12-Jähriger nach Schulhofschlägerei im Koma

ambulance-257322_1280Für Fassungslosigkeit hat eine Tat an einer Gesamtschule in Euskirchen gesorgt: Ein 12-jähriger Schüler hat einen Gleichaltrigen derart zusammengeschlagen, dass dieser ins Koma fiel. Auslöser für die Gewalttat soll eine Auseinandersetzung um Sammelkarten gewesen sein. Sehr schnell wurden Fragen laut, wie mit dieser Tat juristisch umzugehen ist:

Kann der Täter strafrechtlich verurteilt werden?

Nein. Personen unter 14 Jahren sind gemäß § 19 StGB immer schuldunfähig, unabhängig von ihrer persönlichen Reife und Einsichtsfähigkeit. Damit ist ein Strafverfahren unmöglich.

Möglich sind aber gerichtliche Maßnahmen gegen die Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB, wobei dies keine Strafmaßnahmens gegen das gewalttätige Kind sind, sondern vielmehr die Erziehung unterstützt werden soll.

Muss der Täter wenigstens Schadenersatz oder Schmerzensgeld zahlen?

Höchstwahrscheinlich ja.

Zivilrechtlich kommt es nicht auf die Strafmündigkeitsgrenze an. § 828 BGB sieht stattdessen vor, dass Kinder unter sieben (im Straßenverkehr unter zehn) Jahren für Schäden nicht verantwortlich sind (Abs. 1 und 2). Ältere Minderjährige sind dann schadenersatzpflichtig, wenn sie „die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht“ besitzen (Abs. 3).

Man kann wohl davon ausgehen, dass ein Zwölfjähriger weiß, dass er einen Mitschüler nicht einfach verprügeln darf.

Für Körperverletzung ist neben dem Schadenersatz auch Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB) zu zahlen.

Kann man ein Kind einfach so verklagen?

Ja, jeder Mensch ist ab der Geburt vor einem Zivilgericht parteifähig (§ 50 Abs. 1 ZPO, § 1 BGB). Vor Gericht wird das Kind, wie auch überall sonst, durch die Eltern vertreten (§ 51 Abs. 1 ZPO, § 1629 Abs. 1 BGB).

Kann man ein Urteil gegen Kind überhaupt umsetzen?

Das Risiko, dass einem das Gericht einen Anspruch gegen jemanden bescheinigt, man die Summe aber nicht eintreiben kann, besteht natürlich immer, auch bei Volljährigen. Ob der Schuldner ein Kind oder ein Erwachsener ist, spielt aber keine Rolle.

Hat das Kind ein Sparbuch oder eine Spielkonsole, kann man hierauf durchaus zugreifen. Ist das Kind mittellos oder reichen diese Vermögenswerte nicht aus, kann man das Urteil aufbewahren und erst dann (weiter) vollstrecken, wenn es erfolgversprechend ist.

Der Täter wird also unter Umständen noch jahrelang den pfändbaren Anteil seines Gehalts abgeben müssen.

Verjährt der Anspruch nicht irgendwann?

Faktisch nicht.

Sobald der Anspruch rechtskräftig, also durch Urteil, festgestellt ist, verjährt er an sich nach 30 Jahren (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Die Verjährung beginnt aber jedesmal von Neuem, wenn ein Antrag auf eine Vollstreckungshandlung gestellt wird (§ 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Insofern läuft einem der einmal titulierte Anspruch also nicht mehr weg, auch wenn man einige Zeit warten muss, bis beim Schädiger etwas zu holen ist.

Gab es nicht so eine Regelung, dass man mit 18 automatisch schuldenfrei wird?

§ 1629a BGB sieht vor, dass Kinder bei Eintritt der Volljährigkeit nicht mehr durch Schulden belastet sein sollen, die ihre Eltern in ihrem Namen begründet haben. Dadurch soll die Privatautonomie und die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Kinder geschützt werden.

Aber es gilt eben nur für Verträge, die durch die Eltern abgeschlossen wurden. Verpflichtungen, die sie selbst durch Fehlverhalten herbeigeführt haben, sind hiervon nicht betroffen.

Haften die Eltern nicht?

Nein, Eltern haften nicht für ihre Kinder, sondern nur für eigene Pflichtverletzungen, z.B. solche der Aufsichtspflicht. Da die Tat aber in der Schule stattgefunden hat, kann man den Eltern eine solche schwerlich vorwerfen.

Haften die Lehrer nicht?

Auch Lehrer und Schule haben grundsätzlich eine Aufsichtspflicht über die Schüler. Nach den Medienberichten haben die aufsichtführenden Lehrer aber nichts von der Schlägerei mitbekommen. Ob dies auf Nachlässigkeit beruht, kann man derzeit natürlich noch nicht entscheiden.

Aber allgemein muss man sagen, dass die Anforderungen an schulische Aufsichtspflichten nicht allzu hoch sind. Die Gerichte gehen – durchaus lebensnah – davon aus, dass Lehrer nicht überall gleichzeitig sein können und Schüler daher häufig ohne direkte Kontrolle sind, ohne dass die den Lehrkräften anzulasten wäre. Die Chancen stehen hier also eher schlecht.

