Fall Peggy: Schuldspruch gegen Freispruch

Im Fall Peggy wurde Ulvi K. zunächst vom einen Gericht als Mörder verurteilt, dann vom anderen freigesprochen. Wie kann es nun sein, dass derselbe Sachverhalt derart gegensätzlich bewertet wird? Wenn die Entscheidungen so unterschiedlich ausfallen, ist es dann nicht von Vornherein ein Glücksspiel, welchen Richter man bekommt? „Fall Peggy: Schuldspruch gegen Freispruch“ weiterlesen

Fall Peggy: Lebenslänglich für einen geistig Behinderten

Im der ersten Auflage des „Peggy-Prozesses“ ist der Angeklagte Ulvi K. trotz eines angeblich nachgewiesenen Intelligenzquotienten von 68 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden. Wie kann es nun sein, dass ein geistig Behinderter – auch, wenn das Verbrechen derart schwer war – zur Höchststrafe verurteilt wird?

Das Strafgesetzbuch kennt die Schuldunfähigkeit, § 20 StGB. Wer nicht zurechnungsfähig ist, kann für seine Handlungen auch nicht bestraft werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vollständig vor, ist der Täter zumindest teilweise zurechnungsfähig. Gemäß § 21 StGB liegt verminderte Schuldfähigkeit vor, wenn die „Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ ist. „Fall Peggy: Lebenslänglich für einen geistig Behinderten“ weiterlesen

Fall Peggy: Welchen Beweiswert hat ein Geständnis?

Eines der bedeutendsten Beweismittel im „Fall Peggy“ war das (später widerrufene) Geständnis des zunächst Verurteilten und jetzt Freigesprochenen Ulvi K. Aber was genau bedeutet ein Geständnis für den Prozess?

Wenn jemand eine Tat gestanden hat, dann war er der Täter. Das dürfte zumindest in den Medien und in der landläufigen Meinung anerkannt sein. Wer in einem Zivilprozess zugibt, dass eine fremde Sache unrechtmäßiger Weise zerstört hat, und sich bereit erklärt, den Schadenersatz leisten, wird unweigerlich dazu verurteilt. Und im US-Strafprozess, den wir aus Filmen und Serien kennen, ist es nicht anders: Wer sich schuldig bekennt, ist schuldig. „Fall Peggy: Welchen Beweiswert hat ein Geständnis?“ weiterlesen

Fall Peggy: Freispruch für Ulvi K.

Ulvi K.*, vor neun Jahren als Mörder im „Fall Peggy“ verurteilt, ist heute im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden. Neben der sich aufdrängenden Frage, wer nun tatsächlich der Mörder ist, sind aber auch noch andere Dinge zu interessant:

Diesen Fragen werden wir uns in den nächsten Tagen widmen.

* Der volle Name wird in den Medien in schönem Wechsel mit der Abkürzung genannt, sodass er mittlerweile sich kein Geheimnis mehr ist. Wir begnügen uns trotzdem damit, die Abkürzung zu verwenden.

100 % Durchfaller beim Abitur: Eltern klagen gegen Schule

Im Jahr 2013 fiel der gesamte Abiturjahrgang einer (privaten) Fachoberschule durch das (staatliche) Abitur. Ganz korrekt ist das allerdings nicht, denn zwei der 27 Schüler konnten über die mündlichen Prüfungen noch das Bestehen sichern – freilich mit nicht gerade berauschenden Noten, aber bestanden ist bestanden. Nun stellt sich die Frage nach einem Schadenersatzanspruch der Eltern gegen die Schule.

Laut FAZ klagt nun der überwiegende Teil der Eltern gegen die Schule auf Rückerstattung des Schulgelds. Wie der Prozess ausgehen wird, lässt sich freilich ohne nähere Detailkenntnis nicht vorhersagen. Man kann aber anhand des konkreten Beispiels einige grundsätzliche Fragen diskutieren. „100 % Durchfaller beim Abitur: Eltern klagen gegen Schule“ weiterlesen

Verjährung von Steuerhinterziehung wird verlängert

Wieder einmal hat die Diskussion darüber begonnen und diesmal soll es tatsächlich umgesetzt werden: Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung wird verlängert, und zwar von fünf auf zehn Jahre.

