Genießen Politiker wirklich Immunität vor Strafverfolgung?

Eine weit verbreitete Ansicht geht davon aus, dass sich die Politik deswegen so ziemlich alles erlauben kann, weil die Politiker vor jedes Strafverfolgung geschützt seien. Aber stimmt das wirklich?

Richtig ist, dass es diese sogenannte Immunität gibt. Allerdings gilt diese schon einmal nicht für alle Politiker, sondern nur für Parlamentsabgeordnete. Hinsichtlich der Landtage ist dies in den Länderverfassungen geregelt, hinsichtlich der Bundestagsabgeordneten im Grundgesetz (Art. 46), was aber auch für den Bundespräsidenten entsprechend gilt (Art. 60 Abs. 4).

Immunität im Grundgesetz

In Art. 46 Abs. 1 GG ist zunächst einmal die sog. Indemnität als Unterfall der Immunität geregelt:

Ein Abgeordneter darf zu keiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen einer Äußerung, die er im Bundestage oder in einem seiner Ausschüsse getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Bundestages zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen.

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Corona-Zwangseinweisung für Quarantäne-Brecher?

Wann kann die Corona-Quarantäne zwangsweise durchgesetzt werden?
Wann kann die Corona-Quarantäne zwangsweise durchgesetzt werden?
In den letzten Tagen hat eine neue Diskussion in der Corona-Thematik begonnen: Die zwangsweise Unterbringung von „Quarantäne-Brechern“.

Wer sich über Quarantäne-Maßnahmen hinwegsetzt, soll in ehemaligen Asylbewerber-Unterkünften, in Gefängnissen, in speziellen Krankenhaustrakten oder gar in eigens dafür eingerichteten Lager untergebracht werden. Die Politik macht sich, so hört man in den Medien, schon gewisse Gedanken darüber, wie sie das genau organisieren will.

Eine solche Unterbringung von Personen in „Lagern“ weckt natürlich (gerade in Deutschland) sofort historische Assoziationen und Befürchtungen. Also was ist dran? Ein paar Fragen und Antworten dazu.

Erlauben die Corona-Gesetze eine Zwangseinweisung?

Ja. Und es sind auch nicht die speziellen Corona-Gesetze, sondern das Infektionsschutzgesetz. § 30 IfSG sieht die „Absonderung“ als Maßnahme vor.

Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift besagt, dass die Absonderung bei Patienten mit Lungenpest oder hämorrhagischem Fieber angeordnet werden muss. Sie kann (Abs. 1 Satz 2) auch bei anderen Krankheiten erfolgen. Das bedeutet aber zunächst nur eine Anordnung, der sich der Betroffene dann mehr oder weniger freiwillig unterwerfen soll.

Der Zwang kommt dann erst in Absatz 2 der Vorschrift ins Spiel: Ein Patient kann zwangsweise in einem abgeschlossenen Krankenhaus, in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses oder in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung untergebracht werden, wenn er die Anordnungen nicht befolgt oder aufgrund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, dass er die Anordnungen nicht befolgen wird.

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Merkel, Trump, Twitter, Meinungsfreiheit

US-Präsident Donald Trump ist das neueste Opfer von Zensur durch Social-Media-Plattformen.
US-Präsident Donald Trump ist das neueste Opfer von Zensur durch Social-Media-Plattformen.
Zugegeben, ich habe eine Clickbaiting-Überschrift gewählt. Leider hab ich partout keine Möglichkeit gesehen, auch noch den Begriff „Bitcoin“ unterzubringen, um diese zu perfektionieren.

Die aktuellen Vorgänge rund um die konzertierte Aktion gegen die Social-Media-Präsenz des noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump haben auch die deutsche Politik auf den Plan gerufen. Nach einem an Fremdscham kaum zu überbieten Angebot des Musterdemokraten Heiko Maas, einen „Marshall-Plan“ für die Demokratie in den USA zu schaffen, gab es unerwartet auch Kritik am Vorgehen gegen Trump.