LG Tübingen (5 T 232 / 16) – wie geht’s weiter?

scale-310471_1280Nachdem der GEZ-Beschluss des Tübinger Landgerichts vom 16.09.2016 (Az. 5 T 232/16) für Furore gesagt, stellt sich nun für viele Rundfunkbeitragspflichtige die Frage, was das Urteil für sie selbst bedeutet. Einige der häufigsten Fragen dazu wollen wir hier beantworten.

Kann man bereits jetzt sagen, welche Bedeutung der Beschluss haben wird?

Nein. Alle Bewertungen dazu – auch die, die sie gerade lesen – sind im Wesentlichen Spekulationen. Wir haben bisher den Beschluss vorliegen, viele Juristen haben ihn bereits gelesen und kompetent analysiert, aber noch niemand kann hundertprozentig sagen, was die weitere Praxis daraus machen wird.

Was hat das LG Tübingen denn genau gesagt?

Im Wesentlichen wurde dem Südwestrundfunk die Behördeneigenschaft abgesprochen, da dieser als Betreiber von Radio- und Fernsehprogramm wirtschaftlich tätig und damit ein Privatunternehmen sei. Dies hat bestimmte Folgen für die Art und Weise, wie der SWR seine Forderungen vollstrecken muss, sodass die vom Gericht zu prüfende Vollstreckung als unrechtmäßig beurteilt wurde.

Wie geht es in dieser Sache weiter?

Das Tübinger Landgericht hat die Rechtsbeschwerde (eine Art Revision) zum Bundesgerichtshof zugelassen. Man kann mit absoluter Sicherheit davon ausgehen, dass der SWR dies nutzen und die Entscheidung nicht rechtskräftig werden lässt.

Wie der BGH entscheidet, kann man freilich nicht vorhersagen. Allerdings er bisher alle Urteile, mit denen das LG Tübingen die GEZ geärgert hat, in letzter Instanz kassiert.

Gilt das Tübinger Urteil nun bundesweit?

Jedes Urteil gilt grundsätzlich nur inter pares, also zwischen den Parteien, die vor Gericht standen. Allerdings kann man davon ausgehen, dass die fünfte Tübinger Zivilkammer bei einer ähnlichen Konstellation wieder zu einem ähnlichen Urteil kommen würde.

Andere Landgerichte sind aber an das Urteil nicht gebunden. Es gibt in Deutschland derzeit 115 Landgerichte, von denen 114 anderer Ansicht als das LG Tübingen sind. Überall dort wird man mit dieser Argumentation wenig Erfolg haben – wobei freilich nicht völlig auszuschließen ist, dass sich der eine oder andere Richter der Tübinger Ansicht noch anschließen wird.

Wann ist das LG Tübingen für mich zuständig?

Das Landgericht Tübingen ist Beschwerdeinstanz für alle Amtsgerichte seines Bezirks (§ 72 Abs. 1 GVG), dies sind die AG Bad Urach, Calw, Münsingen, Nagold, Reutlingen, Rottenburg und Tübingen. Damit ist es zuständig für alle Vollstreckungssachen in den baden-württemberger Landkreisen Calw, Reutlingen und Tübingen.

Muss die Rundfunkanstalt nicht erst mit mir einen Vertrag schließen, bevor sie als Privatunternehmen Rechnungen verschicken darf?

Nein, sogar, wenn man die Anstalten als Unternehmen begreift, wären sie immer noch beliehene Unternehmen, die ihre Tätigkeit aufgrund der Ermächtigungen in den Rundfunkstaatsverträgen ausüben würden. Ihre Ansprüche bestimmen sich auch dann aus der gesetzlichen Zahlungspflicht gemäß Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, nicht aus einem privatrechtlichen Schuldverhältnis. Der Staat hat beschlossen, dass man zahlen muss – und dann ist es egal, ob der Anspruchsinhaber eine Behörde oder ein Unternehmen ist.

Muss ich also immer noch Rundfunkbeitrag bezahlen?

Ja, daran hat das Gericht ausdrücklich keinen Zweifel gelassen (Abschnitt VII.):

Der Schuldner wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung auf vollstreckungsrechtlichen Gründen beruht und die materiellrechtliche Beitragspflicht – entsprechend ständiger verfassungs- und verwaltungsrichterlicher Rechtsprechung – davon nicht berührt wird.

Die Durchsetzung der Forderung wäre aber durch diesen Beschluss (soweit das dann zuständige Gericht ihm folgt, siehe oben) etwas erschwert.

Ist die GEZ nun am Ende?

Nein, das kann man so nicht sagen. Sogar, wenn sich die Tübinger Auffassung durchsetzen sollte, müsste der „Beitragsservice“ seine Forderungen dann eben anders titulieren, nämlich so wie jedes Unternehmen und jede Privatperson auch. Konkret müsste jeder Nichtzahler zunächst auf dem Zivilrechtsweg verklagt werden und dann aus dem Urteil vollstreckt werden. Zunächst könnte auch die einfachere Methode gewählt werden, einen Mahnbescheid zu beantragen und dann aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts zu vollstrecken.

