Jurist werden

Sie möchten eigentlich Geschichtswissenschaft, Soziologe oder Französische Literatur studieren, haben aber keine Lust, später im Call Center eines Versandhauses zu arbeiten? Kein Problem, es gibt das ideale geisteswissenschaftliche Auffangstudium für Sie. Als studierter Jurist ist man im Grunde überall brauchbar, denn die Welt da draußen besteht nunmal – wie ein hochgebildeter Mensch einst im Vorwort seines ersten Buches festgestellt hat – aus Recht. Daher braucht jede Behörde, jede Firma, jeder Verein und eigentlich sonst auch überhaupt jeder Mensch einen Rechtskundigen.

Vor den Zugang zu den hohen Hallen der Juristerei hat der Gesetzgeber allerdings das Studium gesetzt. Möglicherweise wird irgendwann auf Druck der EU ein bulgarischer Wochenendkurs als Qualifikationsnachweis für Anwälte anerkannt, aber bis dato geht es ohne Studium nicht. Das Jura-Studium dauert gemeinhin acht bis zwölf Semester. Früher waren auch deutlich längere Studienzeiten möglich und üblich, aber mittlerweile schmeißen die Universitäten ihre Kunden gerne schon nach kurzfristiger Überschreitung der Regelstudienzeiten raus. Im Amtsdeutsch nennt sich das „Ausbildungshöchstdauer“, aber „Rausschmeißen“ tritt die Sache wohl besser.

Das Jura-Studium besteht im wesentlichen aus Lesen und Schreiben. Nicht, dass dies so besonders außergewöhnlich wäre, aber die Juristen treiben diese Disziplinen durchaus auf die Spitze. Sie werden also im Studium viele, viele Bücher lesen. Dieses hier ist schon einmal ein guter Anfang. Die Bücher werden aber sehr schnell deutlich dicker werden. Sofern man sich denn auch „echte“ Bücher versteift und nicht etwa zu den „Skripten“ greift, die mittlerweile mannigfaltig angeboten werden. Skripte sind natürlich auch echte Bücher, mit Umschlag, Seiten, Buchstaben und allem drum und dran. Aber sie vermitteln das notwendige Wissen sehr viel prägnanter. Sie benutzen Diagramme, stellen Sachverhalte stichpunktmäßig dar und konzentrieren sich insgesamt mehr auf das Wesentliche. Darum sind Skripte allgemein verpönt. Denn sie sind, wie der mustergültige Student mit einem Anflug von Ekel pflichtgemäß bemängelt, nicht wissenschaftlich. Und was nicht wissenschaftlich ist, ist eines Studenten nicht würdig. Allerdings schert sich der normale (nicht mustergültige) Student überhaupt nicht um die Wissenschaft. Er muss nämlich eine Prüfung bestehen und recht viel weiter reicht der Horizont während des Studiums naheliegenderweise nicht. Denn die Klausuren in den verschiedenen Fächern strömen in rascher Folge auf den Studenten ein und sie alle wollen bestanden werden.

Gelesen werden aber nicht nur Skripte und Bücher, sondern natürlich auch Urteile. Auf den Studenten warten unzählige trockene Gerichtsentscheidungen zum Gesellschaftsrecht, aber auch richtige „Knaller“ wie der Katzenkönig-Fall. Wer das Jura-Studium schon hinter sich hat, wird sich nun denken „Ja, genau, der Katzenkönig…!“ – für die anderen sei der Hintergrund kurz erklärt: Ein Sektenführer überzeugt einen seiner Jünger, dass er eine bestimmte Person töten muss. Ansonsten würde der teuflische Katzenkönig die Erde heimsuchen und Millionen Menschen ermorden. Das Sektenmitglied hat das tatsächlich geglaubt und diese Tötung begangen. Diesen völlig irren Sachverhalt muss man nun einigermaßen in juristische Bahnen bringen und eruieren, ob der Täter hier irgendwelche mildernden Umstände geltend machen kann, weil er ja aus seiner Sicht aus einer Art Notstand heraus gehandelt hat. Und nur zur Klarstellung: Das alles ist wirklich so passiert und es gibt ein Urteil des BGH aus den 80er-Jahren hierzu. Das muss auch passiert sein, denn Juristen hätten gar nicht die Phantasie, sich so einen Fall auszudenken.

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