Und sie unterschreiben doch

Seit einigen Jahren hält sich das Gerücht, Richter würden ihre Entscheidungen nicht unterschreiben, obwohl das eigentlich gesetzlich vorgesehen ist. Diese Annahme entstammt wohl der Tatsache, dass die Originale von Urteilen und anderen richterlichen Entscheidungen unterschrieben werden, diese aber weitgehend ungesehen in der Akte verbleiben.

Was man als Beteiligter eines Gerichtsverfahrens in die Hand bekommt, ist aber nicht das Original, sondern eine Ausfertigung oder eine bloße Abschrift. Diese Exemplare sind auch keine Kopien des Originals, sondern separate Ausdrucke, auf denen die Unterschriften durch den gedruckten Namen der Richter ersetzt werden.

Mehr dazu:

Herr Richter, unterschreiben Sie!

Nun gehört es aber zu meinem Berufsfeld, die Akten von Gerichtsverfahren einzusehen. Wenn ich eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil einreiche, dann fordere ich dafür regelmäßig die Gerichtsakten an, um diese zum Nachweis an das Bundesverfassungsgericht zu übersenden.

Um es kurz zu machen: Es ist alles unterschrieben.

Ich habe tausende, ziemlich sicher sogar eine fünfstellige Zahl gerichtlicher Entscheidungen gesehen. Von kleinen Verfügungen wie Terminsbestimmungen über Beschlüsse bis hin zu Urteilen. Von Amtsgerichten bis hin zum Bundesgerichtshof, von Verwaltungsgerichten bis zum Bundessozialgericht. Von allen Ebenen, von allen Gerichtszweigen, aus der gesamten Bundesrepublik.

Überall ist die Unterschrift drauf.

Seit ich dieses Gerücht kenne, was mittlerweile auch schon gut ein Jahrzehnt sein dürfte, habe ich explizit darauf geachtet. Und es ist alles unterschrieben. Ich habe noch keine Ausnahme davon gesehen.

Man kann natürlich darüber diskutieren, ob jede Unterschrift auch wirklich eine ganz korrekte Unterschrift ist. Manche sind einfache Schnörkel, die man vielleicht als bloße Paraphe anzweifeln könnte. Mehr dazu:

Urteilssammlung: Unterschrift oder Paraphe?

Urteilssammlung: Unterschrift oder Paraphe? (Teil 2)

Urteilssammlung: Unterschrift oder Paraphe? (Teil 3)

Es ist aber auch nicht klar, was ein Richter davon haben sollte, seine Entscheidungen nicht zu unterschreiben. Eine Verantwortlichkeit eines Richters für Fehlurteile gibt es praktisch nicht. Und die Vorstellung, ein Richter könnte hinterher sagen, das alles habe er gar nicht entschieden, weil zwar sein Name, nicht aber seine Unterschrift draufsteht, ist absurd.

Mir hat auch noch niemand, der die Unterschriften bezweifelt, eine nichtunterschriebene Entscheidung aus den Originalakten irgendeines Gerichts zeigen können. Wenn es sowas gibt, dann möge man mir es bitte schicken.

Und hier nun ein paar Beispiele für die Unterschriften:

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