Im Übrigen kann man davon ausgehen, dass die Politik, die mit überwältigender Mehrheit hinter dem Staatsrundfunk steht, alles Notwendige tun wird, um die Vollstreckbarkeit der Beiträge sicherzustellen. Im Extremfall werden eben die Staatsverträge dazu geändert.

Wie soll ich jetzt vorgehen?

Die Alternative ist die gleiche, wie zuvor auch: Zahlen oder nicht.

Man muss sich natürlich im Klaren sein, dass sich an der materiellen Zahlungspflicht nichts ändert. Der Rundfunkbeitrag muss gezahlt werden, ansonsten laufen Schulden auf. Zudem begeht man durch das Nichtzahlen eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 12 Rundfunkstaatsvertrag, die jedoch regelmäßig nicht verfolgt wird.

Sofern man sich bereits im Vollstreckungsverfahren befindet, kann man selbstverständlich auf das Tübinger Urteil verweisen. Ob die Vollstreckungsorgane dieses als für sich relevant ansehen, ist eine andere Frage – die Entscheidung gilt ja, wie oben beschrieben, nur zwischen den Parteien.

Neues vom LG Tübingen

Das Tübinger Landgericht hat sich wieder einmal mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk angelegt und dem SWR die Vollstreckung des Rundfunkbeitrags untersagt. In der lesenswerten Entscheidung (LG Tübingen, Beschluss vom 16.09.2016, 5 T 232 / 16) bezweifelt die fünfte Zivilkammer mittlerweile sogar, dass es sich beim Südwestrundfunk überhaupt um eine Behörde handelt – als Fernsehbetreiber sei er vielmehr unternehmerisch tätig. Das letzte Wort hat wieder einmal der Bundesgerichtshof und der hat sich der bürgerfreundlichen und staatskritischen Sichtweise der Tübinger Richter bisher nicht angeschlossen.

Tochter für sexuellen Missbrauch betäubt – Bewährungsstrafe

Das Landshuter Landgericht hat eine Mutter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt, weil sie ihrem Freund ihre Tochter in den Jahren 2006 und 2007 für sexuellen Missbrauch „zur Verfügung gestellt“ hat. Konkret hatte sie die damals Sechs- bis Siebenjährige auch mit Baldrian betäubt und war sogar damit einverstanden, dass ihr Freund den Geschlechtsverkehr mit der Tochter vollzieht.

Das milde Urteil ist – so die Berichte vom Verfahren – hauptsächlich auf folgende Gesichtspunkte zurückführen:

  • Die Verurteilte war nach ihrer Scheidung in einer labilen Situation.
  • Sie wurde von ihrem Freund manipuliert und gedrängt.
  • Die Tochter hat von den Taten unmittelbar wenig mitbekommen.
  • Die Taten liegen bereits Jahre zurück.
  • Sie hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und ist einen „Deal“ mit der Staatsanwaltschaft eingegangen.

Häufig enden die Berichte auf dieser Seite damit, dass ein juristischer Vorgang in den Medien völlig verkürzt dargestellt worden ist und die Entscheidung rechtlich betrachtet durchaus richtig ist.

In diesem Fall fällt es aber sehr schwer, zu einem solchen Resümee zu gelangen. Die sicher vorhandenen entlastenden Gesichtspunkte bleiben hinter der immensen Schuld, die die Angeklagte hier auf sich geladen hat, weit zurück. Die eigene Tochter gewissermaßen als Ware oder als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen, steht auf einer moralischen Stufe, für die es praktisch keine Worte mehr gibt. Auch das Strafrecht ist hierfür nicht blind und sieht normalerweise langjährige Freiheitsstrafen dafür vor.

Dass es hier bei 21 Monaten, noch dazu auf Bewährung geblieben ist, ist schon ein außergewöhnlich mildes Urteil, das kaum zu erklären ist.

GEZ verzichtet künftig auf Erzwingungshaft

prisoner-296515_1280Die Rundfunkanstalten haben nach zahlreichen Medienberichten angekündigt, künftig auf die Erzwingungshaft gegen säumige Beitragsschuldner zu verzichten. Was steckt hinter dieser Ankündigung? Und ist das der Anfang vom Ende der Gebührenpflicht?

Um welche Art der Haft geht es?

Die Haft, die hier verhängt werden kann, ist nicht etwa eine Freiheitsstrafe wegen Nichtbezahlens der Gebühr. Vielmehr dient die Erzwingungshaft gemäß § 802g ZPO dazu, Druck auf den säumigen Zahler auszuüben, damit er die sogenannte Vermögensauskunft (§ 802c ZPO; früher: Eidesstattliche Versicherung, noch früher: Offenbarungseid) abgibt. Diese Vermögensauskunft soll das Hab und Gut des Schuldners detailliert darlegen, damit der Gerichtsvollzieher entscheiden kann, welche Vermögenspositionen es gibt, in die er vollstrecken kann.

