Recht ist überall

Die Welt da draußen besteht aus Recht. Gesetze, Gebote, Verbote, Vorschriften – es ist alles Recht. Daneben gibt es noch Naturwissenschaften, aber das war es dann im Wesentlichen schon. Nicht selten kollidieren Recht und Naturwissenschaften auch. Das Parlament des US-Bundesstaates Indiana wollte einst den Wert der Zahl Pi (Sie wissen schon, Dreikommavierzehn, das Verhältnis zwischen Umfang und Radius eines Kreises) per Gesetz festlegen. Man war sich nicht ganz sicher, ob Pi nun besser 3,2 oder 4,0 sein sollte, aber einer Regelung hätte es ganz sicher bedurft. Im Endeffekt hat man es dann doch gelassen und sich mit dem mathematischen Wert begnügt. Aber interessant wäre es sicher schon gewesen, welche Wissenschaft hier den Sieg davongetragen hätte…

Wer die Welt erklären will, muss also das Recht erklären. Freilich, wir hätten auch eine erklärende Homepage über Physik, Biologie oder Chemie anlegen können. Aber in den Naturwissenschaften – seien wir mal ehrlich – ändert sich ja nichts mehr. Das Universum ist da und es wird auch noch einige Zeit da bleiben. Daran können die Wissenschaftler nicht viel ändern, sie können nur das, was da ist, beobachten und mehr schlecht als recht erklären.
Die Möglichkeiten der Juristerei sind da schon ganz andere: Juristen reden nicht nur über das Recht, sie schaffen auch neues. Jeden Tag, jede Stunde, permanent. Der Bundestag schafft Recht. Die Länder und Gemeinden auch. Sogar die Gerichte. Und die – selbstverständlich überbezahlten und unterbeschäftigten – Professoren an den Universitäten auch. Wofür gibt es denn Myriaden von juristischen Zeitschriften, wenn nicht dafür, dort neue Erkenntnisse zu publizieren? Und es müssen nicht einmal Erkenntnisse sein. Eine neue Meinung zu einer alten Frage und Sie haben die juristische Fachwelt zum Überlegen gebracht. Besser noch: Jemand anders kann auf Sie reagieren und auch etwas publizieren.

All das ist Recht. Nicht unbedingt in dem Sinne, dass sich wegen eines Artikels in einer Fachzeitschrift ein Gesetz ändern würde. Aber Sie haben eine neue Interpretationsmöglichkeit für bestehende Gesetze erfunden. Studenten werden Sie in Hausarbeiten zitieren. Für das Ego ist das doch das wichtigste. Das alles mag den juristischen Laien nicht groß interessieren. Aber es zeigt eines: Das Recht ist eine Wissenschaft, die sich auf sich selbst bezieht. Sie kann neue Probleme und Fragen erfinden und sich dann auch gleich an die Lösungen dazu machen. Ist das nicht ein tolles Beschäftigungsfeld? Der gemeine Physiker hat es da nicht so einfach. Er kann nicht von heute auf morgen einen neuen Planeten schaffen. Und der Chemiker kann nicht schnell ein neues Element erfinden. Der Jurist kann es und tut es.

Und weil die Juristerei so eine tolle Wissenschaft ist, hängt ihr ein gewisser Nimbus den Unbegreifbaren nach. Recht ist etwas, das an den Universitäten gelehrt und in den Gerichten gesprochen wird. Dazu gibt es noch Anwälte, die uns durch dieses Dickicht helfen und deren Fachwissen und Rechnungen wir schutzlos ausgeliefert sind.

Diese Homepage ist nicht dazu da, den geneigten Leser zum Juristischen Hochschulabschluss zu führen. Das schafft kein Buch und keine Internetseite, das schaffen offensichtlich nicht einmal unsere Universitäten: Ein Drittel der Studenten fällt beim ersten Staatsexamen durch und ein weiteres Drittel besteht gerade so (und hat damit im Haifischbecken des juristischen Arbeitsmarkts kaum eine Chance). Nach dem Lesen werden Sie sich zu keinem dieser Drittel zählen dürfen, aber Sie verstehen vielleicht das nächste Mal, warum der Anwalt für zwei spärlich beschriebene DIN-A4-Seiten ein vierstelliges Honorar ansetzt. In dem Moment denken Sie sich möglicherweise „Gut, dass ich den ganzen Blödsinn nicht verstehen muss, mir hat die Lektüre des von ein paar Artikeln auf dieser Homepage schon gereicht“.