Seibert-Aussage

Regierungssprecher Steffen Seibert wird folgendermaßen für die Bundeskanzlerin zitiert:
Die Meinungsfreiheit als Grundrecht von elementarer Bedeutung könne aber nur durch den Gesetzgeber, nicht nach der Maßgabe von Unternehmen eingeschränkt werden.
Quelle: https://www.tagesschau.de/inland/merkel-trump-twitter-103.html

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Corona und Grundgesetz-Änderungen

Im Grundgesetz kommt das Corona-Virus aktuell nicht vor.
Im Grundgesetz kommt das Corona-Virus aktuell nicht vor.
Die Corona-Krankheit hat die Bundesrepublik nun schon bald ein Jahr im Griff. Seitdem gab es zahlreiche Gesetzesänderungen und geradezu unüberschaubar viele Verordnungen. Was es dagegen kaum gab, warum Verfassungsänderungen.

Bisher nur eine temporäre GG-Änderung

Die einzige Änderung am Grundgesetz war die Einführung von Artikel 143h GG. Dieser sah einen Finanzausgleich durch Bund und Länder an die Gemeinden vor, um diese für den Corona-bedingten Rückgang der Gewerbesteuer zu entschädigen. Nach Abwicklung der Zahlungen wurde er auch sogleich wieder abgeschafft.

Von den zahlreichen Grundrechtseinschränkungen, die praktisch alle Bürger betroffen haben, hat bisher keine einzige Eingang ins Grundgesetz gefunden.

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Corona, Grundrechte und Gefühl

Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen - ein schlechtes Motto bei Grundrechtseinschränkungen.
Nichts hören, nichts sagen, nichts sehen – ein schlechtes Motto bei Grundrechtseinschränkungen.
„Ich fühle meine Rechte nicht beschränkt oder bedroht.“

Ein solcher Button wird gerade eifrig über Soziale Medien geteilt. Grundaussage soll also sein, dass die Corona-Maßnahmen des Staates die Rechte der Bürger gar nicht einschränken. Zumindest fühlt man das.

Corona-Regeln greifen in viele Grundrechte ein

Gefühle sind freilich etwas Schönes. Sie sollten aber auch eine gewisse Verbindung zur Realität wahren. Und selbstverständlich bedeuten praktisch alle Gebote und Verbote, die der Gesetzgeber und die Regierungen im Hinblick auf die Pandemiebekämpfung erlassen haben, Eingriffe in Grundrechte:

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Keine Behandlung für Coronaleugner?

Keine Behandlung bei falscher Einstellung zum Corona-Virus? Eine seltsame Vorstellung.
Keine Behandlung bei falscher Einstellung zum Corona-Virus? Eine seltsame Vorstellung.
In der Diskussion rund um Corona vergeht kaum eine Stunde ohne einen neuen schlagzeilenträchigen Vorschlag. Aktuell wird diskutiert, ob bspw. „Corona-Leugner“ bei Triage-Entscheidungen eine niedrigere Priorität erhalten oder Menschen, die sich einer Impfung verweigert haben, gar keine Behandlung erwarten dürfen.

Regelung wäre wohl verfassungswidrig

Solche Diskussionen sind wohl in erster Linie als pädagogischer Anstoß zu sehen, die eigene Haltung und deren angeblich konsequentes Zuendedenken zu hinterfragen. Komplett als unerste Provokation sollte man sie aber dennoch nicht abtun, darum möchte ich ein paar grobe Gedanken dazu niederschreiben.

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Demokratie: Weniger Anspruch wagen

In puncto Freiheit und Demokratie sollte man nicht nur vergleichsweise zufrieden sein.
In puncto Freiheit und Demokratie sollte man nicht nur vergleichsweise zufrieden sein.
Immer, wenn sich schlimme Nachrichten über Menschenrechtsverletzungen in fremden Staaten verbreiten, gibt es eine häufige Reaktion: Wie schön, dass wir es besser haben.

Das war bei den gewalttätigen Zusammenstößen in Weißrussland der Fall, aktuell angesichts der Hinrichtung eines Bloggers im Iran sowie immer wieder, wenn Oppositionelle irgendwo auf der Welt verhaftet werden.