Muss man die Rundfunkgebühr damit nicht mehr zahlen?

Doch, an der Zahlungspflicht ändert sich nichts, diese steht nach wie vor im Rundfunkgebührenstaatsvertrag. Nur kann diese Zahlungspflicht dann nicht mehr zur Erzwingungshaft führen, weil die Landesrundfunkanstalt als Gläubiger diese Maßnahme nicht mehr beantragen wird.

Wie kommt die „GEZ“ dann an ihr Geld?

Die normalen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wie Sachpfändung (§ 808 ZPO), Verwertung von Wertpapieren (§§ 821 und 822), Überweisung einer Geldforderung (§§ 835 und 836) usw. stehen natürlich weiterhin zur Verfügung.

Wozu braucht es dann noch die Erzwingungshaft?

Die Vermögensauskunft und die zu ihrer Durchsetzung angedrohte Erzwingungshaft dienen nur dazu, verborgene Vermögenswerte zu finden. Wenn der Schuldner also ein geheimes Bankkonto auf den Cayman Islands hat oder jeden Monat 10.000 Euro verdient, dann muss er das angeben, wenn er sich nicht strafbar machen will.

Bei den meisten Menschen ist diese Maßnahme aber gar nicht notwendig. Man findet auch anderweitig heraus, ob sie ein Auto haben. Ihre (einzige) Kontoverbindung kennt der Gerichtsvollzieher vielleicht ohnehin schon. Teure Einrichtungsgegenstände in der Wohnung sieht man durch einen einfachen Blick. Und wer Sozialleistungen bezieht, hat seine Verhältnisse schon bei der Antragstellung offenlegen müssen und dabei angegeben, dass er nichts Verwertbares besitzt – wer hingegen die Sozialbehörden insoweit betrogen hat, wird auch gegenüber dem Gerichtsvollzieher nicht die Wahrheit sagen.

Warum kündigt der Beitragsservice trotzdem extra an, dass er auf die Erzwingungshaft verzichten will?

Das ist wohl eine Reaktion auf den bislang einzigen Fall, in dem wegen Rundfunkbeitragsforderungen die Erzwingungshaft beantragt und vollstreckt wurde. Nachdem Sieglinde Baumert aus Chemnitz wegen einer relativ geringen Gebührenschuld von knapp 200 Euro zwei Monate im Gefängnis saß, wurde der MDR massiv kritisiert.

Dieses Image kann der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht brauchen, zumal mittlerweile immer mehr diskutiert wird, ob die Gebührenpflicht für den Staatsrundfunk überhaupt nicht zeitgemäß ist.

Schadenersatz bei Unfällen mit Flüchtlingen

accident-1497298_1280Vor einiger Zeit berichtete die Augsburger Allgemeine über das Dilemma, das sich bei Unfällen mit Flüchtlingen auftut: Diese sind meist nicht haftpflichtversichert, der Unfallgegner bleibt daher auf seinem Schaden auch dann sitzen, wenn er daran völlig unschuldig ist. Da dieser Beitrag mittlerweile über die sozialen Medien wieder vermehrt Aufmerksamkeit bekommt, haben wir uns dem angenommen und einige Fragen dazu beantwortet:

Warum haften Flüchtlinge nicht?

Selbstverständlich haften auch Flüchtlinge, wenn sie einen Verkehrsunfalls verursachen. Der Geschädigte hat dann einen Schadenersatz- und/oder Schmerzensgeldanspruch gegen den Schädiger, egal um welche Person es sich dabei handelt.

Das Problem ist vielmehr, dass dieser Anspruch in aller Regel kaum durchsetzbar ist, da die meisten Flüchtlinge weder über verwertbares Vermögen noch über pfändbares Einkommen verfügen.

Auch eine Haftpflichtversicherung, die an ihrer Stelle einspringen würde, haben die allerwenigsten Flüchtlinge abgeschlossen.

Bei welchen Personengruppen besteht das Problem noch?

Die Problematik der Unpfändbarkeit ist nicht nur auf Flüchtlinge beschränkt, sondern besteht auch bei allen Empfängern von Sozialleistungen. Deren Bezüge decken normalerweise nur das Existenzminimum ab, davon darf ihnen nichts mehr genommen werden.

Auch Geringverdiener liegen oftmals unter den Pfändungsfreigrenzen von 1080 Euro für Alleinstehende bzw. 1480 Euro für Unterhaltsverpflichtete. Von diesen kann der Gläubiger nur dann etwas bekommen, wenn sie plötzlich mehr verdienen oder eine einmalige Einnahme wie eine Erbschaft oder einen Lottogewinn bekommen.

Muss nicht jeder eine Haftpflichtversicherung abschließen?

Nein, es gibt keine Pflicht dahingehend, sich gegen die persönliche Haftung im Alltag zu versichern.