Urheber und Kunde: Wer hat welche Rechte?

In einem unserer letzten Artikel haben wir uns mit den Urheber-, Verwertungs- und Nutzungsrechten nach dem UrhG beschäftigt. Dabei wurde klar, dass das Urheberrecht nicht übertragbar ist und der Urheber das umfassende Verwertungsrecht besitzt, sodass er gegebenenfalls an andere Personen, die sein Werk verwenden wollen, Nutzungsrechte übertragen muss.

Das gilt auch für einen etwaigen Kunden, der durch seinen Auftrag die Erstellung des Werks erst ausgelöst und dementsprechend ein Interesse an der Verwendung des Ergebnisses hat. Wie eine solche Übertragung aussehen kann, dem wollen wir uns heute widmen.

Als Beispiel nehmen wir einen Fotografen, der von seinen Kunden Fotos macht, also Bewerbungsbilder, Passbilder oder Familienportraits. Fotos („Lichtbildwerke“) sind ein Werk im Sinne des Urhebergesetzes. Dabei gilt heute praktisch jedes vom Menschen gemachte Foto als Lichtbildwerk, ein einfaches „Lichtbild“ mit geringerem Schutz stellen praktisch nur noch rein technisch gemachte Fotos dar, z.B. Automatenbilder oder Aufnahmen von Überwachungskameras. Man also auf jeden Fall annehmen, dass der Fotograf, ob ausgebildet oder nicht, Lichtbildwerke herstellt. Und wenn er auf’s Knöpfchen seiner Kamera drückt, entsteht jedesmal ein Lichtbildwerk auf der Speicherkarte.

Er ist als Knöpfchendrücker der Urheber des Bilds (§ 7 UrhG). Das „Model“, also die abgebildete Person, hat dagegen keine urheberrechtlich relevante Rolle, insbesondere wird er nicht Miturheber des Bilds gemäß § 8 UrhG. (Hier gibt es durchaus abweichende Meinungen, eine Urheberschaft des Abgebildeten dürfte aber nur in ganz seltenen Fällen vorliegen, wenn bspw. das Model eine ganz bestimmte, von ihm selbst festgelegte Pose einnimmt und so ganz entscheidend auf das Bild Einfluss nimmt. Bei den hier im Raum stehenden Fotos, die einfach nur die Personen zeigen sollen, ist dies sicher nicht der Fall.)

Der Besteller und der Abgebildete haben lediglich das Recht nach § 60 UrhG, Kopien der Bilder anzufertigen (im alten Sprachgebrauch: Abzüge zu bestellen) und diese unentgeltlich zu verteilen. Man darf also seine Familienfotos in beliebiger Zahl zu Weihnachten verschenken. Verwendet man die Bilder für seine geschäftliche Visitenkarte, handelt es sich um einen gewerblichen Zweck, der nicht mehr umfasst ist. Auch die Verwendung im Internet ist als öffentliche Zugänglichmachung etwas anderes als das reine „Offline-Verteilen“, das von § 60 UrhG erlaubt ist.

Da der normale Kunde dann doch etwas mehr will als diese doch ziemlich spärliche Rechte, stellt sich also die Frage, welche Rechte der Auftraggeber an den Bildern erhalten soll. Dabei gibt es in der Praxis sehr unterschiedliche Gestaltungen und Formulierungen, auf die wir kurz eingehen wollen:

Dem Fotografen steht als Urheber das alleinige Verwertungsrecht an den Fotos gemäß Urheberrechtsgesetzes zu. Der Kunde verzichtet auf mögliche Miturheberrechte (§ 8 Abs. 4 UrhG).

Das ist relativ unproblematisch, da nur die gesetzlichen Regelungen wiederholt werden. Der zweite Satz stellt klar, dass der Kunde kein Miturheber ist, was in aller Regel nicht extra vereinbart werden muss, siehe oben.

Die Rechte des Kunden bestimmen sich nach dem Urheberrechtsgesetz.

Das UrhG hält kaum Kundenrechte bereit. Im Endeffekt würde dieser pauschale Verweis also bedeuten, dass der Kunde nur seine Vervielfältigungsrechte nach § 60 UrhG (siehe oben) wahrnehmen kann.

Der Kunde verzichtet auf sein Recht nach § 60 UrhG. Sämtliche Vervielfältigungen der Bilder müssen über den Fotografen bezogen werden.