Gerne wird das dann auch noch mit mahnenden Worten der Form „Und ihr beschwert euch, wenn hierzulande irgendwas nicht so läuft wie ihr das gerne hättet…“ garniert. Und sachliche Kritik an der eigenen Regierung und Gesetzgebung kann man stets mit dem Hinweis auf noch schlimmere Zustände in anderen Ländern ins Lächerliche ziehen.

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Wählen ab 16 Jahren, Jugendstrafrecht bis 21?

Die Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ist für das Recht nicht einfach.
Die Unterscheidung zwischen Jugendlichen und Erwachsenen ist für das Recht nicht einfach.
Aktuell hat wieder eine Diskussion darüber begonnen, ob man die Jugend nicht schon mit 16 wählen lassen soll. Ein Gegenargument ist schnell gefunden, denn dann müssten neben diesem Recht doch logischerweise auch weitere Formen der Verantwortung früher beginnen. Gern genommen wird die Anwendung des Jugend- bzw. Erwachsenenstrafrechts.

Zahlreiche verschiedene Altersgrenzen

Tatsächlich kennt unser Recht vielerlei Altersgrenzen: Mit 7 Jahren kann man schadenersatzpflichtig sein, im Straßenverkehr dagegen erst mit 10, ab 14 Jahren kann man in Geschlechtsverkehr einwilligen, mit 18 ist man volljährig, mit 40 Jahren darf man Bundespräsident werden. Strafrechtlich vollständig erwachsen ist man regelmäßig erst mit 21 Jahren, frühestens ab 18 und entsprechender persönlicher Reife.

Daran sieht man schon, dass es eben vielerlei Grenzen zwischen einem Jugendlichen und einem Erwachsenen gibt. Besonders glücklich sind diese oftmals nicht, da das Alter nicht unbedingt etwas über den Entwicklungsstand aussagt. Oder sind Sie etwa der Meinung, dass jeder ab 40 ein geeigneter Bundespräsident wäre? Insofern ist das Argument „Wahlrecht ab 16 bedeutet auch strafrechtliche Verantwortung“ ohnehin nicht durchschlagend.

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Aufgehoben: Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen

Gesetze regeln viele Materien nur recht grob und allgemein. Daher erlauben die Gesetze für zahlreiche Einzelfragen die Regelung durch die Regierung selbst. Diese Verordnungen müssen nicht auf den komplizierten weg der Gesetzgebung gehen, sondern können recht schnell verabschiedet werden. Wer für die Verordnung zuständig ist, wird im Gesetz selbst festgelegt. Gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes können „die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen“ ermächtigt werden.

Nun wurde aber das „Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen“ durch Artikel 3 des „Zweiten Gesetzes über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ (2. BMJBBG) aufgehoben. Dieser Artikel besagt schlicht und einfach:

Das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 103-1, veröffentlichten bereinigten Fassung wird aufgehoben.

Teilweise wird das etwas falsch verstanden, es wird sogar so getan als wäre damit die Kompetenz zum Verordnungserlass insgesamt aufgehoben. Das ist aber schon deswegen nicht der Fall, weil sich die Möglichkeit der Verordnungsermächtigung aus dem Grundgesetz ergibt, siehe oben. Die Ermächtigung als solche ist dann im jeweiligen Gesetz enthalten. Tatsächlich betraf dieses Gesetz nur einen ganz geringen Teil von Verordnungen. Der einzige bedeutende Paragraph dieses Gesetzes war der erste:

Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen – § 1

Soweit Bundesgesetze Ermächtigungen oberster Landesbehörden zum Erlaß von Rechtsverordnungen vorsehen, sind die Landesregierungen zum Erlaß dieser Rechtsverordnungen ermächtigt. Die Landesregierungen können die Ermächtigungen auf die obersten Landesbehörden übertragen, die in den bisherigen Vorschriften bezeichnet sind, und dabei die weitere Übertragung auf nachgeordnete Behörden in dem bisher bezeichneten Umfang zulassen.