Muss der Staat den Schaden dann übernehmen?

Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage. Der Staat haftet nicht für Schäden durch Flüchtlinge, da er insoweit natürlich weder eine „Aufsichtspflicht“ hat noch ihm das Verhalten dieser Personen sonst in irgendeiner Weise zuzurechnen ist.

Diskutiert wird allerdings darüber, dass der Staat eine Versicherung für Flüchtlinge abschließt, die dann solche Schäden übernehmen soll. Dabei handelt es sich aber in erster Linie um eine Maßnahme, die den sozialen Frieden sichern soll, nicht um eine rechtliche Pflicht.

Die Politik überlegt, dass mehr Flüchtlinge den Führerschein bekommen sollen. Verschärft sich die Problematik dann nicht noch?

Nein, denn sobald der Schädiger hinter dem Steuer sitzt, sind die Schäden versichert. Der Fahrzeughalter muss nach dem Pflichtversicherungsgesetz eine Haftpflichtversicherung abschließen, die alle Schäden, die er selbst oder jemand anderes mit seinem Auto verursacht, abdeckt. Bei einem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz springt der „Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen“ gemäß § 12 PflVersG ein.

Ist es nicht ungerecht, wenn man für einen Schaden nicht entschädigt wird?

Natürlich ist das ungerecht. Aber es ist leider das allgemeine Lebensrisiko. Auch gegen das kann man sich versichern, als Autofahrer am besten mit einer Vollkaskoversicherung. Das bedeutet aber im Endeffekt nur, dass die Schäden auf alle Versicherten verteilt und aus deren Beitragszahlungen finanziert werden.

Das staatliche Recht kann einfach nicht für jede Situation ein gerechtes Ergebnis herstellen.

Die Auflösung des FC Bayern München

Ein Osnabrücker Professor hat beantragt, den FC Bayern München aufzulösen – so die Berichterstattung vieler Medien. Und da im Fußball schnell die Emotionen regieren, fanden diese Berichte ein enormes Echo. Aber was steckt wirklich dahinter? Und wie groß sind die Chancen, dass der FC Bayern tatsächlich gelöscht wird? Und wer wird dann Deutscher Meister?

Will der Professor die Löschung des FC Bayern betreiben?

Prof. Lars Leuschner ist selbst Fan des FC Bayern. Daher geht es ihm, wie er klarstellt, nicht darum, die Löschung wirklich durchzusetzen. Er will vielmehr, dass das zuständige Amtsgericht München, das als Registergericht auch für die Verwaltung der Vereine zuständig ist, die Löschung ablehnt und damit die aus seiner Sicht momentan unklare Rechtslage bestätigt.

Besteht bisher die Gefahr, dass der FC Bayern gelöscht wird?

Nein, bisher hat niemand irgendwelche Schritte angestoßen, die Löschung des FC Bayern München aus dem Vereinsregister zu bewirken. Auch das Amtsgericht selbst ist nicht tätig geworden. Insofern ist die Initiative von Prof. Leuschner auch etwas merkwürdig, da sie die Bayern aus einer Zwickmühle befreien soll, in der sie sich gar nicht befinden. Dass manche Sportinteressierte und Juristen die Frage stellen, ob Milliardenunternehmen wie Fußballprofimannschaften noch einen echten Verein darstellen, war bislang ohne Bedeutung.

Erlaubt § 21 BGB tatsächlich die Löschung des Vereins?

Nicht ganz. § 21 BGB lautet lediglich:

Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

Vom Entzug dieser Rechtsfähigkeit steht nichts im BGB. Früher gab es noch § 43 Abs. 2 BGB, der den Entzug der Rechtsfähigkeit eingetragener Vereine regelte; mittlerweile kümmert sich § 43 aber nur noch um die sog. Wirtschaftsvereine, die es kaum gibt und zu denen der FC Bayern gerade nicht gehört.

Anstelle dieses alten Entzug der Rechtsfähigkeit durch die Verwaltungsbehörden ist jetzt das Verfahren der Löschung aus dem Register durch das Amtsgericht selbst getreten. Denn wenn ein eingetragener Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, könnte er gemäß § 21 BGB nicht mehr eingetragen werden. Eine bereits erfolgte Eintragung wird somit nachträglich unrechtmäßig. Und die Löschung einer solchen unrechtmäßigen Eintragung kann das Amtsgericht gemäß § 395 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) selbst vornehmen. Daher hat der Professor auch richtigerweise keinen Antrag gestellt, sondern ein Tätigwerden des Amtsgerichts lediglich angeregt.

Wie ist der FC Bayern aufgebaut?

Der „Fußball-Club Bayern, München e. V.“ ist kein reiner Fußballverein, sondern ein normaler Sportverein, der zahlreiche Abteilungen besitzt, von denen die Fußballer nur eine darstellen. Die Profifußballabteilung ist selbst nicht mehr Teil des Kernvereins, sondern in die FC Bayern München AG ausgegliedert. An dieser Aktiengesellschaft ist der FC Bayern e.V. zu 75,01 % beteiligt, den Rest (mit jeweils 8,33 %) teilen sich Adidas, die Allianz und Audi.