Zunächst ein kurzer Exkurs über das Wesen der Verjährung: Nach Ablauf der Verjährungsfrist kann eine Straftat nicht mehr verfolgt werden, § 78 Abs. 1 StGB. Der Grund dafür ist einerseits der natürliche Schwund an Beweismitteln – Zeugen können sich nicht mehr so genau erinnern, Dokumente existieren nicht mehr usw. Andererseits hat die Zeit aber auch eine schuldtilgende Wirkung – wenn jemand vor zwölf Jahren ohne Ticket mit dem Bus gefahren ist, dann ist das heute nicht mehr wirklich bedeutsam. Aus letzterem Grund ist die Verjährungsfrist auch von der Schwere der Tat abhängig. „Verjährung von Steuerhinterziehung wird verlängert“ weiterlesen

Katze trifft Auto

Man nehme folgenden Fall: Eine Katze läuft in ein Auto. Die Katze wird verletzt, es entstehen Tierarztkosten. Das Auto wird beschädigt und muss repariert werden. Wer zahlt?

Das deutsche Schadenersatzrecht ist vom Verschuldensgrundsatz geprägt. Zahlen muss nur der, den ein Verschulden trifft, der als „etwas dafür kann“. In diesem Fall kann man (wenn sich beide ordnungsgemäß verhalten haben) weder dem Besitzer der Katze noch dem Autofahrer einen Vorwurf machen. Also müsste jeder seinen Schaden selbst zahlen und keiner hätte einen Anspruch gegen den anderen. „Katze trifft Auto“ weiterlesen

Wie viel bekommen Parlamentsfraktionen?

In wenigen Tagen beginnt die neue Legislaturperiode der Kommunalparlamente in Bayern. Zwar sind die Gemeinderäte, Stadträte und Kreistage eigentlich keine Parlamente im engeren Sinne, sondern Exekutivorgane, aber der Begriff „Parlament“ hat sich eingebürgert. Mit Parlamenten haben sie auch eines gemeinsam, worum es heute geht: Die Fraktionen.

Fraktionen sind Zusammenschlüsse mehrerer Abgeordneter der gleichen Partei oder mit gleicher politischer Zielrichtung. Innerhalb der Fraktion teilen sie sich in aller Regel die Parlamentsarbeit. Zur Unterstützung bei dieser Arbeit erhalten die Fraktionen bestimmte Gelder zugeteilt, um z.B. Personal zu beschäftigen, Bürogegenstände anzuschaffen oder ihre Tätigkeit in der Öffentlichkeit darzustellen. Diese Mittel sind bei kleinen Gemeinden spärlich bis nicht vorhanden, in großen Städten dagegen meist recht ansehnlich. Darum kommt es ab und zu zu kommunalrechtlichen Streitigkeiten über ihre Höhe. „Wie viel bekommen Parlamentsfraktionen?“ weiterlesen

Die nachträgliche Gesamtstrafe (II)

Fortsetzung zu: Die nachträgliche Gesamtstrafe (I)

Schwer erträglich sind aber auch die Rahmenbedingungen für die Bildung der Gesamtstrafe. Dass die Zahl der Tagessätze der Gesamtstrafe die höchste Einzelstrafe überschreiten muss, haben wir bereits festgestellt. Nach der Rechtsprechung muss aber auch die Summe der Einsatzstrafe erhöht werden. Und dies kann zu Problemen führen, wenn sich das Einkommen des Angeklagten verändert.

Beispiel:

(Zum besseren Verständnis sollte zunächst der Artikel über die Festsetzung einer Geldstrafe nach deutschem Strafrecht gelesen werden, ansonsten sind die Überlegungen bzgl. der Tagessätze und ihrer Berechnung möglicherweise schwer verständlich.)

Jemand wird zunächst zu 80 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Danach bekommt er in einem weiteren Verfahren 60 Tagessätze zu je 20 Euro, weil er mittlerweile weniger verdient. Das Gericht stellt fest, dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorliegen. Weil er jetzt wieder etwas mehr verdient, liegt der Tagessatz nun bei 30 Euro. Normalerweise würde das Gericht also aus 80 und 60 Tagessätzen 110 machen, das sind dann, multipliziert mit 30 Euro, 3300 Euro Geldstrafe. Jetzt stellt sich das Problem, dass das weniger ist als die 80×45=3600 Euro der ersten Verurteilung. Und das darf laut BGH nicht sein.

