Ein Schokoriegel vor Gericht

Heute mal wieder eine Schilderung aus der Praxis. Alle Angaben sind, wie immer, verfremdet bzw. anonymisiert.

Ein langjähriger Mandant meiner Kanzlei betreibt erfolgreich Einzelhandelsgeschäfte, in denen unter anderem Lebensmittel vertrieben werden. Er kennt sich damit wirklich gut aus, manche Details weiß er besser als ich.

Trotzdem wurde ihm nun von der Lebensmittelkontrollbehörde vorgeworfen, einen Schokoladenriegel falsch ausgezeichnet zu haben:

  • Zum einen standen die Nährwertangaben nebeneinander und nicht untereinander auf der Verpackung. Das ist aber nur bei Verpackungen mit maximal 10 cm² erlaubt, der Riegel hatte jedoch 15 cm².
  • Außerdem stand ein Bestandteil, nämlich die Erdnüsse, nur vorne groß auf dem Riegel und auf der Rückseite bei den Inhaltsstoffen sowie extra ausgewiesen als möglicherweise allergieauslösender Stoff. Allerdings hätte er auf der Rückseite auf kursiv oder fettgedruckt werden müssen.
  • Und es fehlte eine Angabe darüber, ob das Produkt nun aus der EU-Landwirtschaft oder aus der Nicht-EU-Landwirtschaft stammt.

Ganz erhebliche Vorwürfe also, die die Ruchlosigkeit des Verkäufers belegen und sicher schon viele arglose Kunden brutalst hinter’s Licht geführt haben.

All das dient ja dem Verbraucherschutz und muss daher ganz genau eingehalten werden. Zuständig dafür ist an sich aber der Hersteller bzw. Importeur, nicht der Händler. Weil die Behörde mit den Angaben nicht zufrieden war und ein Gutachten diese Mängel bestätigte, wurde dann jedoch meinem Mandanten ein Bußgeldbescheid über 800 Euro zugestellt. Er hätte dies angeblich kontrollieren müssen.

Damit war er nicht zufrieden und so ging die Sache heute vor den Bußgeldrichter beim Amtsgericht. Der Richter hörte sich interessiert die Ausführungen des Sachverständigen an, was hier denn alles falsch gewesen sein soll. Der berief sich auf verschiedene EU-Verordnungen, die zusammen das Aussehen von Schokoriegelverpackungen festlegen.

Als der Richter die Ausführungen des Gutachters mit den Worten „Erstaunlich, was sich die Leute in Brüssel so alles ausdenken“ quittierte, hatte ich eine ziemlich starke Ahnung, wie das Verfahren ausgehen könnte.

Mein Mandant erklärte dann noch, dass er das Verfahren zum Anlass genommen hat, nunmehr seine Produkte professionell darauf überprüfen zu lassen, ob sie alle Regularien auch wirklich einhalten.

Anschließend diskutierten wir noch, ob mein Mandant überhaupt für die Verpackung verantwortlich sei. Der Richter stützte insoweit unsere Rechtsansicht und weder der Gutachter noch der Vertreter der Behörde konnte mit Sicherheit sagen, dass wir Unrecht haben.

Weil ein Freispruch im Wege des Urteils auch zumindest eine gewisse Begründung erfordern würde, schlug der Richter den „kleinen Bruder“ des Freispruchs vor: Verfahrenseinstellung unter voller Kostentragung durch die Staatskasse. Mein Mandant musste kein Bußgeld, keine Gerichtsgebühren, keine Gutachterkosten und nicht einmal meine Kosten zahlen.

Damit kann man durchaus leben.

Anschließend haben wir dann noch beim Verlassen des Gerichtssaals in lockerer Atmosphäre mit den Beteiligten über die Sache geratscht. Gar so glücklich sind nämlich auch die Behörden mit der immer weiter um sich greifenden Bürokratie auch nicht.

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