Ist das beA unsicher?

Ich habe hier schon öfter vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) berichtet. Dabei handelt es sich – kurz gesagt – um ein Nachrichtensystem, bei dem Anwälte, Gerichte und bestimmte Behörden miteinander kommunizieren können. Man kann sich das Ganze wie eine Webmail-Oberfläche vorstellen. Die Mitteilungen sind sicher, nachprüfbar und rein digital, was in einer Sparte, die heute noch erschreckend oft per Fax kommuniziert, sehr sinnvoll ist.

Zu meinem Leidwesen nimmt die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht am beA teil, obwohl es gerade hier aufgrund der dicken Schriftsätze und Anlagen sehr praktisch wäre.

Nun aber werden Stimmen laut, dass das beA doch nicht so sicher ist, wie man gemeint hat. Konkret geht es darum, dass das beA keinen Nachweis darüber bietet, welche Schriftsätze und Anlagen man genau geschickt hat.

Zwei Meinungen dazu:

Ich wage noch keine eigene Einschätzung dazu. Mich betrifft es ohnehin wenig, da ich an die Gerichte, die das beA überhaupt anwenden, meist nur Akteneinsichtsgesuche oder ähnliche Schriftsätze richte.

Wenn ich mal fristgebundene Anträge stelle, sind das in aller Regel Anhörungsrügen. Diese haben in aller Regel keinen Anhang, sondern bestehen nur aus einer einzigen PDF-Datei. Diese Datei kommt entweder beim Gericht an oder nicht. Wenn sie nicht ankommt, wird mich das Gericht fragen, warum ich eine leere Nachricht geschickt habe – dann kann sich zur Not ein Sachverständiger in mein beA-Postfach einloggen und überprüfen, dass ich nicht Nichts abgeschickt habe.

Möglicherweise wird sich das als ein Scheinproblem herausstellen. Aber für Rechtsanwälte, die im Zweifel Jahre später nachweisen müssen, dass sie irgendeinen Nachweis auch wirklich mitgeschickt haben, dürfte zumindest ein gewisses Unbehagen bleiben.

Artikel zu Gnadengesuchen

Seit einiger Zeit bearbeite ich ein juristisches Feld, das sich am Schnittpunkt zwischen Staatsrecht und Strafrecht befindet, den Bereich der Gnadengesuche bzw. Begnadigungsentscheidungen.

Nun habe ich es endlich geschafft, ein paar grundlegende informative Texte dazu zu veröffentlichen. Auch mein geschätzter Kollege David-Joshua Grziwa, mit dem ich dabei häufig zusammenarbeite, hat einen Artikel dazu verfasst.

Viel Spaß beim Lesen!

Mein Tunnel nach Karlsruhe

Auf meinen Seiten schreibe ich immer so viel über die Versendung von Unterlagen an das Bundesverfassungsgericht – wie wichtig das ist, alles zu schicken und die Frist einzuhalten. Darum heute mal ein Bild meiner Direktverbindung nach Karlsruhe:

Die Tabak-Börse - "meine" Postfiliale.
Die Gröbenzeller Tabak-Börse – „meine“ Postfiliale.

Diese kleine Poststelle im Kaufland in Gröbenzell ist ca. einen Kilometer von meiner Kanzlei entfernt. Mittlerweile ist es das dortige Personal schon gewohnt, meine Express-Briefe und Express-Pakete entgegenzunehmen und ordnungsgemäß zu registrieren, damit sie am nächsten Tag beim Bundesverfassungsgericht sind.

Dieser private Laden, der nebenbei noch Lottoscheine entgegennimmt und Zeitschriften und Zigaretten verkauft, ist mir um ein Vielfaches sympathischer als die offizielle reine Postfiliale.

Natürlich könnte ich das Paket auch online vorfrankieren und damit ein paar Euro sparen. Aber weil ich will, dass dieser kleine private Laden auch seinen Verdienst bekommt und hoffentlich lange überlebt, stelle ich den Karton einfach auf den Tresen und lasse die Fachleute ihre Arbeit machen. Das mache ich in aller Regel auch persönlich und wälze es nicht auf meine Mitarbeiter ab.

Wenn Sie also von mir die Mitteilung bekommen, dass die Unterlagen auf dem Weg nach Karlsruhe sind, dann wissen Sie jetzt, wo sie diesen Weg angetreten haben.

In Sachen

Ein Gericht entscheidet in einer Sache, nicht über Sachen.
Ein Gericht entscheidet in einer Sache, nicht über Sachen.
Man hört immer mal wieder die Behauptung, dass Menschen vor Gericht wie Sachen behandelt würden. Begründet wird dies damit, dass in Urteilen und Schreiben des Gerichts oder auch in Sitzungsaushängen immer steht „in Sachen“. Also schreibt ein Zivilgericht bspw., dass es „in Sachen Müller gegen Meier“ verhandelt.

Grundsätzlich muss man sagen: Personen können keine Sachen sein. Das sind Begriffe, die sich diametral entgegen stehen. Eine Person ist ein Rechtssubjekt, also jemand, der Rechte und Pflichten hat. Eine Sache dagegen ist ein Rechtsobjekt, also etwas, an dem Personen Rechte haben können.

„Sache“ ist in der gerichtlichen Sprache einfach der Gegenstand der Verhandlung. Dass das eine Aussage über die Beteiligten sein soll, ist grammatikalisch unsinnig. Schließlich wird ja „in Sachen Müller gegen Meier“ verhandelt und nicht etwa „über die Sachen Müller und Meier“.