Das ist äußerst ungünstig für den Kunden, da er damit jeden Abzug kaufen muss. Gerade heute, wo man Bilder für ein paar Cent in Supermärkten und Drogerien entwickeln lassen kann, bedeutet so eine Vereinbarung einen enormen Nachteil.

Jede Nutzung eines Bildes ist nur mit einem Urheberhinweis zulässig.

Eine prinzipiell verständliche Forderung des Fotografen, die dann auch tatsächlich strikt eingehalten werden muss. Auf jedem Abzug muss der (meist konkret vorgegebene) Urheberrechtsvermerk stehen.

Die Negative bzw. Daten verbleiben ausschließlich beim Fotografen. Eine Herausgabe der Negative bzw. Daten an den Kunden erfolgt nur, wenn dies gesondert vereinbart wurde.

Eine übliche Klausel, die aber bedeutet, dass eine Vervielfältigung am Drogerie-Automaten unmöglich ist. Man hat lediglich – soweit nicht anderweitig ausgeschlossen – die Möglichkeit, das Bild einzuscannen, um so unter gewissen Qualitätsverlusten eine Datei zu bekommen. Das Einscannen ist als Privatkopie (§ 53 UrhG) zulässig.

Der Kunde erhält das Urheberrecht an den Bildern.

Das ist rechtlich nicht möglich, da das Urheberrecht beim Fotografen bleibt und nicht übertragbar ist. (Die einzige theoretisch denkbare Übertragung wäre durch Erbschaft, aber der Fotograf hat wohl in aller Regel nicht vor, zu sterben…) Aber aus der – sehr kundenfreundlichen – Formulierung spricht, dass der Fotograf seine Rechte an den Bildern nicht für sich behalten will. Im Wege der Auslegung müsste man diese falsche Formulierung also so verstehen, dass der Kunde mit den Bildern grundsätzlich alles tun darf, was er will. Eine elegantere Formulierung wäre daher:

Der Kunde erhält alle übertragbaren Nutzungsrechte an den Bildern

Damit ist rechtlich klargestellt, dass der Kunde die Bilder umfassend verwenden darf. Es bietet sich sicher noch an, dies in Alltagssprache näher auszuführen, also bspw. die Nutzung im Internet und vor allem in sozialen Netzwerken und die Erstellung von Drucksachen ausdrücklich zu gestatten. Ebenso kann der Einsatz zu geschäftlichen Zwecken eigens erwähnt und erlaubt (oder auch ausgeschlossen) werden.

ohne zeitliche, räumliche oder inhaltliche Einschränkungen

Dieser Zusatz geht noch einmal „auf Nummer sicher“ und stellt klar, dass die Rechte absolut umfassend sind.

Welche Formulierung man verwendet oder einfordert, liegt am jeweils vorausgesetzten Zweck. Insgesamt ist aber eine Tendenz zu recht restriktiven Bestimmungen, die vor allem die Rechte des Fotografen im Blick haben, zu beobachten.

Richter Bärli vom Bundesbärengericht weint

Aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine Verfassungsbeschwerde (Beschluss vom 14.09. 2010, 1 BvR 2070/10:

(Die Beschwerdeführerin der Verfassungsbeschwerde) beschränkt sich vielmehr im Wesentlichen auf eine Kritik an Kulturschaffenden und begehrt vom Bundesverfassungsgericht eine Grundsatzentscheidung zu der Frage, ob die Musik von Richard Wagner an bestimmten Tagen aufgeführt werden darf. Sie hat dem Bundesverfassungsgericht ferner mitgeteilt, dass „Richter Bärli“ vom „Bundesbärengericht“ zwei Tage über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geweint habe.

(…)

Trotz des zutreffenden Hinweises des Präsidialrats auf die völlig unzureichende Begründung der Verfassungsbeschwerde hat die Beschwerdeführerin auf einer Behandlung durch die Kammer bestanden und ihr völlig neben der angegriffenen Entscheidung liegendes Vorbringen vertieft, zuletzt etwa durch den Hinweis, dass es kein Zufall sein könne, dass in der Bundesversammlung am 30. Juni 2010 alle Politiker blaue Sachen getragen hätten.

Wie entscheidet nun die Kammer des Bundesverfassungsgerichts, wenn sie über eine derartige Verfassungsbeschwerde entscheiden soll? Einfach ignorieren kann man den Antrag nicht, da jeder Bürger grundsätzlich einen Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Das ist richtig so und daran sollte auch nicht gerüttelt werden. Wenn eine Klage aber völlig aussichtslos ist, gibt es durchaus Möglichkeit, sie geräuschlos zu erledigen.