Verstößt der FC Bayern damit gegen das Prinzip des Idealvereins?

Das ist die Frage. Dass ein Idealverein, also ein solcher, der gerade keinen wirtschaftlichen Zweck verfolgt, Inhaber eines florierenden Aktienunternehmens ist, ist auf den ersten Blick schon problematisch. Andererseits ist der moderne Profifußball nunmal nur teilweise Sport, teilweise aber auch ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen, zu dem die Entscheidungsfindungen einer Kapitalgesellschaft besser passen als die eines Vereins.

Wie wahrscheinlich ist eine Löschung?

Wohl eher unwahrscheinlich. Auch ein Amtsgericht wird nicht stur und stoisch die Buchstaben des Gesetzes anwenden, egal, welche Auswirkungen es hat. Denkbar ist, dass das Gericht zunächst einige Hinweise gibt, die der FC Bayern dann umsetzen muss. Dass sofort eine Löschung erfolgt, ist kaum denkbar.

Zum anderen war dem Amtsgericht ja bisher auch schon bekannt, was sich hinter dem Marke „FC Bayern München“ so verbirgt, und hat trotzdem keinen Anlass für ein Einschreiten gesehen.

Welches Rechtsmittel gäbe es gegen eine Löschung?

§ 395 Abs. 3 verweist insoweit auf § 393 Abs. 3 FamFG. Der dortige Satz 2 eröffnet die Möglichkeit der Beschwerde gemäß § 58 FamFG. Dann muss sich das Oberlandesgericht (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 b) GVG) noch einmal mit der Sache beschäftigen. In der Zwischenzeit besteht der Verein weiter.

Das Urteil des OLG ist dann aber normalerweise endgültig. Hiergegen gibt es das mit der Revision vergleichbare Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur, wenn das OLG selbst es zugelassen hat (§ 70 Abs. 1). Eine Nichtzulassungsbeschwerde wie in anderen Gerichtszweigen gibt es im FamFG ausdrücklich nicht.

Was würde eine Löschung bedeuten?

Die Löschung würde bedeuten, dass der FC Bayern München nicht mehr im Vereinsregister eingetragen wäre. An der Eintragung hängt aber die Rechtsfähigkeit, also der Status des Vereins als juristische Person. Als nicht eingetragener Verein kann er aber im Wesentlichen unverändert am Geschäftsleben teilhaben, allerdings gelten nicht mehr die praktischeren Vereinsregeln, sondern die der Gesellschaft (§ 54), die durch die Rechtsprechung aber weitestgehend dem eingetragenen Verein angeglichen ist. Es würde also zunächst durchaus weitergehen, allerdings mit gewissen Schwierigkeiten, die auf die Dauer sicher nicht praktikabel sind.

Auch, wenn am Ende des Verfahrens tatsächlich die Entfernung des FC Bayern aus dem Vereinsregister stünde, würde dies sicher nicht bedeuten, dass die Bundesliga plötzlich nur noch 17 Vereine und Borussia Dortmund auf einmal Chancen auf den Meistertitel hätte. Es würde sich sicher ganz, ganz schnell eine Lösung finden lassen. Zudem ist die Bundesligamannschaft ja gerade nicht mehr Teil des Vereins, sondern der Aktiengesellschaft. Bis eine Löschung des Vereins zu einer Liquidation der AG führt, würde viel Zeit ins Land gehen.

Außerdem wäre ja nicht nur der FC Bayern betroffen, sondern wohl so gut wie jede Bundesliga-Mannschaft.

Hat Prof. Leuschner gar keine Angst vor den Bayern-Fans?

Anscheinend nicht – allerdings ist es sicher kein Spaß, das E-Mail-Postfach des Lehrstuhls in den nächsten Tagen zu betreuen.

Aber allen eingefleischten Bayern-Fans sei gesagt: Herr Leuschner will genau das Gegenteil von dem, was sein Vorgehen eigentlich aussagt. Er will Rechtssicherheit für die Vereine, insbesondere für seinen FC Bayern. Und dass wir Juristen manchmal seltsame Wege wählen, um an unsere Ziele zu kommen, ist doch nichts Neues.

Baby stiehlt in der Drogerie, Mutter wird verurteilt

Von einem seltsamen Fall hat der Focus nun berichtet:

Der Ladendetektiv eines Drogeriemarktes bei Hannover entdeckt im Kinderwagen einer Mutter eine unbezahlte Haarkur. Täter: das sieben Monate alte Kind der Frau. Neben Geldstrafe und Hausverbot erhält die Frau auch Post vom Gericht.

Diese Einleitung ist schon einmal äußerst missverständlich.

