Bin ich ein Organ der Rechtspflege?

Anwälte sind Organe der Rechtspflege. Das zumindest sagt das anwaltliche Berufsrecht (§ 1 Bundesrechtsanwaltsordnung). Damit soll zum einen zum Ausdruck kommen, dass der Anwalt nicht nur für seinen aktuellen Mandanten da ist, sondern das große Ganze der Rechtsordnung im Auge haben muss. Andererseits bedeutet das aber auch, dass es keine Überordnung der staatlichen Juristen wie Richter oder Staatsanwälte gibt, sondern der Anwalt eine genauso vertrauensvolle Stellung genießt.

Trotzdem kann ich mich mit diesem Titel nicht ganz anfreunden. Warum das so ist, möchte ich hier kurz ausführen.

Zum einen bedeutet „Organ“ eine gewisse Distanzierung von sich selbst. Ein Verfassungsorgan ist bspw. entpersonalisiert, der Inhaber des Amtes handelt nicht mehr als Privatperson, sondern mehr als Sachwalter des Staates. Ebenso ist der Vorstand eines Vereins ein organisatorischer Teil desselben und nicht mehr als individuelle Person erkennbar, sondern muss die Gesamtinteressen über die eigenen, aktuellen stellen.

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AfD-Antrag zu Verfassungsbeschwerden

Wird eine Verfassungsbeschwerde eingereicht, muss das Bundesverfassungsgericht über diese entscheiden. Doch längst nicht jede Verfassungsbeschwerde wird vom gesamten Senat aus acht Richtern behandelt, geschweige denn im Wege einer mündlichen Verhandlung. Die allermeisten Verfassungsbeschwerden werden nur durch eine Kammer, also durch drei Richter, entschieden. Dabei wiederum gibt ein Richter (der sogenannte Berichterstatter) den Ton an, die inhaltliche Arbeit macht meist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Gibt die Kammer der Verfassungsbeschwerde – wie meist – keine Chance auf Erfolg, wird sie gar nicht erst zur Entscheidung angenommen und unmittelbar abgewiesen. Diese Form der Entscheidung (bzw. Nicht-Entscheidung) bedarf keiner weiteren Begründung.

Die AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag nun den Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (Gesetz zur Einführung der Begründungspflicht) eingebracht.

Der Inhalt des Gesetzes ist sehr überschaubar. Aus § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf keiner Begründung.

sollen nun die folgenden drei Sätzen werden:

Die Ablehnung der Annahme der Verfassungsbeschwerde bedarf einer Begründung. Es genügt, die für die Nichtannahme im konkreten Sachverhalt wesentlichen Punkte darzulegen. Sie ist zu veröffentlichen.

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Wie kann man ein solches Mandat nur übernehmen?

Als Anwalt wird man häufig gefragt, wie man ein bestimmtes Mandat nur übernehmen kann. Warum verteidigt man einen Mörder/Vergewaltiger/Kinderschänder? Warum vertritt man einen Straftäter, der alte Frauen mit dem „Enkeltrick“ betrogen hat?

Man könnte die Frage ganz pragmatisch beantworten: Wenn ich es nicht mache, dann macht es jemand anderes. Es ist keinesfalls so, dass man einem schlechten Menschen die Unterstützung versagen kann, indem man seine Sache nicht vertritt. Es gibt auch andere Anwälte, ziemlich viele sogar. Irgendeiner von diesen findet sich immer. Insofern ergibt es wenig Sinn, gerade als aufrichtiger Anwalt, dieses Mandat einem Kollegen zu übergeben, der vielleicht windiger agiert als man selbst und keine Hemmungen hat, seinen Mandanten auch mit schmutzigen Tricks zu verteidigen. „Wie kann man ein solches Mandat nur übernehmen?“ weiterlesen

Bundesverfassungsgericht zu Lockspitzeln

Wenn der Staat durch rechtswidrige Handlungen seinerseits eine Straftat herbeiführt, kann der „Täter“ trotzdem bestraft werden, allerdings etwas milder als üblich. Das ist die Kernaussage des vielbeachteten Lockspitzel-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 209, 240, 262/14). Mit dieser Entscheidung wendet sich das höchste deutsche Gericht mit Volldampf gegen den Rechtsstaat.

Ein Lockspitzel, auch als agent provocateur bezeichnet, ist jemand, der einen anderen im Auftrag des Staates zur Begehung einer Straftat anstiften soll. Diese Praxis ist genau so unanständig wie sie sich anhört. Und mehr noch: Das Bundesverfassungsgericht hält sie für rechtsstaats- und damit verfassungswidrig. Damit sollte man meinen, dass jemand, der im Auftrag des Staates eine Straftat begeht, mangels verwerflicher Handlung nicht bestraft werden kann. „Bundesverfassungsgericht zu Lockspitzeln“ weiterlesen