Bundesverfassungsgericht zu Lockspitzeln

Wenn der Staat durch rechtswidrige Handlungen seinerseits eine Straftat herbeiführt, kann der „Täter“ trotzdem bestraft werden, allerdings etwas milder als üblich. Das ist die Kernaussage des vielbeachteten Lockspitzel-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 209, 240, 262/14). Mit dieser Entscheidung wendet sich das höchste deutsche Gericht mit Volldampf gegen den Rechtsstaat.

Ein Lockspitzel, auch als agent provocateur bezeichnet, ist jemand, der einen anderen im Auftrag des Staates zur Begehung einer Straftat anstiften soll. Diese Praxis ist genau so unanständig wie sie sich anhört. Und mehr noch: Das Bundesverfassungsgericht hält sie für rechtsstaats- und damit verfassungswidrig. Damit sollte man meinen, dass jemand, der im Auftrag des Staates eine Straftat begeht, mangels verwerflicher Handlung nicht bestraft werden kann.

Aber weit gefehlt: Es reicht, wenn er etwas milder bestraft wird.

Im konkreten Fall wurde jemand, der mit Billigung der Staatsanwaltschaft Drogen einführte, daher „nur“ zu knapp fünf Jahren Haft verurteilt. Das ist natürlich wahnsinnig großzügig, dass man jemanden das Leben nur halb kaputtmacht, dafür, dass er genau das getan hat, was der Staat von ihm verlangt hat.

Und dazu muss man sich auch noch einmal ansehen, was der Lockspitzel hier getan hat: Er hat immer wieder auf den späteren „Täter“ eingeredet, ihm doch bitte die Drogen zu beschaffen. Der später Verurteilte hat abgelehnt. Er hat gesagt, er wolle mit diesem „Dreckszeug“ nichts zu tun haben. Der Lockspitzel hat weiter gebohrt. Und irgendwann wurde der andere dann weich und hat seine Kontakte spielen lassen.

Sie fragen, welche Strafe der agent provocateur dafür bekommen hat? Ein Erfolgshonorar. Abhängig von der sichergestellten Menge an Drogen.

Und das Bundesverfassungsgericht konnte sich nicht dazu durchringen, diese Verurteilung komplett zu kippen. Mehr noch, man hat die Sache per Kammerbeschluss erledigt und gar nicht erst zur Entscheidung angenommen. Und die drei damit befassten Richter haben es nicht einmal für notwendig befunden, diesen Beschluss vollständig zu begründen.

Dabei hat das Gericht nicht einmal die Praxis für zulässig gehalten: Es hat sie explizit für rechtswidrig erklärt. Und trotzdem darf verurteilt werden. Das ist eine Tragödie für den Rechtsstaat und ein Armutszeugnis für das Karlsruher Gericht. Was ist unsere Verfassung denn noch wert, wenn wir rechtsstaatliche Grundsätze derart mit Füßen treten?

Man kann jeden Bürger zu irgendeiner Straftat überreden. Man muss nur lange genug an ihn hinreden, irgendwann wird er es tun. Oder er sagt nur einen verräterischen Satz und ist dann wegen Verabredung eines Verbrechens strafbar.

Wenn wir anfangen, Straftaten zu ahnden, wenn sie nur in der Phantasie des Täters existieren und diese Absichten aufgrund staatlichen Drucks entstanden sind, sind wir nicht mehr weit davon weg, im Orwell’schen Sinne Gedankenverbrechen zu verfolgen.

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