Das bedeutet also, dass in jedem Gesetz, das es obersten Landesbehörden oder einzelnen Landesministern erlaubte, Verordnungen zur Ausführung des Gesetzes zu erlassen, diese Ermächtigung so zu lesen war als hätte dort eine Ermächtigung für die gesamte Landesregierung gestanden.

Der Grund dafür lag in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, genauer gesagt im Beschluss des Zweiten Senats vom 10. Mai 1960, Az. 2 BvL 76/58, abgedruckt in BVerfGE 11, 77. Das Gericht entschied darin:

Die Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG kann außer an die Bundesregierung oder an einen Bundesminister nur an eine Landesregierung, nicht an einen Landesminister gegeben werden.

Eine Ermächtigung durfte also nicht z.B. den Landesjustizminister ermächtigen, sondern nur die Landesregierung insgesamt. Wenn die Landesregierung nun wollte, dass der Landesjustizminister für bestimmte Angelegenheiten allein zuständig ist, musste sie das in ihrer Geschäftsordnung oder auf andere Weise selbst beschließen. Den Bundesgesetzgeber ging diese landesinterne Aufgabenverteilung aber nichts an, so das BVerfG.

Begründet wurde dies damit:

Grundsätzlich respektiert die Bundesverfassung die Verfassungsordnung der Länder; ein Eingriff der Bundesgewalt in die Verfassungsordnung der Länder ist nur zulässig, soweit es das Grundgesetz ausdrücklich bestimmt oder zuläßt.

Um diesen Richterspruch umzusetzen, ohne alle Gesetze einzeln ändern zu müssen, wurde daher das Gesetz über Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen erlassen. Dieses bestimmte, dass alle Gesetze, die diese „falsche“ Ermächtigung eines Landesminister beinhalteten, nun „richtig“ zu lesen waren, also die gesamte Landesregierung ermächtigten.

Weil aber seit diesem Beschluss fast 60 Jahre ins Land gegangen sind und es heute wohl kaum noch ein Gesetz gibt, das diese Zuweisung beinhaltet, konnte man das Gesetz nun endlich aufheben. Höchstvorsorglich ließ man diesen Artikel auch noch etwas später in Kraft treten, nämlich nicht schon im November 2007, sondern erst zum 1. Dezember 2010. Hätte man also noch ein fehlerhaftes Gesetz gefunden, hätte sich das noch reparieren lassen. Seitdem sind aber keine Beschwerden dahingehend bekannt, dass irgendeine Landesregierung ihrer Verordnungsermächtigung verlustig gegangen wäre.

Eine Verfassungsbeschwerde geht ihren Weg

Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Der Haupteingang des Münchner Justizpalast, in dem unter anderem das Landgericht, das Oberlandesgericht und der Verfassungsgerichtshof ihren Sitz haben.
Gestern habe ich mal wieder eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Ausnahmsweise sogar persönlich, während ich ansonsten die Vorabsendung der Unterlagen per Brief und die Übersendung der Verfassungsbeschwerdeschrift per Fax bevorzuge.

Möglich war das, weil es sich um eine Verfassungsbeschwerde nach (bayerischem) Landesrecht handelte, für die der Verfassungsgerichtshof im Münchner Justizpalast zuständig ist. So konnte ich an diesem schönen Januar-Tag selbst in die Stadt fahren, das Briefkuvert einwerfen und das Ganze noch mit einem Mittagessen in Katakomben des nahe gelegenen Stachus-Untergeschosses mit einem Kollegen aus Referendariatszeiten verbringen.

Beim Spaziergang durch die Fußgängerzone habe ich dann ein paar Telephonate erledigt. Das sind eben die Vorteile einer selbstständigen Tätigkeit, dass man sich die Zeit einigermaßen frei einteilen kann und auch einmal dafür Luft im Terminkalender ist.

Daran muss ich dann aber auch erinnern, wenn ich – wie bei dieser Verfassungsbeschwerdeschrift – wieder einmal bis zum frühen Morgen am Schriftsatz feile.

Die Verfassungsbeschwerde nach bayerischem Recht ist übrigens ein ganz interessantes rechtliches Instrument: