegentlich auch bei Gnadengesuchen und Wiederaufnahmeanträgen tätig. Diese allesamt außergewöhnlicheren Anträge haben alle eines gemeinsam: Die Schriftsätze sind sehr lang.

Das wiederum führt dazu, dass es völlig unmöglich ist, diese Schriftsätze in einem Durchgang von oben bis unten runterzuschreiben. Das Schreiben ist ein längerer Prozess, der einige Stunden meist über mehrere Tage in Anspruch nimmt. Der Schriftsatz durchläuft mehrere Stadien und die finale Version hat mit dem ersten Entwurf oft wenig zu tun.

Trotzdem oder gerade deswegen hat der erste Entwurf für mich immer eine befreiende Wirkung.

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Wenn der Richter nicht unterschreibt

Haben Richter etwas davon, wenn sie nicht unterschreiben?
Haben Richter etwas davon, wenn sie nicht unterschreiben?
Ich habe hier schon diverse Male die Theorien thematisiert, dass Richter ihre Entscheidungen des Öfteren oder gar regelmäßig nicht unterschreiben würden und habe auch Bilder von Original-Urteilen gezeigt.

Eine Theorie dazu ist, Richter würden ihre Entscheidungen deswegen nicht unterschreiben, weil sie dann keine Verantwortung für die Entscheidungen übernehmen müssten. Sie könnten quasi so tun als hätten sie den Beschluss oder das Urteil, auf dem ihr Namen aber keine Unterschrift steht, nie gesehen und jedenfalls nicht erlassen.

Ich stelle mir gerade die Aussage des Richters im Ernstfall vor:

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Generalstreik unzulässig?

Bauernproteste vor dem Reichstag? Das sind die Pläne für den 8. Januar.
Bauernproteste vor dem Reichstag? Das sind die Pläne für den 8. Januar.
Für den 08.01.2024 werden Proteste vor allem von Landwirten, aber auch von einigen anderen Berufsgruppen und sonstigen unzufriedenen Bürgern angekündigt. In diesem Zusammenhang wird immer häufiger verlautbart, ein solcher „Generalstreik“ gegen bestimmte politische Entscheidungen sei unzulässig. Möglicherweise müssten sich die Veranstalter und die Beteiligten dafür auch juristisch verantworten. Diese Frage soll hier einmal in aller Kürze beleuchtet werden.

Streikrecht im Grundgesetz

Das Streikrecht ist im Grundgesetz ausdrücklich festgelegt. Artikel 9 Absatz 3 GG regelt es als Unterfall der Vereinigungsfreiheit:

Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.

Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

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Whataboutism im Recht

Eines meiner Lieblingsworte im aktuellen Bullshit-Bingo ist „Whataboutism“, gerne auch halbverdeutscht als „Whataboutismus“. Wer dieses Wort benutzt, will anprangern, dass man auf einen Kritikpunkt dadurch antwortet, dass es ja ebenso andere Kritikpunkte in anderer Hinsicht gäbe. Frei übersetzt bedeutet es soviel wie „Wirf mir meine Inkonsequenz bloß nicht vor, darauf bin ich nämlich stolz“.

Das Recht ist voll von Whataboutism. Bei jeder Regelung, die der Gesetzgeber einführt, muss er sich fragen, wie diese in das Gesamtsystem des Rechts passt. „Wenn ich nun X anordne, was ist dann mit Y?“ ist eine Grundfrage des Rechtsstaats. Die Gleichberechtigung in Art. 3 GG verlangt vom Staat, wesentlich gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln.

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