Ein Schokoriegel vor Gericht

Heute mal wieder eine Schilderung aus der Praxis. Alle Angaben sind, wie immer, verfremdet bzw. anonymisiert.

Ein langjähriger Mandant meiner Kanzlei betreibt erfolgreich Einzelhandelsgeschäfte, in denen unter anderem Lebensmittel vertrieben werden. Er kennt sich damit wirklich gut aus, manche Details weiß er besser als ich.

Trotzdem wurde ihm nun von der Lebensmittelkontrollbehörde vorgeworfen, einen Schokoladenriegel falsch ausgezeichnet zu haben:

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ARAG-Verfahren: Was kostet ein Millionen-Prozess?

Zwei Kinder des ARAG-Gründers stritten um Ansprüche aus dem Nachlass.
Zwei Kinder des ARAG-Gründers stritten um Ansprüche aus dem Nachlass.
Als der Gründer des Versicherungsunternehmens ARAG, Heinrich Faßbender, verstarb, vermachte er seine Unternehmensanteile seinem Sohn Paul-Otto Faßbender. Seine Tochter sollte dafür einen entsprechenden finanziellen Ausgleich bekommen und klagte diesen auch schließlich ein – und zwar im Jahr 1983. Nun ist das erstinstanzliche Urteil in dieser Sache gefallen.

Verfahren mehrfach jahrelang ausgesetzt

Eine 34-jährige Prozessdauer ist nicht nur ungewöhnlich, sondern geradezu besipiellos. Sie stellt das legendäre Sürmeli-Verfahren noch einmal deutlich in den Schatten. Indes lag die lange Dauer wohl nicht am Gericht, sondern an den Beteiligten, die immer mal wieder jahrelange Aussetzungen des Verfahrens beantragten, um die Sache doch noch außergerichtlich zu klären.

Hinzu kam noch, dass sich die Abfindung nach dem Unternehmenswert zur Zeit des Erbfalls bemessen sollte – der natürlich mit dem zeitlichen Abstand zum Stichtag immer schwerer festzustellen war. „ARAG-Verfahren: Was kostet ein Millionen-Prozess?“ weiterlesen

Prozesskostenhilfe aus Sicht des Gegners

Die Prozesskostenhilfe ist ein Element des Rechtsstaats. Jedem, der einen Anspruch zu haben glaubt, muss grundsätzlich auch die Möglichkeit offen stehen, vor Gericht zu gehen. Wenn er sich einen teuren Prozess eigentlich nicht leisten kann, ist dies noch kein Grund, ihm seine Rechte vorzuenthalten. Aus diesem Grund gab es bereits in der Ur-Zivilprozessordnung das sogenannte „Armenrecht“. Heute nennt es sich neutraler „Prozesskostenhilfe“ und ist in den §§ 114 bis 127 ZPO geregelt.

PKH kann selbstverständlich unabhängig davon gewährt werden, ob man Kläger oder Beklagter ist. Für die heutigen Betrachtungen ist aber die Klägerseite interessanter. Es geht also darum, dass der Kläger eine Forderungen gegen jemanden erhebt und selbst nicht genug Geld hat, um Gericht und Anwälte zu zahlen. Darum will er, dass der Staat ihm unter die Arme greift.

Erste Voraussetzung dafür ist die Bedürftigkeit, die nach genau festgelegten Regeln und anhand von Einkommentabellen berechnet wird. Außerdem muss die Klage zumindest gewisse Erfolgsaussichten bieten. (Ob sie auch tatsächlich Erfolg hat, muss freilich erst das Gericht der eigentlichen Verhandlung prüfen. Im PKH-Verfahren fallen also nur Klagen durch, die völlig chancenlos sind.) Und schließlich darf sie auch nicht mutwillig, also ohne vernünftigen Grund angestoßen worden sein. Diese Voraussetzungen stehen in § 114 Abs. 1 ZPO und werden in den nachfolgenden Vorschriften noch etwas präzisiert.

Wird PKH bewilligt, so muss der Kläger gemäß § 122 weder die Gerichts-, noch seine eigenen Anwaltskosten zahlen. (Theoretisch kann PKH auch so bewilligt werden, dass der Kläger immerhin Raten zahlen muss, dann ist die PKH-Leistung also mehr ein Kredit als eine Kostenübernahme. Diese Konstellation lassen wir hier aber ebenfalls weg.)

Was die Prozesskostenhilfe aber niemals deckt, sind die Anwaltskosten des Gegners, siehe § 123 ZPO. Wenn der PKH-berechtigte Kläger verliert, seine Klage also abgewiesen wird, muss er also (nur) die Anwaltskosten des Gegners zahlen. Anders gesagt: Der Beklagte muss seinen Anwalt zunächst selber zahlen und hat dann einen Erstattungsanspruch gegen den Kläger – nicht etwa gegen den Staat, da die Prozesskostenhilfe eben nicht so weit geht. Diesen Erstattungsanspruch muss er aber erstmal irgendwie durchsetzen können – gegen einen „bedürftigen“ Gegner.

Unter Umständen ist dieser Anspruch also nicht viel wert, weil der Gegner so arm ist, dass man nichts pfänden kann. Nun kann er aus diesem Anspruch zwar immer wieder die Vollstreckung versuchen, also einen Gerichtsvollzieher beauftragen, aber die Aussichten sind möglicherweise nicht die besten. Und jeder Vollstreckungsversuch produziert neue Kosten, die zunächst einmal der Anspruchsinhaber selbst tragen muss.

Insgesamt nimmt es der Staat also hin, dass ein bedürftiger Kläger auf Staatskosten seinen Anspruch durchsetzen will, sich dieser aber als unbegründet herausstellt und anschließend der Beklagte (der keinen Anlass dazu geliefert hat, den Prozess durchzuführen, und zudem vor Gericht auch noch Recht bekommen hat) mit einer unter Umständen gesalzenen Rechnung allein gelassen wird. Dies widerspricht grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen.

Was könnte man nun dagegen machen?

Eine Abschaffung der Prozesskostenhilfe kommt sicher nicht in Betracht. Dieses Instrument ist verfassungsmäßig praktisch unverzichtbar.

Vielmehr sollte man an § 123 ZPO Änderungen vornehmen und es dem Gegner erlauben, seine Kosten ebenfalls dem Staat in Rechnung zu stellen. Damit hat dieser keinen Nachteil und das Insolvenzrisiko des PKH-Klägers wird nicht auf einen im Grunde unbeteiligten Dritten abgeschoben.

Bis dahin kann man jedem, der von einem PKH-Berechtigten verklagt wird, nur raten, seine Rechte wahrzunehmen. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann er sich dazu äußern, ob er „die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält“. Dabei sollte man vor allem begreifen, dass es – wie geschildert – auch um seine Position im Verfahren geht. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit zwischen Staat und Kläger, aus der man sich vornehm heraushält. Wenn man die Klage für unbegründet hält, wenn man vielleicht sogar schlagende Beweise in der Hand hält, dass man selbst im Recht ist, sollte man sich auch entsprechend äußern. Vor allem ist es nicht so, dass man dem Gegner dadurch seine wohlerworbenen Rechte wegnimmt. Denn es nützt auch dem Kläger nichts, wenn er dann erst in der mündlichen Verhandlung auf die Nase fällt.