Zum einen kann das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht annehmen, wenn sie nicht zur Durchsetzung der Rechte des Betroffenen dient (§ 93a BVerfGG). Diese Entscheidung trifft die Kammer (§ 93 BVerfGG), also die kleinste Einheit des Bundesverfassungsgerichts. Sie besteht aus lediglich drei der acht Richter des zuständigen Senats. Zudem ergeht die Entscheidung nach Aktenlage, also ohne mündliche Verhandlung (§ 93d Abs. 1 Satz 1). Das erspart schon einmal relativ viel Arbeit.

Und außerdem gibt es die Möglichkeit, eine Missbrauchgebühr bis zu 2600 Euro zu verhängen (§ 34 Abs. 2 BVerfGG). Damit soll verhindert werden, dass das an sich kostenfreie Verfahren für Klagen „ins Blaue hinein“ benutzt wird. Allerdings muss es sich wirklich um einen Missbrauch handeln, also um eine mutwillige Beschwerde, die keinerlei Aussicht auf Erfolg hat und aus reiner Querulanz heraus eingelegt wurde. Die genauen Kriterien sind nicht abschließend geklärt, aber jedenfalls reicht es nicht aus, wenn die Klage einfach nur unbegründet ist.

Freilich sind diese Instrumente nicht unumstritten. Sie sollen und dürfen nicht dazu führen, dass berechtigte Anliegen kurz und bündig abgebügelt oder durch die Gefahr einer hohen „Strafgebühr“ abgewehrt werden. Die Grenze zwischen Entlastung und Rechtsverweigerung ist dabei sehr dünn. Bisher lässt sich aber nicht feststellen, dass ein allzu leichtfertiger Umgang mit diesen Möglichkeiten stattfindet.

Hier hat die Kammer die Beschwerde nicht angenommen und eine Missbrauchsgebühr von 300 Euro beschlossen. Eine Reaktion von Richter Bärli ist bis dato nicht bekannt.

Ohne Führerschein fährt es sich besser

Man muss zwischen der Fahrerlaubnis und dem Führerschein unterscheiden. Die Fahrerlaubnis ist das abstrakte Recht, ein Auto (oder, je nach Klasse, ein Motorrad, einen Lkw, einen Bus usw.) zu fahren. Der Führerschein, also die Papierurkunde, heute ein Plastikkärtchen, ist die Verkörperung dieses Rechts. Wenn man den Führerschein nicht mehr finden kann, ändert das nichts an der Fahrerlaubnis. Umgekehrt nützt es mir nichts, wenn ich (z.B. durch gerichtliches Urteil) meine Fahrerlaubnis verloren habe, aber den Führerschein immer noch in Händen halte. Wer ohne gültige Fahrerlaubnis fährt, macht sich strafbar gemäß § 21 StVG und hat eine Geldstrafe um die drei Monatsgehälter oder sogar Gefängnis bis zu einem Jahr zu erwarten. Zum Fahren muss ich den Führerschein dabeihaben (§ 4 Abs. 2 Fahrerlaubnisverordnung); wenn ich ihn daheim vergesse, ist das aber gerade kein Fahren ohne Fahrerlaubnis, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit (§ 75 Nr. 4 FeV), die gerade einmal 10 Euro Verwarnungsgeld nach sich zieht (Nr. 168a Bußgeldkatalog-Verordnung).

Eine Rechtsanwaltskanzlei rät auf ihrer Internetseite dazu, doch besser den Führerschein nicht im Auto zu haben. Begründet wird dies damit, dass der Führerschein dann auf begründeten Verdacht (konkret wurden Drogen am Steuer genannt) beschlagnahmt und gleichzeitig auch das Recht, Auto zu fahren, entzogen werden kann. Der Entzug wirkt sofort und dauert so lange, bis das Verfahren abgeschlossen ist, also der Drogenverdacht durch Auswertung der Blutprobe nach ca. einem bis drei Monaten entkräftet ist. Das gilt aber eben nur, wenn der Führerschein mitgeführt wird:

Aus unserer Sicht begründet sich die Pflicht zum Mitführen der Fahrerlaubnis lediglich darin, dass der Polizei die Möglichkeit gegeben wird, diese zu beschlagnahmen.

Zwar handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, wenn Willi Brause den Führerschein nicht bei sich führt, aber selbst wenn man im Falle einer Polizeikontrolle dann 10 € berappen muss, ist dieses im Ergebnis billiger, als die Kosten, die man hätte, wenn die Pappe (auch nur vorläufig) entzogen wird – vom Ärger und Aufwand einmal ganz abgesehen.