Die Geldstrafe, von der die Zeitung berichtet, war höchstwahrscheinlich die Bearbeitungsgebühr des Supermarkts für Ladendiebstähle. Diese werden in den AGB festgesetzt und sollen einerseits die tatsächlichen Kosten abdecken, andererseits aber auch als zivilrechtliche Vertragsstrafe Diebstähle insgesamt verhindern. Mit der strafrechtlichen Geldstrafe hat dies aber nichts zu tun. Dies ergibt sich auch daraus, dass die echte Geldstrafe dann erst in der ominösen „Post vom Gericht“ verhängt wurde.

Diese Post vom Gericht war anscheinend ein Strafbefehl. Denn einige Sätze später heißt es:

Ein Postbote klingelte an der Tür und übergab ihr ein Einschreiben vom Amtsgericht Neustadt. Darin stand, dass die junge Mutter eine Geldstrafe wegen des Diebstahls zahlen muss – 20 Tagessätze á 10 Euro.

Insofern ist es auch kein allzugroßer Widerspruch, dass in anderen Artikeln steht, sie habe „Post vom Staatsanwalt“ bekommen. Denn der Strafbefehl wird vom Staatsanwalt entworfen und vom Gericht abgesegnet. Er stellt eine Art schriftliches Verfahren dar, mit dem ein Beschuldigter in leichten und unkomplizierten Fällen verurteilt werden kann, ohne dass die Sache vor Gericht geht.

Hat die Dame nun deswegen eine Geldstrafe erhalten, weil ihr Kind gestohlen hat?

Sicher nicht, denn Eltern haften bekanntlich nicht für ihre Kinder – strafrechtlich schon mal gar nicht. Vielmehr wird es so sein, dass weder der Ladendetektiv noch der Staatsanwalt noch der Richter ihr geglaubt haben, dass das Baby die Haarkur gestohlen hat. Sie haben – so ist aus diesem rudimentären Artikel anzunehmen – angenommen, dass die Frau selbst das Produkt in den Kinderwagen gelegt hat, um es nicht zu bezahlen.

Kann die Beschuldigte denn gar nichts dagegen tun, dass sie eines Diebstahls bezichtigt wird?

Doch, sie kann natürlich Einspruch gegen den Strafbefehl einlegen, dann kommt es zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht. Dort kann die Angeklagte dann ihre Sicht der Dinge noch einmal darlegen, sie kann Zeugen benennen, sie kann den Ladendetektiv ins Kreuzverhör nehmen etc. Das hat sie aber anscheinend nicht vor:

„Ich bin fassungslos, dass ich jetzt auch noch so eine Strafe bekommen habe. Leider kann ich nicht nachweisen, dass mein Sohn die Haarkur eingesteckt hat. Ich muss halt jetzt dafür haften“, erklärte Nora A.

Nein, für ihr Kind haften muss sie nicht, siehe oben. Und sie muss ihre Unschuld auch nicht beweisen. Aber sie müsste zumindest eine glaubwürdige Erklärung dafür liefern, dass nicht sie selbst es war, die diese Haarkur in den Kinderwagen gelegt hat, um sie nicht zu bezahlen.

Man weiß nicht, warum Staatsanwalt und Gericht ihr die Schilderung, dass der „Täter“ wohl ihr Kind war, nicht abgenommen haben. Angesichts des sehr einseitigen Berichts ist nicht auszuschließen, dass der Detektiv den Hergang beobachtet und die Mutter belastet hat, dies aber einfach weggelassen wurde. Fest steht, dass das Gericht jedenfalls von der Täterschaft der Mutter und nicht des Kindes ausging. Dass sie dafür verurteilt wurde, was ihr Baby getan hat, ist sicher falsch.

Lanka gegen Bardens – der Masern-Virus-Prozess

virus-1812092_1920Stefan Lanka, ein Alternativmediziner, hatte ein Preisgeld von 100.000 Euro ausgesetzt, um einen Beweis für das Masern-Virus zu erhalten. Diesen Nachweis hatte der Arzt David Bardens seiner Ansicht nach geführt und verlangte die Zahlung. In zweiter Instanz wurde seine Klage vom OLG Stuttgart abgewiesen.

Worum ging es in dem Fall?

Auf seiner Homepage legte er folgende Regeln für die Auszahlung fest:

Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin u.a. dessen Durchmesser bestimmt ist.

Rechtlich handelt es sich damit um eine sogenannte Auslobung gemäß § 657 BGB. Dabei wird von einer Person eine Belohnung (das Preisgeld) versprochen, wenn eine andere Person eine bestimmte Handlung (Vorlage einer bestimmten Publikation) vornimmt.

Streitig war nun, ob die Vorlage der insgesamt sechs Fachartikel dem genügt oder nicht.

Was hat das Landgericht Ravensburg entschieden?

Das LG war der Ansicht, dass die vorgelegten Artikel gemeinsam sowohl die Existenz des Virus belegten als auch dessen Durchmesser darstellten. Damit seien die Bedingungen der Auslobung erfüllt, der Kläger Herr Bardens habe sich folglich das Preisgeld verdient.

Was hat das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden?

