In den letzten Tagen hat eine neue Diskussion in der Corona-Thematik begonnen: Die zwangsweise Unterbringung von „Quarantäne-Brechern“.
Wer sich über Quarantäne-Maßnahmen hinwegsetzt, soll in ehemaligen Asylbewerber-Unterkünften, in Gefängnissen, in speziellen Krankenhaustrakten oder gar in eigens dafür eingerichteten Lager untergebracht werden. Die Politik macht sich, so hört man in den Medien, schon gewisse Gedanken darüber, wie sie das genau organisieren will.
Eine solche Unterbringung von Personen in „Lagern“ weckt natürlich (gerade in Deutschland) sofort historische Assoziationen und Befürchtungen. Also was ist dran? Ein paar Fragen und Antworten dazu.
Erlauben die Corona-Gesetze eine Zwangseinweisung?
Ja. Und es sind auch nicht die speziellen Corona-Gesetze, sondern das Infektionsschutzgesetz. § 30 IfSG sieht die „Absonderung“ als Maßnahme vor.
Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift besagt, dass die Absonderung bei Patienten mit Lungenpest oder hämorrhagischem Fieber angeordnet werden muss. Sie kann (Abs. 1 Satz 2) auch bei anderen Krankheiten erfolgen. Das bedeutet aber zunächst nur eine Anordnung, der sich der Betroffene dann mehr oder weniger freiwillig unterwerfen soll.
Der Zwang kommt dann erst in Absatz 2 der Vorschrift ins Spiel: Ein Patient kann zwangsweise in einem abgeschlossenen Krankenhaus, in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses oder in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung untergebracht werden, wenn er die Anordnungen nicht befolgt oder aufgrund seines bisherigen Verhaltens anzunehmen ist, dass er die Anordnungen nicht befolgen wird.
Ist die Zwangseinweisung die Sanktion für Quarantäne-Verstöße?
Nein, Verstöße werden als Ordnungswidrigkeit oder Straftat verfolgt. Dann kann eine Geldbuße, Geldstrafe oder auch Freiheitsstrafe verhängt werden.
Die Zwangsunterbringung dient hier aber dem Infektionsschutz, also der Gefahrenabwehr. Sie soll nicht begangene Verstöße bestrafen, sondern weitere Verstöße verhindern.
Wann kann angenommen werden, dass eine Zwangseinweisung notwendig ist?
Die Zwangseinweisung ist ein massiver Eingriff in die persönliche Freiheit. Darum kommt sie nur als ultima ratio in Betracht. Insbesondere darf die Annahme, dass sich der Betroffene den Anordnungen widersetzt, nicht leichtfertig getroffen werden.
Im Endeffekt wird man als Mindestvoraussetzung fordern müssen, dass sich der Betreffende der Quarantäne entziehen, insbesondere trotzdem andere Personen treffen wird.
Diese Annahme wiederum darf sich nur auf handfeste Tatsachen stützen. Das dürfte erst bei mehrfachen Verstößen gegen die Quarantäne an sich (sozusagen bei „Ausbrüchen“ der Fall sein. Eine bloße Zuwiderhandlung gegen einzelne Anordnungen dürfte nicht reichen.
Gilt das auch bei Verstößen gegen die allgemeine Ausgangssperre, Kontaktbeschränkungen u.ä.?
Nein, das bezieht sich lediglich auf „Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider“, also auf Personen, bei denen individuell eine Erkrankung vorliegt oder eine Gefahr besteht und für die konkret bestimmte Maßnahmen angeordnet wurden.
Wer lediglich gegen die allgemeinen Corona-Regeln, die alle Menschen betreffen, verstößt, kann nicht nach § 30 IfSG zwangsuntergebracht werden.
Wer kann eine Zwangseinweisung verfügen?
Art. 104 des Grundgesetzes legt fest, dass eine dauerhafte Freiheitsentziehung nur durch ein Gericht erfolgen darf. Damit sollen insbesondere behördliche Ingewahrsamnahmen wie in der Zeit des Nationalsozialismus verhindert werden.
§ 30 Abs. 2, letzter Satz des IfSG verweist für das hier anzuwendende Verfahren auf das siebte Buch im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Diese Vorschriften gelten für Freiheitsentziehungen in verschiedenen Zusammenhängen.
Wie werden die Interessen des Betroffenen gewahrt?
Der Betroffene darf sich zunächst im Verfahren von einem Anwalt oder einem Verfahrenspfleger (§ 419 FamFG) unterstützen lassen.
Zudem muss er grundsätzlich persönlich durch den Richter angehört werden (§ 420 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Allerdings kann hiervon gerade in den hier relevanten Fällen, nämlich bei Vorliegen einer ansteckenden Erkrankung, abgesehen werden (Abs. 2). Dann muss dem Betroffenen jedoch regelmäßig eine andere Möglichkeit der Äußerung gegeben werden.
Schließlich gibt es auch Rechtsmittel gegen den Beschluss, nämlich die Beschwerde. Diese kann nicht nur der Betroffene selbst, sondern bspw. auch ein naher Verwandter einlegen. (§ 429)
Wie relevant wird diese Möglichkeit der Zwangsunterbringung?
Das lässt sich bisher nicht sicher sagen. Allerdings dauert die Corona-Quarantäne in der Regel nur einige Tage bis zwei Wochen. Insofern besteht kaum die Gelegenheit für die oben genannten hartknäckigen Verstöße. Fälle, in denen eine Zwangsunterbringung wirklich in Frage kämen, dürften sehr rar sein.
Insofern lässt sich der Aktionismus der Politik nicht nachvollziehen.