Ganzer Text: http://www.kanzlei-nierenz.de/warum-man-besser-seinen-fuhrerschein-nicht-dabei-hat/

Die rechtlichen Hintergründe werden auf der dortigen Seite, auch in den Kommentaren unter dem Text, sehr aufschlussreich beleuchtet. Wir wollen uns aber vielmehr damit auseinandersetzen, was aus rechtsphilosophischer Sicht davon zu halten ist. Denn selbstverständlich gab es auch gleich einige Reaktionen, die einwarfen, man dürfe doch – vor allem als Rechtsanwalt – nicht zur Begehung einer Ordnungswidrigkeit aufrufen.

Einerseits hat diese Kanzlei das gar nicht getan. Sie hat nur darauf hingewiesen, welche Vor- und Nachteile die beiden möglichen Verhaltensweisen (Führerschein dabei oder nicht) jeweils bieten und diese in einer Gesamtschau verglichen.

Und da ist es eben so, dass das Nicht-Mitführen des Führerscheins in dieser Konstellation davor schützt, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Gleichzeitig verstößt man natürlich gegen das Gesetz (wie oben erwähnt) und setzt sich der Gefahr der Verfolgung wegen einer Ordnungswidrigkeit aus. Dies selbstverständlich auch in den Fällen, in denen man ansonsten als Autofahrer alles richtig gemacht hat, die kontrollierenden Polizisten keinerlei Verdacht in irgendeiner Hinsicht haben und der vorläufige Entzug der Fahrerlaubnis überhaupt nicht zur Debatte steht. Und das kostet dann eben 10 Euro.

Dabei ist es wichtig, diese 10 Euro – rechtsphilosophisch gesehen – richtig zu verstehen. Sie sind nicht der Preis dafür, dass man den Führerschein nicht dabeihaben muss. Es bleibt illegal, sich ohne Führerschein ins Auto zu setzen, und darum darf man es nicht. Auch dann nicht, wenn man bereit ist, im Ernstfall die 10 Euro zu zahlen.

Für den rechtstreuen Bürger ist das also im Grunde keine Option. Wer sich an das Gesetz hält, weil es falsch ist, das nicht zu tun, der muss seinen Führerschein immer dabei haben.

Umgekehrt muss man aber berücksichtigen, dass der Staat selbstverständlich auch rechtstreu sein muss. Und die einschlägigen Vorschriften besagen, dass das Fahren ohne den Führerschein im Handschuhfach mit einer regelmäßigen Geldbuße von 10 Euro zu ahnden ist. Wenn der Staat also diese Sanktion festgesetzt hat, ist auch er am Ende seiner Macht angekommen. (Theoretisch kann auch ein höheres Bußgeld festgesetzt werden, aber das spielt in der Praxis keine Rolle.)

Und das Ende der Macht bedeutet im Ausgangsfall eben, dass neben dem Bußgeld auch noch ein Verfahren wegen des Anfangsverdachts des Fahrens unter Drogeneinfluss eingeleitet werden kann. Die Sicherstellung seines Führerscheins scheidet dagegen aus, da er ihn nicht dabei hat und damit nur ein Antrag beim zuständigen Gericht gestellt werden kann. Bis dieser bearbeitet ist, dauert es, und in der Zwischenzeit ist vielleicht in den Fall schon so viel Bewegung gekommen, dass der Verdacht ausgeräumt ist. Häufig wird die Polizei dieses langwierige Vorgehen von Haus aus sein lassen. Damit ist – aus rein praktischer Sicht – für den Betroffenen viel gewonnen.

Aus rein legalistischer Sicht ist das freilich anders. Da mag man sagen: „Nun ja, so funktioniert der Rechtsstaat eben. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man in einen unbegründeten Verdacht gerät, aber am Ende des Ermittlungsverfahrens kommt immer die Wahrheit heraus. Und wer nichts zu befürchten hat, kann das getrost abwarten.“ Dieses Abwarten geschieht dann aber ohne fahrbaren Untersatz.

Wenn es zwei Möglichkeiten gibt und das rechtmäßige Verhalten derart gravierendere Folgen haben kann als das unrechtmäßige, dann ist es das gute Recht eines Anwalts (als unabhängiges Organ der Rechtspflege, § 1 Bundesrechtsanwaltsordnung), darauf auch hinzuweisen. Im besten Falle kommt dadurch auch eine Diskussion über die rechtlichen Grundlagen zustande. Diesen Widerspruch kann nämlich im Endeffekt nur der Gesetzgeber auflösen.