Das OLG sah dies anders. Die Auslobung sei auf „genau eine“ Publikation gerichtet gewesen. Damit hätten die verlangten Nachweise alle im selben Text erbracht werden müssen, eine Aufspaltung auf mehrere Publikationen sei nicht ausreichend.

Hat das Gericht damit festgestellt, dass es das Masern-Virus nicht gibt?

Nein, im Gegenteil. Die Existenz des Virus war und ist völlig unumstritten – wenngleich die Auslobung natürlich den Zweck hatte, zu zeigen, dass niemand den Nachweis erbringen könne. Tatsächlich wurde der Nachweis aber ohne Weiteres erbracht, der Kläger ist nur an einer Formalie gescheitert – er hat nämlich zu viele Beweise vorgelegt, wohingegen der Beklagte Herr Lanka nur einen einzigen Beweis haben wollte.

Welches von beiden Urteilen gilt nun?

In der Juristerei gilt das Prinzip „Ober sticht Unter“, das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts ist also das maßgebliche Urteil, das Landgerichtsurteil wurde hingegen durch dieses aufgehoben.

Allerdings will der Kläger nun in Revision zum Bundesgerichtshof gehen. Die Revision muss allerdings erst noch durch den BGH selbst zugelassen werden.

Wie hat die Rechtswissenschaft das Urteil aufgenommen?

In der wissenschaftlichen Diskussion spielte das Urteil keine große Rolle, eher in der medialen. Juristisch waren hier keine besonders wichtigen Fragen zu klären, denn medizinische Auslobungen kommen in der täglichen Praxis nicht gar so häufig vor.

Das OLG-Urteil wurde teilweise als sehr gnädig angesehen. Die Richter wollten wohl dem Beklagten, der nicht wirklich umrissen hatte, wie leichtfertig er 100.000 Euro für eine minimale Gegenleistung faktisch verschenkt hatte, entgegenkommen. Indem sie die Anforderung „eine Publikation“ absolut wortwörtlich ausgelegt haben, haben sie den normalen Sinngehalt des Ausdrucks schon sehr gedehnt.

Es bleibt abzuwarten, wie der BGH entscheidet.

(Nachtrag: Der BGH hat mittlerweile das Berufungsurteil des OLG bestätigt. Die Zahlungsklage ist damit rechtskräftig abgewiesen.)

Aachener Facebook-Mord: Eltern töten angeblichen Vergewaltiger ihrer Tochter

Die Eltern haben den Vergewaltiger ihrer zwölfjährigen Tochter getötet. Diese Schlagzeile wird in den letzten Monaten häufig auf Facebook geteilt und die Reaktionen darauf sind so, wie man sie erwartet: Von Beifall und unverblümter Sympathie über distanziertes Verständnis bis hin zu bestimmter, aber doch mit Nachsicht verbundener Ablehnung von Selbstjustiz. Kinderschänder stehen nunmal – auch, wenn das StGB schwerere Straftaten kennt – auf der allerniedrigsten sozialen Stufe.

Tatsächlich lag der Fall aber ganz anders, wie sich bei der Verhandlung gegen die Eltern und ihren Bekannten, der bei der Tat geholfen hatte, herausstellte:

  • Ein Unbekannter hatte die Tochter auf Facebook kontaktiert und mit der Aussage, er wolle sie als Model groß herausbringen, ein Nacktfoto von ihr bekommen. Eine Vergewaltigung hat es dagegen nie gegeben.
  • Um ihre Tochter zukünftig zu schützen, erhöhten die Eltern das Alter im Profil ihrer Tochter auf 22.
  • Als sie daraufhin ein geistig zurückgebliebener 29-Jähriger (in dem Glauben, sie sei längst volljährig) relativ harmlos auf Facebook ansprach, dachten die Eltern, das sei erneut der Unbekannte, der das Nacktfoto erhalten hatte.
  • Daraufhin trafen sich die Eltern mit einem Bekannten bei Alkohol und Drogen und lockten anschließend den 29-Jährigen an einen entlegenen Treffpunkt, wo sie ihn mit sieben Messerstichen ermordeten.

Noch einmal: Hier wurde ein völlig Unschuldiger getötet, der auf Facebook Kontakt zu einer Person in vermeintlich ähnlichem Alter wie er selbst suchte. Kein Kind wurde vergewaltigt, schon gar nicht vom Getöteten. Das ist kein Fall „Marianne Bachmeier“.

Und darum war im Ergebnis auch nur ein Urteil möglich: Das Landgericht Aachen schickte die drei Haupttäter lebenslang ins Gefängnis. Beim Vater wurde auch noch die besondere Schwere der Schuld festgestellt, eine Entlassung schon nach 15 Jahren ist damit ausgeschlossen, es werden wohl eher 18 bis 20 Jahre werden.

Die Tochter wird ohne ihre Eltern aufwachsen müssen, diese werden wohl vielleicht wieder in Freiheit sein, wenn ihr Kind Anfang 30 ist. Die Platitüde, es habe in einem Rechtsstreit nur Verlierer gegeben, beschreibt nicht einmal annähernd die Tragik dieses Falls.