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Der weiße Cis-Mann in der Kanzlei

Geschlecht und sexuelle Ausrichtung der Mandanten sollten  keinen Anwalt interessieren.
Geschlecht und sexuelle Ausrichtung der Mandanten sollten keinen Anwalt interessieren.
In Berlin hat eine Kanzlei eröffnet, die sich ihrem Selbstverständnis nach vor allem an Minderheiten richtet. Diese Kanzlei hat bereits in verschiedenen Medien eine gewisse Berichterstattung bekommen. In einem (leider hinter der Paywall verborgenen) Artikel erklären die Gründerinnen anscheinend ihren Ansatz und werden wie folgt zitiert:

Der weiße Cis-Mann kann auch zu allen anderen Kanzleien gehen.

Um das mal zu übersetzen:

  • Weiß sind Menschen, denen man rein optisch eine andere als mitteleuropäische ethnische Herkunft nicht ansieht.
  • Cis- bedeutet, dass sich jemand durch eine Laune der Natur mit dem Geschlecht identifiziert, dem er auch tatsächlich biologisch angehört.
  • Mann ist immer noch Mann.

Ein solcher weißer Cis-Mann kann also, so die beiden Kolleginnen, zu allen möglichen Kanzleien gehen. Das ist sicher. Aber soll da etwa mitschwingen, dass eine Person, die nicht-weiß, nicht-cis und nicht-männlich ist, das nicht kann? Werden Frauen, vielleicht sogar schwarze Frauen, von Anwälten sofort vor die Tür gesetzt? Diese Vorstellung ist doch absurd.

„Der weiße Cis-Mann in der Kanzlei“ weiterlesen

Hintergründe und Ausblicke zur Pflichtverteidigung

Unter dem Titel „Verbeamtete Anwälte“ haben meine Kollegen Johanna Braun und Nico Werning einen sehr interessanten Beitrag zu den Hintergründen und Ausblicken des Rechtsinstituts der Pflichtverteidigung veröffentlicht.

Besonders interessante find ich die historischen Rückblicke, aus denen sich der Charakter der Pflichtverteidigung als „Verurteilungsbegleitung“ sehr deutlich zeigt.

Hier geht’s zum Artikel: https://strafverteidigertag.de/beitrag-freispruch/verbeamtete-anwaelte/

Welches Gericht ist zuständig?

Mich hat eine Anfrage erreicht, wie man denn in Auseinandersetzungen mit Behörden feststellen kann, welche Gerichte zuständig sind. Fragen nach Gerichtszuständigkeiten sind in diesem Bereich oft nicht so leicht zu beantworten:

Grundsätzlich kann man sagen, dass für Auseinandersetzungen zwischen dem Bürger und Behörden die Verwaltungsgerichte zuständig sind. Soweit es um sozial- oder steuerrechtliche Angelegenheiten geht, entscheiden spezialisierte Verwaltungsgerichte, nämlich die Sozialgerichte bzw. Finanzgerichte.

Allerdings sind bspw. Staatshaftungsklagen aus historischen Gründen vor den Landgerichten zu erheben, obwohl diese eigentlich auch vor die Verwaltungsgerichte gehören würden.

Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei sind auch die Verwaltungsgerichte zuständig, allerdings nur, wenn es sich um polizeiliches Handeln aus ordnungs-/sicherheitsrechtlichen Aspekten handelt. Soweit die Polizei im Rahmen der Strafverfolgung tätig war, sind die Strafgerichte zuständig. Die Abgrenzung ist in der Praxis oft nicht so einfach.

Wenn es um die Entziehung der persönlichen Freiheit, also Verhaftung im weitesten Sinne und aus welchem Anlass auch immer geht, sind dagegen fast in jedem Fall die Amtsgerichte zuständig.

Auseinandersetzungen mit dem Jugendamt, das auch eine Behörde darstellt, gehören dagegen grundsätzlich vor die Familiengerichte, die auch zur Zivilabteilung des Amtsgerichts gehören.

Es kommt auch durchaus einmal vor, dass sich die Gerichte nicht einig sind, wer eine bestimmte Entscheidung nun treffen muss oder darf. Ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen Richter liegt aber nur vor, wenn eine willkürliche Falschzuordnung eines Verfahrens zu einem bestimmten Gericht erfolgt ist.

Was ist eigentlich ein Völkerrechtler?

Völkerrecht ist eine sehr spezielle Rechtsmaterie.
Völkerrecht ist eine sehr spezielle Rechtsmaterie.
In den letzten Tagen hat eine juristische Profession endlich die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient. Die halbe Republik hat sich Gedanken darüber gemacht, wer bzw. was eigentlich ein Völkerrechtler ist.

Strafrecht schützt Titel als „Völkerrechtler“ nicht

Fangen wir mal, für die Thematik nicht ganz ungewöhnlich, bei der Gesetzeslage an. Welche Selbstbetitelungen rechtlich geschützt sind, regelt § 132a StGB, der den Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen unter Strafe stellt. Dort aufgeführt ist die Bezeichnung als Rechtsanwalt, nicht aber die des Völkerrechtlers. Der Begriff „Völkerrechtler“ ist auch nicht „zum Verwechseln“ ähnlich mit dem des Rechtsanwalts. Und schließlich handelt es sich dabei auch nicht um einen akademischen Grad, einen Titel oder eine öffentliche Würde, da es keinen Studiengang namens „Völkerrecht“ gibt und die Bezeichnung „Völkerrechtler“ hierzulande nirgend verliehen wird.

Frau Baerbock macht sich also mit einiger Sicherheit nicht strafbar, wenn sie sich als Völkerrechtlerin bezeichnet. Falls man eine persönliche Aufrichtigkeit diesseits des Hauptmanns von Köpenick sein eigen nennen will, ist das aber nicht alles.

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