Die Form eines Verwaltungsakts

Kaum eine offizielle Maßnahme ist derart formfrei wie ein Verwaltungsakt. Dies liegt daran, dass ein Verwaltungsakt („jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“, § 35 Satz 1 VwVfG) eine tagtägliche Handlungsform von Behörden ist. Permanent wird irgendetwas gegenüber dem Bürger geregelt. Gleichzeitig bezieht sich der eine Begriff des Verwaltungsakts aber auf viele verschiedene Rechtsgebiete und Situationen. Für diese alle einheitliche Formvorschriften festzusetzen, wäre einfach zu pauschal.

So ist es möglich, einen VA schriftlich, elektronisch oder mündlich zu erlassen. Und noch mehr, er kann auch in anderer Weise erlassen werden. (§ 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Diese andere Weise ist zum Beispiel – das mag sich makaber anhören – körperlich. Wenn ein Polizist mit dem Knüppel zuschlägt, dann handelt es sich dabei um einen Verwaltungsakt des unmittelbaren Zwangs, denn der Polizist sagt gleichzeitig „Dulde dieses Zwangsmittel!“. Diese Einordnung stammt noch aus früheren Zeiten, als der verfügbare Rechtsschutz gegen Nicht-Verwaltungsakte noch nicht so ausgeprägt war und man sich darum bemühte, auch solche staatlichen Eingriffe als VA zu deklarieren. „Die Form eines Verwaltungsakts“ weiterlesen

Die Wiederaufnahme des Verfahrens (I)

„Ne bis in idem“ lautet ein schöner lateinischer Rechtsspruch. Er bedeutet wörtlich (wenig erhellend) „Nicht zweimal im selben“ und meint, dass niemand wegen derselben Tat mehrfach verurteilt werden kann. Mehr noch, es kann auch niemand mehrfach angeklagt werden. Ein einmal ergangenes Urteil ist also endgültig, sobald es rechtskräftig ist. Das schließt freilich nicht die normalen Rechtsmittel (Berufung, Revision) aus, da diese nur das erste Urteil modifizieren. Sind aber alle Rechtsmittel durchlaufen oder wurde auf diese verzichtet, so ist das Urteil grundsätzlich in Stein gemeißelt. Freigesprochen ist freigesprochen und verurteilt ist verurteilt.

Die einzige Ausnahme ist ein sogenanntes Wiederaufnahmeverfahren. Mit ihm wird das Verfahren „wiederaufgenommen“, also neu durchgeführt. Da hierdurch die eigentliche Endgültigkeit des Urteils und die durch dieses hergestellte Rechtssicherheit durchbrochen wird, sind die Voraussetzungen, die das Gesetz vorsieht, sehr eng und wirkliche Ausnahmetatbestände. Dass ein Urteil einfach nur falsch ist, reicht in aller Regel nicht aus. Fehler im Urteil hätten im Rahmen der vorgesehenen Rechtsmittel gerügt werden müssen.

Die Gründe, um ein Urteil zulasten des Angeklagten aufzuheben, also ihn anstelle des Freispruchs zu verurteilen oder ihn anstelle der Verurteilung wegen einer leichteren Tat nun eines schwereren Vergehens oder Verbrechens anzuklagen, sind in § 362 StPO geregelt:

  1. Im Prozess wurde eine gefälschte Urkunde als Beweismittel verwendet.
  2. Ein Zeuge oder Sachverständiger hat vorsätzlich oder fahrlässig unter Eid oder vorsätzlich uneidlich falsch ausgesagt. (Die fahrlässige uneidliche Falschaussage genügt also nicht!)
  3. Ein Richter oder Schöffe hat sich durch das Urteil der Rechtsbeugung schuldig gemacht.
  4. Ein Freigesprochener hat die Tat nachträglich gestanden.

Zugunsten des Angeklagten sind die möglichen Gründe in den Punkten 1 bis 3 identisch wie oben, aber es gibt noch weitere Möglichkeiten (§ 359 StPO):

  1. Gefälschte Urkunde.
  2. Falschaussage.
  3. Rechtsbeugung.
  4. Das Strafurteil basierte auf einem Zivilurteil und dieses Zivilurteil wurde aufgehoben – äußerst selten.
  5. Es sind bisher unberücksichtigte Beweismittel oder Tatsachen aufgetaucht.
  6. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das Urteil für unrechtmäßig erklärt.

Ergänzend muss man sagen, dass diese ohnehin schon sehr strengen Voraussetzungen durch die Gerichte noch einmal enger ausgelegt werden und ein erfolgreicher Wiederaufnahmeantrag wirklich ganz, ganz selten ist.

Außerdem muss die Änderung des Urteils wesentlich sein. Gemäß § 363 StPO darf es nicht nur darum gehen, wegen der Tat eine niedrigere oder schwerere Strafe zu erreichen. Es muss also zumindest eine Verurteilung einer anderen Tat stattfinden. Beispiele:

  • Angeklagter wurde freigesprochen. Staatsanwalt will Verurteilung erreichen. => zulässig
  • Angeklagter wurde wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe verurteilt. Staatsanwaltschaft will Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe erreichen. => unzulässig, da es um dasselbe Strafgesetz geht
  • Angeklagter wurde wegen Totschlags verurteilt. Staatsanwaltschaft will Verurteilung wegen Mordes erreichen. => zulässig, da es um ein anderes Strafgesetz geht