Was kann das Gericht nun machen? Entweder es erhöht die Höhe des Tagessatzes. Das widerspricht aber dem Sinn des Tagessatzes und damit dem Gesetz (§ 40 Abs. 2 StGB). Also muss die Mindestsumme (wir brauchen mehr als 3600 Euro) über die Anzahl der Tagessätze erreicht werden. Es müssen also mindestens 11 weitere Tagessätze zur Gesamtstrafe addiert werden, denn 121×30 ergibt 3630 Euro und damit zumindest etwas mehr als die Einsatzstrafe.

Wir erinnern uns: Die Anzahl der Tagessätze sagt etwas über die Schwere der Straftat(en) aus, nicht die Gesamtsumme der Geldstrafe. Die Gesamtsumme ist nur das Ergebnis aus Tatschwere und Einkommen des Täters. Hier wird aber von der Rechtsprechung vorgegeben, dass ein bestimmtes Ergebnis herauskommen muss. Es wird also aus mathematischen Gründen eine Tatschwere fingiert, die gar nicht vorliegt. Das Gericht muss hier 11 weitere Tagessätze festlegen, die der Täter eigentlich gar nicht verdient hat. Das ist aberwitzig.

Ein weiteres, noch aberwitzigeres Beispiel:

Jemand wird zunächst zu 80 Tagessätzen zu je 45 Euro verurteilt. Danach bekommt er in einem weiteren Verfahren 60 Tagessätze zu je 20 Euro, weil er mittlerweile weniger verdient. Das Gericht stellt fest, dass die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung vorliegen. Weil sich seine finanziellen Verhältnisse nicht gebessert haben, liegt der Tagessatz immer noch bei 20 Euro.

Bisher betrugen die Geldstrafen 140 Tagessätze, teils zu 45 und teils zu 20 Euro. Nun muss eine Geldstrafe mit weniger als 140 Tagessätzen, alle zu 20 Euro, gebildet werden, die höher ist als die bisher höhere Strafe. Das ist mathematisch gar nicht möglich, da das Maximum von 139 Tagessätzen á 20 Euro nur 2780 Euro beträgt, also weniger als die bisher höhere Strafe. Das Gericht muss dann also doch wieder den Tagessatz anheben.

Wie könnte man das Dilemma nun lösen?

Die erste Variante würde nur auf die Summen abstellen und eine Mittelstrafe aus diesen bilden: Im Beispiel müsste also eine Gesamtstrafe zwischen 3600 und 4800 Euro festgelegt werden. Hier bietet sich eine Summe „in der Mitte“ an, also nehmen wir einmal 4200 Euro. Parallel dazu müsste man auch die Zahl der Tagessätze dergestalt ausurteilen, also landet man bei 110. Aus diesen beiden Daten kann man dann die Höhe des Tagessatzes ausrechnen, also 4200 geteilt durch 110 = ca. 38 Euro. (Damit verlässt man zwar die Linie der allgemeinen Strafzumessung, befindet sich aber auf einer Linie mit dem BGH.)

Mit diesem Ergebnis liegt sowohl die Summe als auch die Zahl der Tagessätze im üblichen Rahmen. Und die Höhe der Tagessätze würde damit auch gemittelt. Das entspricht zwar nicht den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung, aber es berücksichtigt die Tatsache, dass er ja (zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung) mehr verdient hat als jetzt und sich damit auch eine höhere Geldstrafe „leisten“ konnte.

Die Alternative wäre freilich, das Summenerfordernis fallenzulassen. Dann kann die Gesamtstrafe geringer sein als die höhere Einzelstrafe. Das mag zwar dem Rechtsempfinden so manchen Bürgers widersprechen, wäre aber systematischer. Und man muss auch keine Angst haben, dass damit so mancher sich durch eine neue Straftat eine geringere Strafe „ergaunert“. Denn die neue Straftat müsste er vor Rechtskraft der alten begangen haben. Also zu einem Zeitpunkt, wo er eine Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse noch vor Gericht geltend machen könnte.

Das Verschuldensprinzip bei der Mietminderung

Mit dem Verschuldungsprinzip im Mietrecht beschäftigt sich unsere Partnerseite Ver-/Mieter-Notruf. Genauer geht es um die Frage, wie sich das Verschulden des Vermieters, des Mieters oder einer sonstigen Person auf die Möglichkeit, eine Mietminderung geltend zu machen, ausüben.

Viel Spaß beim Lesen: Mietminderung: Wer ist schuld?