Nach Karlsruhe gehen (II)

Neben dem einen Karlsruhe gibt es aber auch das andere Karlsruhe: Das Bundesverfassungsgericht. Wenn Sie wissen, dass die Abkürzung für dieses Gericht „BVerfG“ und nicht etwa „BVG“ lautet und Sie es zudem weder mit dem Bundesgerichtshof noch mit dem Bundesverwaltungsgericht verwechseln, haben Sie schon einmal mehr Ahnung von der Materie als 90 % der Deutschen. Und das ist auch in PISA-Zeiten noch ein Kompliment.

Das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich in erster Linie getreu seinem Namen mit „richtigen“ verfassungsrechtlichen Streitigkeiten. Da geht es um die Auslegung des Grundgesetzes und die Rechte und Pflichten der Verfassungsorgane untereinander. Beteiligte sind dementsprechend auch nur eben diese Verfassungsorgane, also zum Beispiel die Bundesregierung, der Bundesrat oder Peter Gauweiler.

Dann gibt es aber auch noch die Verfassungsbeschwerde. Und da kommen Sie ins Spiel: Wenn Sie sich durch die „öffentliche Gewalt“ in einem Ihrer Grundrechte verletzt sehen, können Sie nach Karlsruhe gehen. Nehmen wir also an, die haben sich vom Amtsgericht Hintertupfing aus hochgeklagt und sind bis Karlsruhe (in dem Fall Karlsruhe I, also zum Bundesgerichtshof) gekommen. Dessen Urteil gefällt Ihnen aber auch nicht. Also ziehen Sie weiter zum Bundesverfassungsgericht und schreiben (höchstpersönlich, denn ihren nichtsnutzigen Anwalt, der Ihnen diese Niederlage vor dem BGH schließlich eingebrockt hat, haben Sie längst gefeuert) eine gesalzene Verfassungsbeschwerde: „Das Urteil des BGH ist eine Sauerei! Es ist falsch, völlig falsch sogar! Unmöglich, sowas! Bitte, liebes BVerfG, hilf mir und verschaffe mir mein Recht!“ Sie werden kein Gehör finden. Denn das Bundesverfassungsgericht ist nicht dafür da, falsche Urteile richtigzustellen. Prinzipiell ist es natürlich schon so, dass man auch gegen Urteile Verfassungsbeschwerde erheben kann. Wenn der Rechtsweg (auch derjenige, der unterhalb von Karlsruhe endet) ausgeschöpft ist, dann kann man immer noch Verfassungsbeschwerde einreichen. Aber diese muss eine Grundrechtsverletzung zumindest behaupten. Ein Urteil, das einfach nur falsch ist, interessiert das BVerfG nicht.

Diese Verfassungsbeschwerden, die eigentlich nur ein untergeordneter Aspekt der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung sind, machen quantitativ den Löwenanteil der BVerfG-Verfahren aus. Dass eine Verfassungsbeschwerde den Weg zu einer Verhandlung in Karlsruhe findet, ist dagegen recht unwahrscheinlich. Die allermeisten Klagen werden schon im Anfangsstadium abgeblockt und als offensichtlich unbegründet zurückgewiesen. Dass sich die gerade einmal 16 Verfassungsrichter nicht mit jährlich etwa 6000 Verfassungsbeschwerden beschäftigen können, ist sicher einleuchtend. Daher gibt es mittlerweile eine enorme Zahl wissenschaftlicher Mitarbeiter, die hier eine Vorprüfung vornehmen und deren Expertise auch in aller Regel die Marschrichtung vorgibt. Diese Mitarbeiter sind aber keine gewöhnlichen „Hiwis“, sondern meist gestandene Juristen. Schließlich lassen sich die Karlsruher Richter ja nicht von irgendjemandem die Arbeit vom Hals schaffen!

Urheberrecht, Verwertungsrecht und Nutzungsrecht

Das Urheberrecht gewinnt immer mehr an Bedeutung. Besonders im Internet, wo sich Videos, Tondateien, Bilder und Texte ohne Aufwand und Kosten veröffentlichen, kopieren, zitieren und verlinken lassen, ist es problemlos möglich, sein Urheberrecht zu verwerten – oder auch fremdes Urheberrecht zu verletzen. Dabei geht es aber in vielen Fällen gar nicht wirklich um das Urheberrecht im engeren Sinne. Darum heißt unser zentrales Gesetz für diese Rechte auch „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“. Weil das Urheberrecht aber Grundlage für alle anderen Schutzrechte ist, wird es in der offiziellen Kurzbezeichnung „Urheberrechtsgesetz“ auch als einziges genannt und die anderen Rechte fallen unter den Tisch.

