Wenn der Angeklagte oder ein Zeuge im Ermittlungsverfahren zunächst aussagen, dann aber in der Hauptverhandlung von ihrem Weigerungsrecht Gebrauch machen, stellt sich die Frage, ob und wie diese Aussagen trotzdem verwertbar sind. Dabei ergeben sich verschiedene Antworten, je nachdem, ob es sich um den Angeklagten, einen „normalen“ Zeugen, einen Zeugen mit Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO (v.a. Angehörige) oder einen Zeugen mit Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO (der sich also selbst belasten müsste) handelt.
Der Stand der Rechtsprechung lässt sich in folgender Tabelle darstellen:
Verlesung | Vorhalt | Vernehmung Verhörperson | |
Angeklagter | Nur Richter, 254 I. | Immer zulässig. | Immer zulässig. |
Zeuge (§ 52) |
Nein, § 252. | Bei Weigerung ist jede weitere Vernehmung unzulässig, Vorhalt daher unnötig. Bei Aussage gilt 253 (siehe unten). | Nur Richter, nur sofern Belehrung nach 52 III. |
Zeuge (§ 55) |
Grds unzulässig, 250 S. 2. Ausnahme bei lediglich teilweiser Aussageverweigerung. | Bei Weigerung ist jede weitere Vernehmung in diesem Punkt unzulässig, Vorhalt daher unnötig. Bei Aussage gilt 253 (siehe unten). | Immer zulässig. |
sonstiger Zeuge |
Grds unzulässig, 250 S. 2. Ausnahme bei unmöglicher Vernehmung, 251 I Nr. 2. | An sich kein Vorhalt nötig, da ohnehin umfassende Aussagepflicht, bei Weigerung Verlesung. Möglich aber bei Erinnerungslücken oder Widerspruchen, 253. | Immer zulässig. |