Abmahnungen

Abmahnungen sorgen immer wieder für Schlagzeilen, nicht nur in der Welt der Juristerei. Dass die bisherige Praxis nicht nur politisch inakzeptabel, sondern auch juristisch fragwürdig ist, soll dieser Beitrag zeigen. Und auch, wenn sich das Datum anbieten würde – nichts davon ist ein Aprilscherz.

Eine kurze Erläuterung zum Sprachgebrauch: Hier wird in der Regel nur pauschal von „Abmahnung“ die Rede sein. In Wirklichkeit geht es sowohl um die Abmahnung im engeren Sinne (also die Aufforderung, ein bestimmtes rechtswidriges Handeln in Zukunft zu unterlassen) als auch um die in der Regel parallel vorliegende Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

A. Hinführung

Die Tatsache, dass die Kosten außergerichtlicher Abmahnungen ersetzt werden müssen, ist nicht etwa einer übersehenen Gesetzeslücke geschuldet. Im Gegenteil, es gibt – von der eher selten einschlägigen Sondervorschrift des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, auf die aber genauso die Ausführungen über die Erforderlichkeit (unten Ziffer 4) zutreffen – keine Vorschrift, die etwas derartiges anordnet. Es handelt sich im wesentlichen um eine richterliche Rechtsfortbildung, die aus dem Rechtsinstitut der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) entwickelt wurde. „Abmahnungen“ weiterlesen

Three Strikes

Das „Three Strikes“-Konzept kommt aus dem Baseball. Wer dreimal den Ball nicht trifft, ist draußen. Seit längerer Zeit steht es aber auch für ein sicherheitspolitisches Konzept. Der Staat reagiert in drei Strikes auf Verbrechen und beim dritten ist man dann für sehr lange Zeit weg – zumindest im „Land of the free“, hierzulande hat sich das noch nicht durchgesetzt. Zulauf hat die Idee dagegen im Zuge der Diskussion um Internetsperren bekommen. Quasi als Retourkutsche dafür gab es dann eine Forderung, die „Three Strikes“ auch gegen Politiker anzuwenden: Wer dreimal einem verfassungswidrigen Gesetz zustimmt, ist sein Mandat los. Das ganze ist, nehme ich an, durchaus ernst gemeint. dass es aber nicht umgesetzt werden wird, dürfte dem Verfasser auch klar gewesen sein. Meine Meinung vorweg: Prinzipiell kein schlechter Ansatz, aber so sicher nicht umsetzbar. Dem war sich wohl auch der Verfasser bewusst, siehe die abschließenden „Anregungen für die Online-Diskussion“. Wie würde das Parlamentsgeschäft mit so einem Gesetz in der Praxis ausschauen? „Three Strikes“ weiterlesen

Gebot der Menschlichkeit

Derzeit überwiegt zwar die ewige Frage nach der Finanzierbarkeit unser Gesundheitssystem, aber daneben schwelt auch seit Jahren eine Diskussion über die heiklen, von moralischen und oft auch religiösen Vorstellungen beeinflußten Themen der Medizin. Eines davon ist die Organspende: In Deutschland wird derzeit die erweiterte Zustimmungslösung praktiziert, das heißt, daß sowohl der Verstorbene zu Lebzeiten als auch dessen Angehörige nach seinem Tod der Organentnahme zustimmen können. Liegt keine Zustimmung vor (oder hat der Verstorbene ausdrücklich widersprochen), so gibt es keine Möglichkeit für eine Transplantation. In anderen europäischen Ländern wird das teilweise anders gehandhabt: http://de.wikipedia.org/wiki/Organspende#Europa „Gebot der Menschlichkeit“ weiterlesen

Der bayerische BGH-Senat

Die Strafsenate des Bundesgerichtshofs sind geographisch gegliedert. Für Bayern (und Baden-Württemberg) ist der erste Senat unter Armin Nack zuständig. Und gerade dieser Senat ist es, der – unstreitig – die mit Abstand niedrigste Erfolgsquote bei Revisionen gegen die Urteile der Strafkammern bei den Landgerichten aufweist.

Das ist aber mehr als ein statistisches Ergebnis. Jede zurückgewiesene Revision bedeutet, dass Urteil (meistens ein solches zum Nachteil des Angeklagten, das häufig auf eine mehrjährige Freiheitsstrafe lautet) bestehen bleibt. Oliver Garcia vom hervorragenden De-Legibus-Blog kommt zu einer Bewertung, die einen noch nachdenklicher stimmen sollte:

Es wäre nur geringfügig übertrieben, die beiden Auswertungsergebnisse dahingehend zu kommentieren, daß die Rechtsprechungspraxis des 1. Strafsenats einem Stillstand der (Revisions-)Rechtspflege nahekommt.

(…)

Die dortige Justiz hat verinnerlicht, daß sie mit einer Rückendeckung durch den BGH immer rechnen kann und geht damit selbstbewußt um wie mit einer Blankovollmacht

Zum ganzen Text: http://blog.delegibus.com/2011/12/04/bundesgerichtshof-die-schiere-freude-am-strafen/

Renovatio imperii – die Rückkehr des Obrigkeitsstaats

Letzten Sommer hat uns noch der Feinstaub gemeuchelt, zwischendrin haben wir das Gammelfleisch überlebt, aber mittlerweile führen sogar schon Glühbirnen den Weltuntergang herbei – wenn wir uns nicht vorher alle auf Flatrate-Parties totsaufen. Gegen all diese Untragbarkeiten des täglichen Lebens wird immer öfter nach dem Staat gerufen. Dieser solle doch verbieten, einschränken, überwachen oder sonst für unser aller Wohlbefinden sorgen. Dabei leben wir doch bereits in einem Staat, in dem Jura-Studenten bei durchschnittlichen Klausuren auf durchschnittlichen Tischen kaum noch die erlaubten Hilfsmittel (Bücher mit einfachen Gesetzestexten, ganz ohne Anmerkungen, Erläuterungen oder gar Kommentare) unterbringen. Die liebevoll “Ziegelsteine” genannten Loseblattsammlungen bestehen bereits aus 4100 (”Schönfelder”, Zivil- und Strafgesetze) bzw. 3800 Seiten (”Sartorius”, Öffentliches Recht); trotz einer Papierdicke, die jedem Telephonbuch alle Ehre machen würde, bringen sie 2,5 bzw. 2,2 kg auf die Waage. Und trotzdem scheint es immer, wenn irgendetwas medienträchtiges passiert, gerade kein richtiges Gesetz zu geben. „Renovatio imperii – die Rückkehr des Obrigkeitsstaats“ weiterlesen