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird nicht einmal mehr zwischen den verschiedenen Rechtspositionen getrennt: Alles, was in irgendeiner Form mit einem urheberrechtlich geschützten Werk zu tun hat, wird als „Urheberrecht“ begriffen. Tatsächlich sind aber häufig, gerade bei Verletzungen des Urheberrechts, die anderen Rechte betroffen. Dabei kommen vor allem das Verwertungsrecht des Urhebers (§§ 15 bis 24 UrhG) sowie das Nutzungsrecht (§§ 31 bis 44 UrhG) in der Praxis häufig vor.

Das Urheberrecht selbst ist übrigens nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1), es kann lediglich vererbt werden (§ 28 Abs. 1). Die Idee dahinter ist ganz logisch: Urheber ist, wer Urheber ist. Man kann nicht durch Vertrag zum Urheber werden, wenn man das Bild nicht selbst gemalt oder das Lied nicht selbst gesungen hat. Auch der Erbe wird allein durch seine Erbenstellung freilich nicht zum Urheber, aber man geht wohl davon aus, dass dieser die Wünsche und Vorstellungen des Urhebers am besten vertreten kann.

Reine Urheberrechte beschäftigen sich mit ideellen Dingen: Der Urheber bestimmt, ob sein Werk überhaupt veröffentlich werden oder im stillen Kämmerlein bleiben soll (§ 12), er hat das Recht darauf, dass er und niemand sonst sich als Urheber bezeichnen darf (§ 13), und er kann anderen verbieten, sein Werk zu entstellen (§ 14).

Weit materieller sind dagegen die Verwertungsrechte. Diese umfassen laut § 15 Abs. 1 und 2:

  • das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
  • das Verbreitungsrecht (§ 17),
  • das Ausstellungsrecht (§ 18).
  • das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
  • das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
  • das Senderecht (§ 20),
  • das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
  • das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

Diese Verwertungsrechte stehen wiederum ausschließlich dem Urheber zu. Er kann sie – so gesehen – genau so wenig übertragen wie sein Urheberrecht. Wenn er sein Werk zu Geld machen will, dann geht das aber über die Einräumung von Nutzungsrechten.

Die Nutzungsrechte sind gesetzlich nicht definiert, sie orientieren sich allein an den tatsächlich möglichen Nutzungsarten. Alles, was man mit einem Werk machen kann, ist eine Nutzung. Und dazu ist nur der berechtigt, der entweder das Urheberrecht für sich in Anspruch nehmen kann (also nur der Urheber oder sein Erbe!) oder der das Nutzungsrecht übertragen bekommen hat. Wie weit das eingeräumte Nutzungsrecht geht, ist eine rein vertraglich zu regelnde Angelegenheit. Der Urheber und der Nutzer müssen also genau abgrenzen, welche Nutzungen übertragen werden sollen.

Die Umsatzsteuer-ID des Bundestags

Ein Blick auf das Impressum der Internetseite des Deutschen Bundestags hat bei manchem gewisse Irritationen ausgelöst. Dort ist eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) verzeichnet, nämlich DE 122119035. Über diese Zahlenkombination wird gemeinhin die Zahlung der Umsatzsteuer (auch Mehrwertsteuer genannt) abgewickelt und kontrolliert. Damit sollen Betrügereien mit der Mehrwertsteuer, zum Beispiel indem Firmen sich Umsatzsteuern erstatten lassen, die nie gezahlt wurden, verhindert werden. Wofür braucht aber nun ein Parlament eine derartige Nummer, die doch eigentlich nur Unternehmen benötigen? Machen unsere Volksvertreter etwa krumme Erwerbsgeschäfte, während sie doch eigentlich für ihre Wähler arbeiten sollen? „Die Umsatzsteuer-ID des Bundestags“ weiterlesen

Politik in Springfield

Nicht alles, was Zeichentrick ist, ist nur für Kinder. Und so bin ich ein großer Fan der Simpsons. Die Serie ist eine wunderbare kulturelle Erscheinung, die das Leben in den USA und das Zeitgeschehen meisterhaft parodiert. Und dazu gehört natürlich auch die Politik – und wie die dargestellt wird, wollte ich mal kurz zusammenfassen. Fortsetzung folgt vielleicht, denn vieles, an das ich mich jetzt noch dunkel erinnern kann, hab ich noch nicht gefunden bzw. keiner Episode zuordnen können.

Die Demokraten: Die demokratische Partei der USA ist im Grunde ein großer Haufen desinteressierter Weicheier einerseits (ein besonderes Beispiel dafür ist Springfields Dauer-Bürgermeister Quimby, siehe unten) und hoffnungslos verkopfter Intellektueller andererseits. Auf ihrem Parteitag hängen Transparente mit „We can’t govern“ und „We hate life and ourselves“. „Politik in Springfield“ weiterlesen

Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag

Kaum ist die Bundestagswahl vorbei, beginnt die Vorbereitung für eine der Pflichten des Parlaments: Es prüft, ob es eigentlich korrekt gewählt wurde oder ob sich die Abgeordneten selbst wieder nach Hause schicken müssen.

So will es das Grundgesetz, nämlich Art. 41 Abs. 1 Satz 1 GG:

Die Wahlprüfung ist Sache des Bundestages.

Dass der Bundestag hier zum Richter in eigener Sache wird, lässt sich wohl vor allem mit parlamentarischer Tradition begründen. Bereits US-Verfassung (1776), die österreichische Verfassung von 1848 und die Weimarer Reichsverfassung (1919) haben dies so vorgesehen. Ob diese Tradition eine gute ist, darüber kann man sicher streiten. „Wahlprüfung – für den Bundestag und durch den Bundestag“ weiterlesen

Besitz und Eigentum

Besitz, Anwesen, Gut, Habe, Eigentum, Grundbesitz, Immobilien, Grundstück, Besitzung, Länderei, Terrain, Anwesen, Hab und Gut, Vermögen, … – wenn man das Internet bemüht, dann sind all diese Begriffe zumindest irgendwie synonym zu gebrauchen. Aber die Juristen wären nicht Juristen, wenn sie es verschiedenen Wörtern durchgehen ließen, die gleiche Bedeutung zu haben. Damit dieses Erklärung nicht gar so unerträglich lang wird, beschränken wir uns auf ein einzelnes Begriffpaar: Besitz und Eigentum.

Im Sprachgebrauch werden diese Worte – was man nicht von allen Ergüssen des genannten Internet-Assoziationsblasters behaupten kann – auch tatsächlich weitgehend als bedeutungsgleich angesehen. Wer glaubt, das wäre bei den Juristen auch so, der soll einmal einen Blick in das Gesetz wagen: „Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.“ (§ 985 BGB) Dieser Satz lässt uns einigermaßen ratlos zurück. Wenn der Eigentümer vom Besitzer etwas verlangen kann, dann muss es sich um zwei verschiedene Personen handeln. Nun wäre es nicht so völlig unmöglich, dass man – streng juristisch betrachtet – auch etwas von sich selbst fordern kann. Die sich an dieser Stelle aufdrängenden Schizophrenen-Witze hebe ich mir für eine andere Gelegenheit auf.

Und doch beinhaltet dieser Satz bereits des Rätsels Lösung. Wenn wir davon ausgehen, dass der Besitzer nicht automatisch auch der Eigentümer ist, dann stellen wir eines fest: Der Besitzer muss die Sache herausgeben, also hat er sie wohl. Der Eigentümer kann fordern, dass er sie bekommt, also gehört sie ihm wohl. Und tatsächlich ist Besitzer derjenige, der die „tatsächlich Gewalt über die Sache“ ausübt (§ 854 Abs. 1 BGB). Ob er sie zurecht ausübt, ist völlig unerheblich. Der Dieb, der Räuber, der Finder, der Erbschleicher – sie alle können jederzeit Besitzer werden.

Anders ist es dagegen mit dem Eigentum. Eigentümer wird, wer das Eigentum an einer Sache erwirbt – das ist wohl einer dieser Sätze, die man sich auch sparen könnte. Das Eigentum wiederum erwirbt man, indem man sich mit dem bisherigen Eigentümer einigt, dass man Eigentümer werden soll und man selbst den Besitz an der Sache erhält. Weil das schon kompliziert genug klingt und in der Juristerei alles nochmal komplizierter ist als es klingt, widme ich mich der Lösung dieses Rätsel zu einem späteren Zeitpunkt.